Zum Umgang mit Fremdbildern und Stereotypen im universitären Unterricht Deutsch als Fremdsprache
Natia Ansiani (Tbilissi, Georgien)
Abstract
(English)
Nowadays
intercultural education and competence are being regarded as
interdisciplinary aspects of foreign language teaching and
learning. One of the main objectives of intercultural competence
is the capability of managing foreign images and stereotypes. Foreign
language teaching can serve to make as well as break such images and
stereotypes. In consequence, it needs to be discussed what kinds of
knowledge of stereotypes are essential for students and how they
can be acquired. In the following, an overview of recent research
activities regarding stereotypes in teaching German as a foreign
language will be given, with samples taken from classroom
observations during an intensive course taught at Saarland
University (Germany). Methodological differences between this
course, in which intercultural groups were taught, and a course of
German as a foreign language taught in Georgia with a single-source
language and culture of origin will be presented.
Keywords: Intercultural education,
intercultural competence, stereotyping in the process of learning
German as a foreign language
Abstract
(Deutsch)
Interkulturelle
Bildung und Erziehung gelten heutzutage als fächerübergreifende
Lernziele. Vor diesem Hintergrund ist der kompetente Umgang mit
Fremdbildern und Stereotypen ein Teilziel des modernen
Fremdsprachenunterrichts. Er bietet das ideale Umfeld, in dem
stereotype Vorstellungen sowohl gebildet als auch abgebaut werden
können. Dabei ist zu fragen, welche Kenntnisse über die Kategorie
des Stereotyps in der interkulturellen Kommunikation für den Lerner
nützlich sind und wie diese Kenntnisse erworben werden können.
Im folgenden Beitrag soll ein Überblick über die neuere Forschung
zum Umgang mit Stereotypen im Unterricht Deutsch
als Fremdsprache (DaF)
gegeben werden. Anhand von Beispielen aus der Unterrichtsbeobachtung
von DaF-Intensivkursen an der Universität des Saarlandes werden
didaktisch-methodische Differenzen zwischen dem DaF-Unterricht
in Deutschland – in kulturell heterogenen Gruppen – und
demjenigen in Georgien – mit einer einzigen Ausgangssprache
bzw. Ausgangskultur – dargestellt.
Stichwörter:
Interkulturelles Lernen, interkulturelle Kompetenz,
Stereotypisierungen im DaF-Unterricht
1
Interkulturelles Lernen im modernen universitären
DaF-Unterricht
in Georgien
Seit
etwa zwei Jahrzehnten werden interkulturelle Bildung und Erziehung
als fächerübergreifende Lernziele auch in Georgien anerkannt. Im
universitären Unterricht Deutsch als
Fremdsprache (DaF) in Georgien werden
moderne, mit dem Lernziel Interkulturelles
Lernen, interkulturelle Kommunikation
konzipierte Lehrwerke eingesetzt. Ziel des universitären
DaF-Unterrichts ist es dabei, den Studierenden den Erwerb von
Fremdsprachenkenntnissen zu ermöglichen und sie entsprechend –
messbar anhand der höheren Niveaustufen des Gemeinsamen
europäischen Referenzrahmens (GeR) – auf ein Studium an deutschen
Universitäten vorbereiten.
Es wird bisweilen darüber
diskutiert, dass die Studierenden aufgrund einer unzureichenden
Kompetenzschulung in interkulturellen Begegnungssituationen nicht
selten auf Missverständnisse stoßen. Nicht zu Unrecht schreiben
Bolten und ebenso Apeltauer:
Viele interkulturelle Missverständnisse und Probleme resultieren daraus, dass man sich der Kulturgebundenheit der eigenen und der Wahrnehmung seines fremdkulturellen Partners nicht hinreichend bewusst ist: Es werden Dinge und Sachverhalte als unhinterfragt „normal“ angesehen, die für die Wahrnehmungsgewohnheit des anderen keineswegs plausibel sind. (Bolten 2007: 29)
Wer sich mit der Verständigung über sprachliche oder kulturelle Grenzen hinweg beschäftigt, der stößt immer wieder auf Probleme, die sich dadurch ergeben, dass Interaktionspartner die Intentionstiefe von Aussagen nicht vollständig erschließen können. Teilverstehen ist aber häufig die Ursache für Missverstehen, insbesondere dann, wenn es unerkannt bleibt und zur Grundlage von falschen Erwartungen oder Vermutungen wird. Solche verdeckten Voraussetzungen können zu Auslösern von Kommunikationskonflikten werden. Zu ihnen gehören Sichtweisen und Einstellungen ebenso wie Erwartungen. (Apeltauer 2001: 3)
Unter Kompetenzen
verstehen die Autoren des GeR dabei Folgendes:
Kompetenzen sind die Summe des (deklarativen) Wissens, der (prozeduralen) Fertigkeiten und der persönlichkeitsbezogenen Kompetenzen, die es einem Menschen erlauben, Handlungen auszuführen. (Europarat 2001: 21)
Ein wichtiger Aspekt im
interkulturellen Lernprozess ist die Einstellung der Studierenden
gegenüber der Zielsprache und der Zielkultur. Dieser Aspekt kann
nach dem GeR den persönlichkeitsbezogenen
Kompetenzen zugeordnet werden:
Unter persönlichkeitsbezogener Kompetenz (savoir-être) wird die Summe der individuellen Eigenschaften, der Persönlichkeitsmerkmale und Einstellungen verstanden, wie zum Beispiel das Selbstbild und die Sicht anderer Menschen, die Bereitschaft, sich auf soziale Interaktion mit anderen einzulassen. (Europarat 2001: 23)
Der offenkundige Mangel
an analytischen Studien über stereotypische Einstellungen macht
es den Studierenden dabei nicht gerade leichter, sich angemessen
auf Begegnungen mit Angehörigen der Zielkultur vorzubereiten und die
fremdkulturelle Realität als solche zu erfassenX
Fremdbilder
und Stereotype sind ein wichtiger Bestandteil der interkulturellen
Kompetenzschulung im Fremdsprachenunterricht, denn interkulturelle
Handlungskompetenz beinhaltet die Kenntnis von Stereotypen,
ihre kulturellen und sozialen Bewertungen, das soziokulturelle
Umgehen, gewissermaßen das Handlungsvermögen. (Löschmann 2001:
174f)
Es ergeben sich in diesem
Zusammenhang folgende Fragen:
- Wie wird handlungsorientiertes, interkulturelles Lernen im universitären DaF-Unterricht in Georgien umgesetzt?
- Welche Aspekte interkulturellen Lernens werden im Lernprozess berücksichtigt?
- Werden soziokulturelle bzw. landeskundliche Themen einschließlich der Stereotype behandelt?
Ein weiterer Aspekt des
interkulturellen Lernens stellt entsprechend die Qualität der
Ausbildung der Lehrperson dar. Einstellung und Bildung der Lehrperson
haben einen entscheidenden Einfluss auf den Fremdsprachenunterricht
und die Bildung und / oder die Änderung stereotyper
Fremdbilder.
Demzufolge lassen sich
die ausschlaggebenden Faktoren, die den gesamten Lernprozess
beeinflussen können, in den folgenden Fragen zusammenfassen:
- Ist die Lehrperson selbst interkulturell kompetent?
- Ist sie schon im Zielland gewesen? Wenn ja, wie lange?
Es gibt kaum
wissenschaftliche Studien, die den Prozess des interkulturellen
Lernens im universitären DaF-Unterricht in Georgien dokumentieren.
Erkenntnisse, die nennenswerte Schlussfolgerungen zuließen,
liegen bisher nicht vor (Loladse 2011 und Akhalkatsi 2009).
2 Fremdbilder und Stereotype im DaF-Unterricht
2.1 Forschungsstand
Die
Betrachtung von Fremdbildern, Stereotypen und interkulturellen
Vorurteilen ist heutzutage allenthalben zum Unterrichtsgegenstand
geworden. Die ersten Erkenntnisse zum Thema Stereotyp
im Sinne einer fremdsprachendidaktischen Kategorie wurden
Anfang der 1970er Jahre gewonnen. In den meisten Studien wurden
Eigenschaftslisten zur Stereotypenforschung entwickelt (Pieklarz
2008). Die Schüler sollten aus einer Liste von Eigenschaften ihrer
Meinung nach auf die Fremdkultur zutreffende Eigenschaften ankreuzen.
Ziel war die Darstellung nationaler Stereotypen. Der Nachteil dieses
Verfahrens war, dass die vorgegebenen Antworten
interpretationsbedürftig waren.
Eine
Studie von Keller aus dem Jahre 1970 hatte zum Ziel, die Lerner durch
die Beschäftigung mit Auto- und Heterostereotypen der beteiligten
Gruppen hinsichtlich Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu
sensibilisieren (Pieklarz 2008).
Seit
den 1990er Jahren entstanden zahlreiche empirische Befunde – mit
dem Ziel, den Stellenwert von Stereotypen im Fremdsprachenlernprozess
herauszustellen. Viele Übungen wurden zur Wahrnehmungsschulung
und zur Sensibilisierung der Lernenden für Stereotype
entwickelt (z. B. Apeltauer 1983, 1998, 2002, Löschmann 1998).
Im
Rahmen der neuesten Ansätze wird eine polymethodische Vorgehensweise
verfolgt, und mithin werden unterschiedliche Methoden zur Erforschung
der Stereotypen verwendet: Durch die Verwendung beispielsweise von
Fragebögen, Interviews, Merkmallisten sollen die Validität der
Ergebnisse gesichert und die kollektiven Vorstellungen rekonstruiert
werden können. (Pieklarz 2008).
Pieklarz
führte im Jahre 2007 im Rahmen des Projekts Stereotype
und Affektivität im interkulturellen Fremdsprachenunterricht
eine empirische Untersuchung zur Erfassung der Korrelation
zwischen Stereotypen und affektiven Prozessen im fremdsprachlichen
Lernprozess durch. Ziel war es herauszufinden, über welche
stereotypen Vorstellungen die Studierenden im Hinblick auf die
Fremdsprache und das Zielland verfügten. Grundsätzliche Annahme
war, dass sowohl affektive und emotionale Faktoren (Einstellung,
Interesse und Motivation), als auch soziale Faktoren (Erfahrungen
innerhalb und außerhalb des Fremdsprachenunterrichts, Lehrperson,
Unterrichtsgestaltung, Begegnung mit Sprechern der Zielkultur und des
Ziellandes) in enger Korrelation zur Stereotypisierung stehen
und dass der Fremdsprachenunterricht die Bildung von Stereotypen
beeinflusst.
Ziel
einer empirischen Studie von Ziegler (2004) zu
Stereotypisierungsprozessen im Fremdsprachenunterricht war es,
herauszufinden, welche Wissensstrukturen den Stereotypisierungen
zugrundelagen und welche Funktionen Stereotypisierungen während
einer Interaktion im Fremdsprachenunterricht hatten. Die
Untersuchung folgte dem Mehr-Methoden-Einsatz, der Triangulation:
Primärdaten (Unterrichtskommunikation) wurden durch ein
gesprächsanalytisches Verfahren analysiert und durch
Sekundärdaten (fokussierte retrospektive Interviews) ergänzt
(Ziegler 2004: 198f).
Schmidt
legte im Jahre 2014 eine empirische Forschung zum Deutschlandbild
französischer Jugendlicher vor, die sowohl qualitativ als auch
quantitativ ausgerichtet war. Ziel der Studie war es, stereotype
Vorstellungen französischer Jugendlicher gegenüber Deutschland
und den Deutschen aufzudecken. Die Fragebögen enthielten sowohl
geschlossene Fragen als auch skalierte Daten. Untersucht wurde auch
die Frage, welche Einflussfaktoren bei der Änderung bzw. Bildung
stereotyper Vorstellungen eine Rolle spielen (z. B.
geographische Entfernung, Alter, Aufenthalte im Zielland) und
welche Unterschiede es bei dem
Stereotypisierungsprozess zwischen den Geschlechtern gab.
2.2 Selbst- und Fremdbildreflexion im Fremdsprachenunterricht als Teilziel der interkulturellen Kompetenz
Interkulturelle
Kompetenz, die als fächerübergreifendes
Lernziel und Schlüsselkompetenz in der interkulturellen
Kommunikation gesehen wird, war und ist ein umstrittener Begriff Man
spricht über ihre Dimensionen und verweist dabei auf ihren komplexen
Charakter:
Interkulturelle Kompetenz stellt keinen eigenständigen Kompetenzbereich dar, sondern ist im Sinne von lat. competere („zusammenbringen“) am besten als Fähigkeit zu verstehen, individuelle, soziale, fachliche und strategische Teilkompetenzen in ihrer bestmöglichen Verknüpfung auf interkulturelle Handlungskontexte beziehen zu können. Interkulturelle Kompetenz ist dementsprechend keine Schlüsselqualifikation, sondern eine Querschnittsaufgabe, deren Gelingen das Zusammenspiel verschiedener Schlüsselqualifikationen voraussetzt. (Bolten 2007: 112f)
Bereits ab frühstem
Kindesalter unterliegt der Mensch der Notwendigkeit, mit den
Mitgliedern seines Umfeldes erfolgreich zu kommunizieren; geschieht
dies mit Erfolg, entwickelt er sich letztendlich zum Individuum, das
sich – durch die Gemeinsamkeiten, die es mit seinem sozialen Umfeld
teilt – mit eigenen Gesichtszügen, seinem Charakter und seiner
Kultur als zivilisierter und integrierter Mensch etabliert hat.
Dies wird als eine allgemeine Handlungskompetenz bezeichnet.
Interkulturelle Kompetenz wird daher zur Transferfähigkeit
allgemeiner Handlungskompetenz im interkulturellen Kontext (Rathje
2006: 8ff). Interkulturelle Kompetenz
kann vor diesem Hintergrund als eine Erweiterung des kulturell
geprägten Wahrnehmungshorizonts definiert werden.
Bolten
definiert Wahrnehmungsprozesse vornehmlich als selektiv: Der Mensch
erlernt während seiner Sozialisation explizite Erklärungen in Bezug
auf Wahrnehmbares; diese werden als Wissen gespeichert: Man
spricht von kollektivem Gedächtnis. Die Selektion von Wahrnehmungen
und deren Überführung in Wissensvorräte werden in der Regel
durch die Kontexte, in denen der Mensch sozialisiert wird, gesteuert.
Wahrnehmung ist in diesem Sinne kulturspezifisch (Bolten 2007: 33f).
Das kollektive Gedächtnis wird als Interpretationsvorrat
verstanden, in dem unsere Wahrnehmung sowie unser Denken und Handeln
als kulturgebunden bezeichnet werden (Bolten 2007: 38f).
Wahrnehmung
wird hingegen als subjektiv bezeichnet: Das Gehirn arbeitet nicht mit
expliziten Erklärungen, sondern mit konstruiertem Sinn. Auf der
Basis des Bekannten, also auf dem Vorratswissen beruhend, werden
Analogien gebildet. Existieren zu den Eindrücken, die in einer
fremdkulturellen Umgebung gewonnen werden, keine Entsprechungen im
Wissensvorrat, besteht die Gefahr, diese durch Stereotypen und
Vorurteile zu ersetzen (Bolten 2007: 33f).
Folglich zählt der
angemessene Umgang mit Fremdbildern und Stereotypen im
Fremdsprachenunterricht zu den wichtigsten Aspekten der
interkulturellen Kompetenzschulung. Nach der
kulturanthropologischen Perspektivierung werden Fremdbilder und
Stereotype folgenderweise definiert.
Fremdbilder (Images) – Wahrnehmungsformen des Anderen – bilden einen zentralen Bestandteil interkultureller Kommunikation. Fremdbilder sind untrennbar verknüpft mit Identitätsbildern (Lüsebrink 2008: 85).
Stereotype –
fossilierte Images, Bilder bzw. Vorstellungen von etwas Fremdem
verfestigen sich, fossilieren zu Stereotypen (Bolten 2007: 55f).
Stereotype Einstellungen
können in der interkulturellen Kommunikation zu Irritationen
führen. Die Bewusstmachung von Autostereotypen (Selbstbild) und
Heterostereotypen (Fremdbild) hilft Lernenden, sie bewusst
anzuwenden, d.h. sie produktiv zu nutzen:
Wir können das Fremde nicht kennen und verstehen lernen wollen, wenn wir das Eigene nicht reflektieren – vor allem die Beziehung zwischen Eigenem und Fremdem. Aus diesem Grunde sollten Maßnahmen zur interkulturellen Kompetenzentwicklung auch immer eine Förderung des Selbstverständnisses, des Wissens um Zusammenhänge der eigenen Kultur, einbeziehen. (Bolten 2007: 59f)
3 Darstellung des Forschungsprojektes
3.1 Die Untersuchungen an der Universität des
Saarlandes
Die
Universität des Saarlandes zeichnet sich durch eine große Zahl
internationaler Studierender aus; daher sind Mehrsprachigkeit
und interkulturelle Kommunikation ein Schwerpunkt an vielen
Lehrstühlen. Dies gilt auch für den Lehrstuhl Deutsch als
Fremdsprache / Zweitsprache (DaF / DaZ), an dem
das Forschungsprojekt, das im Folgenden vorgestellt wird, begonnen
wurde. Das Projekt entstand im Rahmen des Promotionsstudiums der
Autorin und ist noch nicht abgeschlossen. Daher wird über dessen
bisherige Zwischenergebnisse berichtet.
Gegenstand
der Untersuchung ist die Beobachtung und Dokumentation des
Unterrichtsprozesses in verschiedenen DaF-Kursen am International
Office und am Studienkolleg der Universität
des Saarlandes. Im Rahmen dessen werden ebenso Interviews mit
georgischen Studierenden an deutschen Universitäten geführt, um
deren Einstellungen, Erwartungen und Erfahrungen zu dokumentieren,
die Rückschlüsse auf mögliche Stereotypen seitens georgischer
Studierender gegenüber Deutschland und den Deutschen zulassen.
Das Hauptziel der
Hospitationen der Autorin in den oben genannten DaF-Kursen besteht
darin, in kulturell heterogenen Gruppen (im Gegensatz zu Georgien, wo
im Allgemeinen homogene Gruppen unterrichtet werden) echte
interkulturelle Lernsituationen zu beobachten, um im Umkehrschluss
aus diesen Beobachtungen Antworten auf folgende Fragen zu finden:
- Welche interkulturellen Themen sind unterrichtsrelevant?
- Werden Stereotypen und Fremdbilder thematisiert?
- Wie werden die Themen methodisch aufgearbeitet und dargestellt?
- Welche Stereotypen weisen internationale Studierende im Lernprozess auf?
- Welche Kenntnisse über die Kategorie des Stereotyps sind nützlich für die interkulturelle Kommunikation und wie werden sie erworben?
- Wie ist die Position der Lehrerperson im Unterricht hinsichtlich ihrer Einflussnahme auf die Studierenden?
- Ändert sich die Einstellung der Studierenden zum Zielland und zur Zielkultur?
- Welche Unterschiede gibt es zwischen interkulturellem DaF-Unterricht in Deutschland und in Georgien?
Insgesamt
wurden bislang
24
Unterrichtseinheiten (zu jeweils 90 Minuten) beobachtet,
exemplarische Teile gefilmt und nach GAT 21
transkribiert.
Georgische
Studierende wurden in qualitativ ausgerichteten, offenen Interviews
befragt: Die Gestaltung des jeweiligen Interviews war vom
Gesprächsverlauf abhängig, d.h. von den Schwerpunkten, die die
Probanden selbst setzten. Die Probanden sprachen zuerst über ihre
Erwartungen vor der ersten Reise nach Deutschland und danach über
ihre dort gesammelten Eindrücke und Erfahrungen. Mit diesem
Verfahren sollte die Vorgabe von Stereotypen möglichst vermieden
werden. Der Verlauf und die Dauer der Interviews waren aus diesem
Grund unterschiedlich: In der Regel dauerten sie zwischen 30 und 60
Minuten. Die Interviews wurden aufgezeichnet und exemplarisch
transkribiert.
3.2 Exemplarische Beispiele aus eigenen Beobachtungen in DaF-Kursen an der Universität des Saarlandes
3.2.1 Internationale Sommersprachkurse
Intensivsprachkurse
des International Office
richten sich an internationale Studierende, Studienbewerber und
Absolventen von Hochschulen. In Sprachkursen werden neben
Sprachkenntnissen auch Projektunterricht zur Kultur und zu
landeskundlichen Themen angeboten. Als Beispiel wird an dieser Stelle
ein Projekt mit dem Namen „Stereotype, Vorurteile, Klischees“
angeführt, das im Sommer 2015 stattfand.
Methodisch lässt sich
die Vorgehensweise des Projekts in vier Phasen einteilen:
- Phase: Input – Informationen zur Landeskunde
- Phase: Aufdeckung von Auto- und Heterostereotypen
- Phase: Überprüfung von eigenen Einstellungen durch Befragung und Recherche
- Phase: Darstellung und Analyse von eigenen Ergebnissen
In der ersten Phase
wurden die Teilnehmer mit verschiedenen landeskundlichen Themen
konfrontiert.
In
der zweiten Phase deckte der Dozent Vorurteile und stereotypische
Vorstellungen der Teilnehmer gegenüber Deutschen und
Deutschland auf. Das Gespräch wurde so moderiert, dass die
Teilnehmer auch ihr eigenes Selbstbild einbeziehen, ihr Land also mit
Deutschland vergleichen sollten.
Das folgende Beispiel ist
ein Auszug aus einem Unterrichtsgespräch über Deutsche. Das
Gespräch wurde von zwei Georgierinnen und einem Holländer geführt.
Es verdeutlicht, wie Deutsche aus verschiedenen Perspektiven
unterschiedlich wahrgenommen werden:
002
Studierende 1: Streng. ((viele lachen))4
003 Dozent:
Also, wir sind alle typisch streng.
004 Studierende
2: Äm (-) hilfsbereit, verantwortlich.
005 Dozent: Äm
(.) Als bisschen streng, aber hilfsbereit.
006 Georgierin
I: Höflich auch.
007 Dozent:
Höflich?
008 Georgierin
I: Ja, stimmt.
009 Dozent:
Sagen wir immer „bitte“, „danke“?
010 Georgierin
I: Ja, ja <<lachend>>
011 Holländer:
Deutsche sind nicht höflich. ((Viele lachen laut))
012 Dozent:
Warum werden Sie in Holland sagen, dass Deutsche nicht höflich sind
und warum werden Sie in Georgien sagen, dass Deutsche in Georgien als
höflich wahrgenommen werden?
013 Georgierin
I: Äm (-) zuerst es ist sehr angenehm (.) also wie ein Regel siezen
und (.) so, siezen und nicht duzen und äm(--) an (.) wenn man etwas
sagt, beginnt man mit „bitte“ oder sagt man zu Ende, oder
Entschuldigung und im Geschäften auch „hallo“, „tschüß“,
„hallo“, „tschüß“.
014 Dozent:
Also Sie würden sagen, die Höflichkeit drückt sich vor allem auch
in der Sprache aus.
015 Georgierin
II: Ja. <<nickend>>
016 Dozent: Wie
wir sprechen, welchen Verhaltenskodex wir dann haben, siezen, duzen,
dann „bitte“, „danke“, also, Sie würden sagen, sprachlich
drücken wir ein sehr höfliches Bild, oder drücken wir diese
Höflichkeit aus.
017 Georgierin
I: <<nickend>> Ja, und tagsüber lächeln auch ((zeigt
mit den Fingern auf ihren Mund „Lächeln“)) Und warum ist für
dich (.) für dich nicht höflich? ((Sie wendet sich mit der Frage an
den holländischen Studierenden)).
018 Georgierin
II: Was machen Deutsche in Holland?
019 Holländer:
Äm: Sie sind (.) sie sagen Hallo und etwas, aber äm (.) zum
Beispiel in Niederlanden, in Restaurant kann man (.) gleich sehen,
dass es Deutsche sind. Sie sind sehr ( ) Sie denken, dass alles um
sie geht, und zum Beispiel, das sind da, der Ober, wie heißt das,
der Kellner?
020 Dozent: Der
Ober? Genau.
021 Holländer:
Der Ober nicht gleich zu ihnen kommt, und sitzen sie hallo, hallo,
hallo: ((winkt mit der Hand)) den ganzen Tag (.) <<laut
lachend>> sie sind ((Unterbrechung))
022 Dozent: Was
war das erste Adjektiv? Das war auch interessant, Sie haben gesagt,
in Deutschland heißt das?
023 Holländer:
Oh! ( ) ((sagt ein Adjektiv auf Niederländisch))
024 Dozent:
Okay. Das bedeutet?
025 Holländer:
Dass sie nicht sehr lange warten können. [ung (.) ung (.)]
026 Georgierin
I: [Ungeduldig]
027 Dozent:
Okay, ungeduldig.
028 Holländer:
Ja, sie sind (.) sie sind (.)
029 Dozent:
Ich-zentriert, haben Sie gesagt, genau, wir möchten im Mittelpunkt
stehen, oder?
030 Holländer:
Ja.
031 Georgierin
II: Dann hast du Georgien nicht gesehen. ((Alle lachen laut))
032 Holländer:
Deshalb sind (.) in Niederlanden sind (.) sagen wir, das sie ein
bisschen unhöflich sind.
033 Studierende
3: Ja, nicht alle sind höflich, nicht alle sind multikulturell, ich
meine, das sind sowieso Stereotype, oder?
Dieses Beispiel macht
deutlich, dass die Definition des Anderen immer im Verhältnis
zu sich selbst folgt und umgekehrt:
Fest steht, dass ein Selbstverständnis nicht möglich wäre, wenn es nicht den „Anderen“, „Fremden“ gäbe, mit dem ich mich vergleichen könnte. Umgekehrt ist auch mein Verständnis des Fremden in erster Linie davon abhängig, wie ich mich selbst in dieser Beziehung sehe. (Bolten 2007: 52)
In der dritten Phase
wurden insgesamt fünf Arbeitsgruppen nach Themenschwerpunkten
gebildet. Diese entsprachen den im Unterricht am häufigsten
genannten Stereotypen und stellten sich dar wie folgt:
- Deutsche sind unromantisch;
- Deutsches Essen ist schlecht;
- Deutsche sind ordnungsliebend;
- Der Bierkonsum ist in Deutschland hoch;
- Deutschland glaubt, es sei der Chef der EU;
- Deutsche streben nach Nachhaltigkeit;
- Deutsche sind titelverliebt;
- Deutsche legen großen Wert auf Höflichkeitsformen wie beispielsweise das Siezen;
- Deutsche leben in Fachwerkhäusern;
- Deutsche sind in ihrer Ausdrucksweise sehr direkt.
Jede Gruppe nahm sich
bestimmter Themenschwerpunkte an, wobei die Aufgabe darin
bestand, Informationen zu den Themen aus glaubwürdigen Quellen
zusammenzustellen und sie durch eine kleine Befragung zu ergänzen,
die die Teilnehmer beispielsweise auf der Straße, auf dem Campus
oder an einem beliebigen Ort in Saarbrücken durchführen sollten.
Auf dieser Basis sollte eine kleine statistische Untersuchung
durchgeführt und abschließend als Ergebnis präsentiert werden.
In
der vierten Phase wurden die Ergebnisse dargestellt. Die Studierenden
wurden dazu aufgefordert, in der Präsentation ihre eigenen
Einstellungen zu analysieren und zwischen den bestätigten und nicht
bestätigten Stereotypen zu differenzieren.
Dabei
standen weder die Widerspiegelung der Realität, noch die Ersetzung
negativer Stereotypen durch positive Eindrücke und Erfahrungen
im Mittelpunkt des Interesses. Vielmehr erlaubten es sowohl das
didaktische Material als auch die gewählte Methode den Teilnehmern,
sich mit dem Thema Stereotype
auseinanderzusetzen. Von größter Bedeutung war dabei, die
Teilnehmer dazu angeregt zu haben, ihr Selbstbild zu überdenken
und ihre eigene Einstellung gegenüber der Zielkultur und der
Zielsprache zu überprüfen, um letztlich zu verstehen, welche
Funktionen Stereotype, Klischees und Vorurteile in der Gesellschaft
haben.
3.2.2 Semesterbegleitende Deutschkurse
Semesterbegleitende
Deutschkurse werden an der Universität des Saarlandes für
ausländische Studierende aller Fakultäten angeboten. Während der
Hospitationen im Unterricht ließ sich beobachten, dass auch
ohne das Unterrichtsthema Stereotype
entsprechende Einstellungen zum Tragen kamen. Auffallend war, dass
Studierende oft dazu neigten, verschiedene Sachverhalte aus eigener
Sicht zu betrachten und aus eigener Perspektive zu urteilen.
Exemplarisch
sei dafür das im Unterricht behandelte Thema des Siezens und Duzens
in Deutschland genannt. Eine Studentin äußerte dabei ihre
Beobachtung, in Deutschland ständig von allen Menschen geduzt
zu werden. Sie drückte ihr Erstaunen darüber aus, warum von ihr
erwartet wurde, ihre Mitmenschen zu siezen. Im weiteren Verlauf
des Gespräches stellte sich heraus, dass es dabei um einige wenige
Fälle ging, in denen die Teilnehmerin von einem Hausmeister geduzt
worden war. Die Beurteilung und Generalisierung folgten
entsprechend anhand konkreter Erfahrungen.
3.2.3 Studienvorbereitende Deutschkurse
Das
Studienkolleg der Universität des Saarlandes bietet
Vorbereitungskurse an, die zur Deutschprüfung
für den Hochschulzugang (DSH)
führen. Im Rahmen der Konzeption dieser Vorbereitungskurse werden
die Unterrichtseinheiten sowohl durch landeskundliche Themen als auch
durch Projekte ergänzt.
Das
Projekt Stadtrally Saarbrücken
stellte eine kommunikative Stadterkundung dar und umfasste neben
kommunikativen Aufgaben und Sprachspielen auch Sport- und
Aktionsaufgaben im Stadtzentrum der Landeshauptstadt.
In
der ersten Phase des Projekts waren die Teilnehmer gehalten,
verschiedene Wissensfragen und Rätsel zu lösen. So sollten sie
verschiedene kommunikative Aufgaben erfüllen, wie z. B.
Passanten um Rat zu fragen, auf Menschen zuzugehen und mit ihnen
zu reden sowie innerhalb und außerhalb des Teams zu kommunizieren.
In
der zweiten Phase erfolgten die Auswertung der Ergebnisse und die
Selbstreflexion der Teilnehmer.
Das folgende Beispiel aus
den Aussagen der Teilnehmer verdeutlicht, wie sich die Einstellung
gegenüber dem Zielland und die Zielkultur positiv ändern kann:
Dozent: Hat
sich Ihr Gefühl zu Saarbrücken nach der Stadtrally geändert?
Student: Ich
möchte dazu etwas sagen: Ich habe meine Meinung über Deutsche
wirklich geändert. Als ich nach Deutschland zum ersten Mal angekommn
bin, dachte ich, dass Leute genauso sind wie in meinem Heimatland.
Die Leute waren anders, ich hatte das Gefühl, dass sie ein bisschen
kalt waren. Aber das bedeutet nicht, dass sie nicht gesellig
sind, man sollte sie einfach verstehen lernen, sie ansprechen, sich
mit ihnen unterhalten. Deutsche mögen gerne sprechen, andere
Kulturen kennen lernen und sie respektieren alle Menschen aus
verschiedenen Kulturenkreisen. Man soll also dieses Eis einfach ...
abbauen.
Dozent:
Brechen.
Student: Oder
brechen, ja.
Dozent:
Brechen, brechen. Ja, man soll das Eis brechen, so nennt man das.
Mit seiner Aussage
reflektiert der Student seine Einstellung dahingehend, dass sich
seine vorherigen Ansichten gegenüber Deutschland und den Deutschen
geändert haben. Im Deutschunterricht erhält er die Gelegenheit, die
Ausgangs- und Zielkulturen miteinander zu vergleichen, indem er
gegenüber seinen ersten Einstellungen eine kritische Position
einnimmt. Es scheint auch, dass der Student besonderen Wert legt
auf Kommunikation und Kontakte mit Angehörigen des Kulturraumes,
wobei er die Andersartigkeit als solche annimmt.
Bemerkenswert
ist die Aufgeschlossenheit der Teilnehmer, die Offenheit gegenüber
allen Gesprächsthemen zeigten und sowohl über ihre positiven als
auch über ihre negativen Einstellungen berichteten.
Die
gewählten Methoden und Materialien erlaubten es den Studierenden,
sich mit Unterschieden konstruktiv auseinanderzusetzen: Sie lernten
eine fremde Sprach- und Kulturwelt kennen, respektierten Unterschiede
und suchten nach den Gemeinsamkeiten.
3.3 Interviews mit georgischen Studierenden an deutschen Universitäten
Durch
offene, wenig strukturierte, qualitativ ausgerichtete Interviews
wurden 15 georgische Studierende an deutschen Universitäten
(Universität des Saarlandes, Hochschule für Technik und
Wirtschaft des Saarlandes) befragt.
Das Interview wurde nach
den folgenden Schwerpunkten gesteuert:
- Erwartungen georgischer Studierender vor dem ersten Aufenthalt in Deutschland
- Bestätigung bzw. Nicht-Bestätigung ihrer Erwartungen
- Bemerkenswerte Erfahrungen, Ereignisse
- Schwierigkeiten während des Auslandsaufenthaltes
- Erkennbarkeit spezifischer Stereotype oder Images von den Deutschen bzw. von Deutschland bei georgischen Studierenden
- Einbeziehung des Selbstbildes der Studierenden
Aufgegriffen wurden auch
Themen, die von den Befragten selbst kamen. Es ließ sich beobachten,
dass georgische Studierende zahlreiche Aspekte der deutschen Kultur
von „sehr positiv“ bis eher „neutral“ beurteilten. Es gab
auch negative Sichtweisen des Ziellandes, die eher aus konkreten
Erfahrungen als aus vorgefertigten Stereotypen resultierten.
Die
Interviews vermitteln einen ersten Einblick in die
Auslandserfahrungen georgischer Studierender und decken stereotype
Einstellungen und Vorurteile auf. Es besteht allerdings Bedarf an
weitergehenden Auswertungen der Interviews, bevor die Ergebnisse
für detaillierte Schlussfolgerungen genutzt werden können.
4 Didaktisch-methodische Unterschiede zwischen dem DaF-Unterricht in Deutschland und in Georgien
Georgien
zeichnet sich durch ethnische Vielfalt aus. Es gibt mehrere ethnische
Gruppen, die seit Jahrhunderten nebeneinander existieren. Nach
Angaben des statistischen Bundesamtes (Stand: 28.04.2014) sind 86,8 %
der Einwohner Georgier, 6,3 %
sind Aserbaidschaner,
4,5 % Armenier,
0,7 % Russen
und 0,4 % Osseten.
Das restliche Prozent bilden weitere Volksgruppen, wie z. B.
Jeziden, Ukrainer, Kisten, Griechen oder Assyrer.
Trotz
der ethnischen Vielfalt Georgiens kommt es nicht selten
vor, dass die Gruppen in DaF-Kursen recht
homogen sind: An universitären DaF-Kursen nehmen oft keine
internationalen Studierenden teil. Dies liegt nicht zuletzt daran,
dass in Georgien das Englische die erste Fremdsprache ist.
Im
Unterschied zu Georgien werden DaF-Kurse in Deutschland von
internationalen Studierenden belegt. Die Lernsituation ist
folglich interkulturell. Die Studierenden sind darüber hinaus
auch außerhalb des Deutschunterrichts täglich mit der deutschen
Sprache und Kultur konfrontiert. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten
für sie, das Land mit seinen Einwohnern vielfach zu erkunden, mit
Angehörigen der Zielkultur zu kommunizieren und Kontakte zu knüpfen.
Wie die in Abschnitt 3.2 genannten Beispiele zeigen, können
Studierende dabei Erfahrungen im Alltag sammeln und ihre
Vorstellungen und Vorurteile prüfen, sie entweder ändern oder
abbauen.
Ein
zentraler Aspekt des interkulturellen Lernprozesses ist die
Lehrerausbildung. Die Lehrperson in Deutschland ist sowohl mit
landeskundlichen als auch mit interkulturellen Themen vertraut. Sie
zeigt Neutralität gegenüber Meinungsäußerungen, besonders
wenn es um die Aufdeckung stereotyper Vorstellungen gegenüber
Deutschen und Deutschland geht. In jeder Angelegenheit bewahrt sie
Distanz zum Sachverhalt. Die Studierenden haben in dieser Situation
die Möglichkeit, sich mit verschiedenen Sichtweisen
auseinanderzusetzen und über unterschiedliche Wahrnehmungen zu
diskutieren. Dabei stellt die Lehrperson Lösungsvorschläge
sachlich und distanziert dar. Zudem werden mit modernen und
vielfältigen didaktischen Materialien und Lehrmethoden die
Selbstreflexion und das analytische Denken der Studierenden
gefördert.
Im
Vergleich dazu ist interkulturelles Lernen in Georgien meist wenig
praxisbezogen. Ebenso besteht Bedarf, Lehrkräfte entsprechend
interkulturell zu schulen. Das Lehrpersonal verfügt meist nur
über wenig Auslandserfahrung und ist daher kaum mit landeskundlichen
Themen vertraut. In dieser mangelnden interkulturellen Schulung
liegt im Umkehrschluss eine Quelle von Stereotypisierungen im
DaF-Unterricht.
5 Schlussfolgerungen
Zusammenfassend
lässt sich feststellen, dass die Umsetzung interkulturellen Lernens
im Fremdsprachenunterricht kulturell bedingt ist und dass für die
georgische Realität bestimmte methodisch-didaktische Vorgehensweisen
irrelevant sein können.
Wie hier anhand von
Beispielen aus dem Unterrichtsgeschehen an der Universität des
Saarlandes dargestellt wurde, existiert im universitären
DaF-Unterricht eine große Auswahl an Methoden zur Vermittlung
interkultureller Kompetenzen. Im Unterschied zu klassischen
sprachorientierten Kompetenzbereichen – dem Lese- und
Hörverstehen, dem Sprechen und dem Schreiben – lassen sich
persönlichkeitsbezogene Kompetenzen kaum überprüfen. Es ist
unmöglich
zu überprüfen, ob und in welchem Umfang die Lernenden tatsächlich am Ende eines bestimmten Zeitabschnittes über die angezielten Kompetenzen verfügen. (Ende 2013: 28)
Einige Aussagen aus den
zitierten Unterrichtsbeispielen machen jedoch offensichtlich,
dass auch die Ausbildung der persönlichkeitsbezogenen Kompetenzen,
wie z. B. die Einstellung der Studierenden, nachvollziehbar
werden können, wobei die Studierenden ihre eigenen
Einstellungen vor und nach den Unterrichtsreihen analysierten, die
Änderungen feststellten und sich die Funktion der Fremdbilder
und Stereotypen bewusstmachten.
Im
Gegensatz zum DaF-Unterricht in Deutschland verfügt die Lehrperson
in Georgien häufig nicht über hinreichende interkulturelle
Kompetenzen. Ein interkulturell ausgerichteter Unterricht beschränkt
sich meist auf die Vermittlung deklarativen Wissens (z. B.
Faktenwissen und Landeskunde). Es besteht jedoch ein Mangel an
Lernsituationen, in denen die Lernenden die kulturelle Dimension
kommunikativer Handlungen in der Fremdsprache erfahren können (Ende
2013: 30). Bemerkenswert ist an dieser Stelle, dass die
georgischen Studentinnen dazu neigten, das Zielland und die
Zielkultur betreffende, unbekannte Sachverhalte aus ihrer
eigenen Sichtweise heraus und aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen zu
analysieren und zu beurteilen.
Im
Falle Deutschlands haben die angeführten Beispiele gezeigt, dass die
Lehrperson das Unterrichtsgeschehen lediglich moderiert. Sie
distanziert sich von Aussagen, die ihr Land und ihre Kultur betreffen
und oft auch sehr negativ sind. Im Falle Georgiens sind die
Lehrperson und die Studierenden jedoch gleicher Herkunft, was
bedeutet, dass beide Seiten über gemeinsame, kulturspezifische
Wahrnehmungsmuster verfügen, was jedoch eine subjektive Einstellung
zum Thema nicht ausschließt.
Abgesehen
davon, dass zwischen den Ausgangs- und Zielkulturen Georgiens und
Deutschlands eine große Entfernung besteht, was ihrerseits die
Schaffung möglichst authentischer, kulturell geprägter
Lernsituationen im universitären DaF-Unterricht erschwert, sollte
für Georgien eine an die lokalen Kontexte angepasste Methodik
und Didaktik entwickelt werden.
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1 Hierbei handelt es sich nicht um eine
linguistische Gesprächsanalyse und daher werden nur einige
Transkriptionszeichen aus GAT 2 verwendet.
2 Jede
Aussage ist nummeriert. Die Nummerierung beginnt mit der
Segmentnummer 001.
3 Die
Aussagen sind authentisch und enthalten Fehler.
4 Es
wurde ein Minimaltranskript nach GAT 2 verwendet. Erläuterungen:
(.)
Mikropause
(-)
eine Pause von 0.2-0.5 Sekunden
(--)
eine mittlere Pause von 0.5-0.8 Sek.
(
) unverständliche Passagen ohne weitere Angaben (geduldig) schwer
verständliche Stellen (also / alo) vermuteter Wortlaut
:
: : Ausdehnung, die Anzahl an Doppelpunkte variiert je nach Länge
[
] Überlappungen (untereinander geschrieben)
<<
>> interpretierende Kommentare z. B. Ich habe
<<weinend>> das gar nicht so gemeint
((
)) Weitere Kommentare.