Über uns-Seiten als argumentative Sub-Textsorte zur Konstruktion von Vertrauen
Abdel-Hafiez Massud (Frankfurt / Main)
Abstract
(English)
The
present article discusses the text type About Us which is
considered to be an essential part of the macro-genre website
in computer-based communication. Based on a corpus of the About
us-texts of German Private Schools, the paper investigates four
main questions regarding this text type: is the About us text
a new distinctive genre? In how far could such
texts be regarded as “argumentative”? How are “trust” and
“confidence” in private schools being constructed in these texts?
What are those discourse markers that contribute to the construction
of trust
employed in these German texts? The paper presents the framework
of trust,
as proposed by Mayer et al. that comprises the three
components ability, integrity and benevolence
and extends this model to encompass the building of rapport
with the addressee. The paper analyses the linguistic, visual and
structural realization of the texts in the light of these four
categories of the trust framework.
Keywords:
About us, genre, trust, reasoning, visualization, discourse
Abstract
(Deutsch)
Der
vorliegende Artikel hebt ab auf solche Texte, die unter der
Überschrift „Über-uns“ als Teil ausgewählter Websites
realisiert werden. Als Beispiele dienen hier Websites von
Privatschulen, wobei vier Fragen nachgegangen wird: Welcher Textsorte
sind diese Texte linguistisch zuzuordnen? Warum müssen diese Texte
als argumentativ angesehen werden? Wie werden die Vorstellungen von
Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit in
diesen Texten konstruiert? Welche linguistischen Markierungen der
Vorstellung von Vertrauen kommen dabei zur Geltung? Dabei wird
das Vertrauens-Modell von Mayer et al. dahingehend erweitert, dass
die Faktoren der Vertrauenswürdigkeit nicht nur Fähigkeit,
Integrität und Wohlwollen sind, sondern durch die
Komponente der Etablierung einer guten Beziehung zum Adressaten
ergänzt werden müssen. Die argumentative Struktur des Textes und
die linguistischen und visuellen Ressourcen zur Konstruktion von
Vertrauen werden im Lichte dieser Kategorien interpretiert.
Stichwörter:
Über uns, Textsorte, Vertrauen, Argumentation, Visualisierung,
Diskurs
1 Einleitung
Einige
relativ neue, als eigenständige Textsorte in Frage kommende Texte,
die im Zuge der computervermittelten Kommunikation entstanden sind,
sind die Über uns-Seiten.
Diese avancierten in den vergangenen Jahren zum regelmäßigen
Bestandteil von Internetauftritten von Unternehmen und
Organisationen. Jedoch hat diese potentielle Textsorte bislang –
vor allem in Bezug auf ihren soziolinguistischen und
selbstdarstellenden Wert –
weder in der deutschsprachigen Linguistik noch in der
Sprachdidaktik ausreichend Aufmerksamkeit gefunden. Dabei hat sich
die Bezeichnung dieser Textsorte als Über uns-Text
in der deutschen Sprachgemeinschaft und vor allem in der
deutschsprachigen Unternehmenskommunikation weitgehend etabliert.
Beschränkt man sich auf die dreißig Über uns-Texte
der deutschen Privatschulen, welche das Korpus des vorliegenden
Beitrags bilden, so wird die Bezeichnung Über uns
– analog zum englischen About us
– am häufigsten gewählt. Daneben stehen konkurrierende
Bezeichnungen wie Willkommen
oder schlicht Startseite.
Zuweilen finden auch die Kurzformen Über
–
bzw. im Englischen About
–
Anwendung. Der Inhalt bleibt jedoch derselbe: Es handelt sich um die
Selbstpräsentation eines Unternehmens, einer Organisation oder einer
öffentlichen Einrichtung, wie z. B. Schulen oder Universitäten.
Der Sprecher verfolgt mit ihr diskursive Ziele, die über eine
ausschließlich informative Selbstdarstellung hinausgehen. In diesem
Zusammenhang ist festzuhalten, dass die konventionelle Etablierung
der Bezeichnung einer Textsorte1
bereits zum ersten Merkmal ihrer Textsortenspezifik in einer
Sprachgemeinschaft gehört (Stolze 2003: 280). Auch seitens der
Webdesigner liegen zur Produktion dieser typischen Textstruktur
einschlägige Ratschläge (Groß 2015) vor, die von einer
Branche zur anderen nur eine unwesentliche Variierung erfahren.
In
der englischsprachigen linguistischen Forschung werden unter den
Über uns-Seiten ebenfalls Texte
verstanden, mit denen sich juristische Subjekte (Dominick 1999;
Mohammed 2004; Casañ-Pitarch
2014) im Internet an
die breite Öffentlichkeit wenden, um über sich, die eigene
Philosophie, die eigenen Prinzipien bzw. über eigene
Dienstleistungen zu informieren und auf diese Weise für
Vertrauen zu werben.
Der vorliegende Beitrag
widmet sich vor allem der
potentiell neuen Textsorte Über uns,
die als ein
regulärer, etablierter Teil der Websites von Privatschulen avanciert
ist und hier als solcher untersucht wird. Er
befasst sich mit den folgenden Fragen:
- Welcher Textsorte sind die Über uns-Texte linguistisch zuzuordnen?
- Warum müssen diese Texte als argumentativ angesehen werden?
- Wie werden die Vorstellungen von Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit in diesen Texten konstruiert?
- Mit Hilfe welcher linguistischen Markierungen erfolgt diese Konstruktion?
Die Argumentation zur
Konstruktion von Vertrauen wird in dieser Studie als das
Wesensmerkmal der Über uns-Texte
identifiziert. Dazu gehören auch argumentativ ausgerichtete
Konventionen von Textsorten. Diese Konventionen manifestieren
sich, wie im Folgenden zu erklären ist, vor allem in der
Textstruktur.
2 Über uns-Texte als Sub-Textsorte
Bereits
Fandrych & Thurmair (2011) haben auf den diskursiven Stellenwert
dieser Texte zur Selbstdarstellung im Internet hingewiesen. Zu
ihnen lassen sich diesen Autoren zufolge Subtextsorten wie
Lebenslauf, Portrait
oder auch Biographie
zählen. Jedoch werten Fandrych & Thurmair die Über
uns-Texte nicht spezifisch als eine
Neuausprägung der computervermittelten Kommunikation bzw. der
Online-Unternehmenskommunikation. Dennoch lassen sich einige ihrer
Ausführungen für den Gegenstand des vorliegenden Beitrags durchaus
berücksichtigen. Insbesondere ist der Hinweis dieser Autoren von
Bedeutung, dass die genannten Vorstellungstexte eine werbend
diskursive Funktion (Fandrych & Thurmair 2011: 45f) haben, was
auf die Über uns-Texte
auf den Websites der Privatschulen zutrifft. Eine ähnliche Position
bezieht Lüger (2013: 31f) bezüglich der „Porträt-Texte“,
welche er als eine selbstständige Textsorte definiert, die vor allem
„personalisierend“ und „meinungsbetont“ sei und deren
Bezeichnung sich in der Sprachgemeinschaft etabliert habe. Wie noch
unten in Kapitel 3 darzulegen ist, ist der Fall der Privatschulen in
Deutschland von besonderer Relevanz für diese Studie, da
Privatschulen nicht nur miteinander, sondern auch mit öffentlichen
Schulen konkurrieren und sich um das Vertrauen der Eltern bemühen
müssen, um auf dem Bildungsmarkt überhaupt Fuß zu fassen. Die
Über uns-Texte
ihrer Websites dienen daher vorrangig zur Etablierung von
Vertrauen und sind diskursiv ausgerichtet.
Casañ-Pitarch führt in
einem englischsprachigen Beitrag über die Untersuchung von
Internetauftritten von Banken erstmals die Über uns-Texte
als eine selbstständige Textsorte ein:
[…] no model or author has yet presented the “About Us” page as a genre. […] Its structure making it possible for me to claim a generic structure for it. I will represent and account for this type of webpage as a specific genre – what [sic!] has not [sic!] claimed before. (Casañ-Pitarch 2015: 83)
Casañ-Pitarch
wendet bei der Identifizierung dieser Texte als einer
selbstständigen Textsorte die Methode der Diskursanalyse an,
wie sie in der englischsprachigen Linguistik von Swales (1990)
und Bhatia (1993) praktiziert wurde. Diese Methode teilt den
gegebenen Text in Diskurs-Einheiten ein und nennt jede Einheit Move,
wobei jeder Move
als eine übergeordnete Einheit sogenannte Steps
als
untergeordnete Einheiten benötigt, um vollzogen und konstituiert
zu werden. Die am häufigsten vorkommenden Diskurseinheiten bzw.
Moves
in einer Sammlung von Texten gelten dann als spezifisch und
konstituierend für eine neue Textsorte bzw. ein neues Genre2.
Ein
Nachteil dieser Methode liegt in der Vernachlässigung der
Textfunktion. Diese legt grundsätzlich die Struktur
und den Textverlauf entscheidend fest und nicht umgekehrt.
So sind die informativen Funktionen einer Gebrauchsanweisung
etwa andere als die einer Werbeanzeige mit einer Appellfunktion, was
dann die sprachliche Struktur der jeweiligen Textsorte maßgeblich
prägt. Es ist daher ratsam, den Text zunächst als eine spezifische
kommunikative Einheit anzusehen, dem eine passende spezifische
Struktur untergeordnet ist.
Ein
weiterer Nachteil hängt mit der Unschärfe und der Verschwommenheit
der beiden Begriffe Move
und Step zusammen. Der
Unterschied zwischen den beiden Begriffen ist selbst in der zitierten
einschlägigen Literatur von Swales und Bhatia nicht klar. Ebenso
bleibt die Antwort auf die Frage aus, warum ein „Move“, der aus
einem einzigen „Step“ besteht, nicht gleich „Step“ genannt
werden kann. Diese Fragen wurden auch von Casañ-Pitarch weder
entschieden noch thematisiert. Im Grunde geht es bei dieser
Strukturkonzeption um die Hauptgedanken eines gegebenen Textes
sowie die jeweils dazugehörigen Subgedanken. Bei der inhaltlichen
Analyse der 64 Über uns-Texte
der Websites von Banken gelangt Casañ-Pitarch (2015: 85) zu den
folgenden Moves, die
er für diese Textform als textsorten-typisch und
textsorten-konstituierend sieht: Bankenprofil,
unternehmensrechtliche Informationen, Kontaktinformationen,
Finanzinformationen und aktuelle Nachrichten.
Im
vorliegenden Beitrag werden wir zwar die beiden Begriffe Move
und Step
verwenden, jedoch –
anders als frühere Autoren –
diese Struktureinheiten komplementär mit der Textfunktion in
Verbindung bringen, da die Textstruktur gleichsam den Spiegel der
Textfunktion darstellt. Unter Move
verstehen wir hier einen Hauptgedanken, während der Step
als die Entfaltung dieses Hauptgedankens in Subgedanken
definiert wird. Einen Move,
der zugleich aus einem einzigen Hauptgedanken besteht, verstehen wir
als selbständigen Move
ohne weitere Entfaltung. Gerade die Teilung der Texte der
Über uns-Seiten
von Privatschulen in Moves
und Steps
bietet den Vorteil, diese Moves
im Sinne von Hauptgedanken in eine diskursive Verbindung mit den
durch Umfragen generierten Erwartungen der Eltern zu bringen.
Auch die Explizierung der gegebenen Steps
zeigt, wie ausführlich auf die Erwartungen der Eltern und des
Marktes insgesamt eingegangen wird, was in Kapitel 3 ausführlich
dargelegt wird. Das Konzept der Moves
und Steps –
erweitert um die
Textfunktion –
erweist sich somit für die Analyse diskursiver Texte, in denen in
der Regel Argumente akkumuliert werden, als hilfreich.
Über uns-Texte
sind in der Regel an ein juristisches, sprechendes Subjekt gebunden,
das sich auf diese Art und Weise präsentiert und für die eigene
Sache wirbt. Diese Texte haben somit typische Akteure, typische
Produzenten und typische Textfunktionen; dennoch kann diese Textform
nicht selbstständig realisiert werden und ist stets auf den höheren
Kontext einer Website angewiesen. Eine Unternehmensseite, die
nur als Über
uns-Seite
realisiert ist, ist weder denkbar noch üblich.3
Zieht man also die Selbstständigkeit von Textsorten als ein
generisches Klassifizierungskriterium heran,4
würde sie diesem Kriterium sicher nicht genügen. Zudem ist
diese Seite mit dem Rest einer Website inhaltlich, thematisch und via
Links verbunden. Auch Rocco (2013: 17f) sieht in der Website eines
Unternehmens eine Art „Großtextsorte“, die aus verschiedenen
Subtexten besteht.
Über
uns-Texte
können daher u.E. allenfalls als eine Mikrotextsorte bzw. als die
Sub-Textsorte einer Makro-Textsorte Website
gelten und nicht unbedingt als eine selbstständige Textsorte, wie
Casañ-Pitarch argumentiert, der die Frage der Abhängigkeit dieser
Texte von der Website nicht thematisiert. Die Über uns-Texte
ähneln weitgehend einem Zeitungsartikel, wobei
der Artikel als eine Subtextsorte (Stahlheber
1992: 167) klassifiziert werden kann, bei der der Zusammenhang
zwischen der Über uns-Seite
und dem Rest der Website inhaltlich und linguistisch enger ist
als derjenige zwischen einem Zeitungsartikel und der Zeitung, in der
dieser veröffentlicht ist. Die
Über uns-Seite
ist zudem anderen Seiten einer Website ebenbürtig und ist in
der Regel weder über- noch untergeordnet5.
Bei einer Sub-Textsorte ist das Prototyp-Konzept ebenfalls von
Bedeutung. So gelangte Suen (2009) bei der Analyse der
Hotel-Websites, was die Über uns-Seite
mit einschließt, zu einer hotelbranchenspezifischen Struktur
(introducing
the menu of the websites, establishing contact, establishing
credentials, introducing accommodation),
wobei die Reihenfolge dieser Moves
die statistische Repräsentation jedes Moves
in der Analyse des betreffenden Korpus widerspiegelt. Dies
stellt eine andere Struktur dar als beispielsweise jene der Über
uns-Texte
bei Banken.
Allen
Realisierungen der Über
uns-Texte
ist gemeinsam, dass sie eine Website zwingend ergänzen und mit
dieser verbunden sind. Sie haben die Funktion, den Akteur gegenüber
dem Zielpublikum positiv darzustellen, negative Impressionen
über ihn antizipativ abzuwehren und ihn in erster Linie zum
Weiterlesen zu motivieren bzw. dazu,
sich mit Hilfe der anderen Texte der jeweiligen Website genauer über
seine Produkte /
Dienstleistungen zu informieren. Über
uns-Texte
sind daher „informativ“6,
argumentativ und zugleich appellativ. Es
handelt sich hier um pragmatische
Funktionen, die zugleich in anderen Textsorten wie derjenigen
des Kommentars oder des Essays realisiert werden können. Daher kann
nicht behauptet werden, dass der Über uns-Text
eine exklusive pragmatische Funktion erfülle. Diese Varietät
der Realisierungsstruktur von einer Branche zur anderen, der
Mangel an einer exklusiven pragmatischen Funktion sowie die
organische Gebundenheit an eine höhere Textsorte erschweren es,
uneingeschränkt von einer prototypischen selbstständigen
Textsorte zu sprechen.
3 Korpus und Textstruktur
Das
Korpus der vorliegenden Studie setzt sich zusammen aus dreißig Über
uns-Seiten, die auf deutschsprachigen
offiziellen Websites von Privatschulen in Deutschland zu finden sind.
Diese Websites gelten als eine wichtige Informationsquelle im
Massenmedium Internet
(Suter 2013: 110) und sind – im Gegensatz zum gedruckten
Werbematerial – permanent erreichbar. Die Entscheidung für das
verwendete Korpus beruht auf mehreren Kriterien. Privatschulen sind
eine andere Branche als Unternehmen wie Banken oder Hotels und bieten
auf diese Weise neue Einblicke in die Realisierung und Strukturierung
der Sub-Textsorte Über
uns als Teil
ihrer Webauftritte. Zudem sind Privatschulen in Deutschland, wie ihre
Bezeichnung besagt, keine kostenfreien öffentlichen Schulen, die
sich über Steuergelder finanzieren, sondern vielmehr
kostenpflichtig. Sie agieren allerdings –
wie ihre öffentlichen Konkurrenten –
auf der Basis desselben staatlichen Lehrplans. Auch wenn in
Deutschland jedes achte Kind eine Privatschule besucht (Killus 2014:
89) und die Internetauftritte dieser Schulen am Massenmedium
Internet
teilhaben und somit eine publikumsrelevante Verbreitung aufweisen,
befinden sich Privatschulen permanent in der Situation, in der sie
sich nicht nur präsentieren, sondern auch für sich werben und die
Interessenten von ihrem distinktiven Mehrwert und ihren
Alleinstellungsmerkmalen überzeugen müssen. Dies hat einen
unmittelbaren Einfluss auf die Gestaltung der Sub-Textsorte Über
uns auf
den Websites dieser Schulen. Da Privatschulen mit dem sensiblen
Handwerk der Bildung und der Vorbereitung junger Menschen auf ihre
Zukunft befasst sind, haben sie eine heikle Mission und müssen
zuerst Vertrauen schaffen, damit Eltern ihnen ihre Kinder
anvertrauen. Dies erhöht den diskursiven Druck auf die
Privatschulen. Sie befinden
sich in Konkurrenz zu öffentlichen Schulen sowie zu anderen,
konkurrierenden Privatschulen und sind
zudem mit der potentiellen Skepsis anspruchsvoller Eltern
konfrontiert.
Folgt
man der Text-Strukturanalyse nach Swales (1990), so ergibt sich nach
der Analyse des vorliegenden Korpus folgende argumentationsrelevante
typische Move-Struktur
der Über uns-Seiten
deutscher Privatschulen mit der entsprechenden Statistik der
Repräsentation im Korpus:
Move
Häufigkeit
Textbeispiel
Selbstvorstellung
100 %Die Freie Schule Anne-Sophie Berlin bietet als bilinguale Schule einen durchgängigen Bildungsweg von der Primarstufe über das Gymnasium bis zum Abitur an.(http://www.freie-schule-anne-sophie.de/fsas-berlin/schulkonzept/lernen-fuers-leben/; 01.09.2015)Das soziale Lernumfeld
100 %Unsere Lernpartner (Schüler) lernen in einer multikulturellen Gemeinschaft, die es ermöglicht, früh internationale Perspektiven anzunehmen und internationale Bildungsstandards zu erreichen.(http://www.freie-schule-anne-sophie.de/fsas-berlin/schulkonzept/lernen-fuers-leben/; 01.09.2015)Bilder
100 %(http://www.freie-schule-anne-sophie.de/fsas-berlin/schulkonzept/lernen-fuers-leben/; 01.09.2015)
Staatliche Anerkennung
80 %
Als staatlich genehmigte Ersatzschule bietet die Freie Schule Anne-Sophie Berlin die Möglichkeit, den Mittleren Schulabschluss (MSA) sowie das Abitur zu absolvieren. Alle Abschlüsse an der Freien Schule Anne-Sophie Berlin sind deutschlandweit anerkannt und bei einem Schulwechsel übertragbar.(http://www.freie-schule-anne-sophie.de/fsas-berlin/schulkonzept/lernen-fuers-leben/; 01.09.2015)Mehrwert-Versprechen
80 %
Der ganztägige Unterricht findet zweisprachig auf Deutsch und Englisch statt. [...] Die persönliche Begleitung im Coaching ist ein wesentliches Element unserer Lernkultur [...]. Die Kinder werden an der Freien Schule Anne-Sophie Berlin individuell gecoacht, sodass ihr Lernen individuell angepasst werden kann. […](http://www.freie-schule-anne-sophie.de/fsas-berlin/schulkonzept/lernen-fuers-leben/; 01.09.2015)Einladung zur Kontaktaufnahme
70 %(http://www.freie-schule-anne-sophie.de/fsas-berlin/schulkonzept/lernen-fuers-leben/; 01.09.2015)Historischer Werdegang
70 %Wie alles begann:2003 gründete Bernd Dietrich auf einstimmigen Wunsch des damaligen Gemeinderates die beiden Schulen in Holzkirchen. […] Heute sind wir mit allen Fachräumen gut ausgestattet und bieten für die Schülerinnen und Schüler in familiärer Umgebung hervorragende Arbeits- und Lernbedingungen.(http://www.ganztagsschule.de/indexL1.jsp?did=10727; 02.09.2015)Bessere Chancen im beruflichen Leben
60 %Das Galileo Gymnasium bereitet seine Schülerinnen und Schüler auf eine erfüllte und erfolgreiche Gestaltung ihrer Zukunft in Studium und Beruf vor.(http://www.galileogymnasium.de/profil/ anwendungsbezug/; 02.09.2015)Qualitätssicherung
60 %Deswegen haben wir 2006 ein Qualitätsmanagement nach der ISO DIN EN 9001:2008 eingerichtet, welches regelmäßig zertifiziert wird.Wir freuen uns auf ein persönliches Kennenlernen!(http://www.ueberreiter.de/10-das-macht-uns-aus; 02.09.2015)Lehrer-Profile
50 %Die Lehrkräfte nehmen das Mittagessen gemeinsam mit den Schülern ein, sind vor dem Unterricht und in den Nachmittagsstunden Ansprechpartner. Bei den Hausaufgaben betreuen sie die Kinder kompetent, geduldig und verständnisvoll.(http://gymnasium-panketal.de/uber-uns/schulportrat/; 02.09.2015)Unternehmens- und Schulphilosophie (Mission)
50 %Unser Gymnasium wird auch von Jugendlichen litauischer Abstammung aus Übersee besucht, die hier für ein Jahr Litauisch und Deutsch lernen wollen. Wir verbinden damit das Ziel, Begegnungen und Kontakte über die Kontinente hinweg zu ermöglichen und die Schüler im Geiste von Toleranz und Weltoffenheit zu erziehen.(http://www.gimnazija.de/?q=de/node/26; 02.09.2015)
Tab. 1: Struktur der Textform Über
uns der Privatschulen
Die Struktureinheiten,
die in jedem Text realisiert werden und somit zu 100% präsent sind,
haben als konstituierend zu gelten. Sie sind informativ ausgerichtet
und zugleich im Unterton argumentativ-appellativ. Die weiteren
Einheiten, deren Präsenz zwischen 50 % und 80 %
liegt, sind reins argumentativ und gehen antizipativ auf die
Erwartungen der Empfänger ein. Weitere Struktureinheiten,
welche unter der Marke von 50 % liegen, haben als peripher zu
gelten. Dazu zählen vor allem Angaben zur geographischen Lage einer
Schule oder die Begrüßung des Lesers oder eine Abschweifung, etwa
zur Beschreibung der Sehenswürdigkeiten am Standort der jeweiligen
Schule. In Beispiel 1 wird ein Einblick in die typische Struktur
solcher Texte vermittelt, da die meisten genannten informativen,
visuellen und argumentativen Struktureinheiten darin enthalten
sind (vgl. Tab. 1).
Beispiel:
- Die Freie Schule Anne-Sophie Berlin bietet als bilinguale Schule einen durchgängigen Bildungsweg von der Primarstufe über das Gymnasium bis zum Abitur an. Der ganztägige Unterricht findet zweisprachig auf Deutsch und Englisch statt. Unsere Lernpartner (Schüler) lernen in einer multikulturellen Gemeinschaft, die es ermöglicht, früh internationale Perspektiven anzunehmen und internationale Bildungsstandards zu erreichen. Als staatlich genehmigte Ersatzschule bietet die Freie Schule Anne-Sophie Berlin die Möglichkeit, den Mittleren Schulabschluss (MSA) sowie das Abitur zu absolvieren.8
Lernen
fürs Leben!
Alle
Abschlüsse an der Freien Schule Anne-Sophie Berlin sind
deutschlandweit anerkannt und bei einem Schulwechsel
übertragbar. […]
Die
persönliche Begleitung im Coaching ist ein wesentliches Element
unserer Lernkultur [...]. Die Kinder werden an der Freien Schule
Anne-Sophie Berlin individuell gecoacht, sodass ihr Lernen
individuell angepasst werden kann. […] › mehr
(http://www.freie-schule-anne-sophie.de/fsas-berlin/schulkonzept/lernen-fuers-leben/;
01.09.2015)
Interessant
an diesem Beispiel, das eine deutsch-englische Berliner Privatschule
für die Schulausbildung vom ersten Jahrgang bis zum Abitur
repräsentiert, ist –
wie in Tabelle 1 gezeigt –
die Tatsache, dass es die wesentlichen argumentationswirksamen
Moves der
Über uns-Texte
der Privatschulen enthält. Diese sind die Selbstvorstellung,
das soziale Lernumfeld, die visuelle Ansprache durch Bilder, der
Aspekt der staatlichen Anerkennung sowie das
Mehrwert-Versprechen. Wesentlich sind diese
Moves deswegen, weil sie zu den am häufigsten realisierten Moves
zählen und weil sie antizipativ auf die am häufigsten genannten
Erwartungen der Eltern (Killus 2014: 89) eingehen und somit eine
zweckgebundene Perspektivenübernahme seitens der Privatschulen
zeigen. Das Bild mit den drei Schülern, die in entspannter
Lernatmosphäre und einer offensichtlich multikulturellen Umgebung
sitzen, ist nicht nur schulbezogen, sondern auch als Denkanstoß
für den Adressaten gedacht, um die Glaubwürdigkeit des
Gesagten zu steigern. Die Verlinkung zu weiteren Informationen auf
der Website, mit der der Über uns-Text
hier endet, ist typisch für 70 % aller Texte im Korpus dieser
Studie und erfüllt die Funktion, den Adressaten umfassend
informieren zu wollen, um letztendlich eine Entscheidung für die
Schule zu erwirken.
Die typische Struktur
dieser Texte, wie sie die Ergebnisse der inhaltlichen Analyse
des Korpus in Tab. 1 vor Augen führen, ist vor allem das Ergebnis
der bewussten Adressatenorientierung in der Argumentation
(Graefin 2002: 60, Sandig 2006: 513) bzw. der Berücksichtigung des
implied reader
(Montgomery et al. 2007:
183f). Das entspricht der Konzeption der Sprechakttheorie, dass
Menschen durch Sprache handeln und dies im sozialen Kontext tun
(Austin 1962, Fairclough 1992),
d.h. in Interaktion
mit anderen Individuen. Petter-Zimmer
(1990: 195) weist darauf hin, dass gerade der Erfolg in der
Argumentation von dem Umfang abhängt,
in dem der Sprecher auf den Adressaten kognitiv – also in Art und
Umfang des geteilten Wissens – und affektiv – z. B. in Bezug
auf die Ängste, Präferenzen und Sorgen des Adressaten – eingeht.
Nichts anderes meinte Aristoteles mit seiner Konzeption von logos,
pathos und ethos
(Sobota 1994: 157f): Logos
betrifft die Sachargumente und verfügt über die Wahrscheinlichkeit,
den Adressaten zu überzeugen; pathos
trägt der affektiven Seite des Adressaten Rechnung, während
ethos als Ausdruck der
moralischen Integrität des Sprechers den Erwartungen des Adressaten
entsprechen soll. Zum
Aspekt
der Adressatenorientierung schreibt Reinmuth
(2006: 260):
Wenn eine wahrgenommene Ähnlichkeit zwischen Kommunikator und Rezipient besteht, dann fällt der persuasive Prozess offensichtlich leichter; wenn wir uns von jemandem überzeugen lassen, dann am ehesten von einem Kommunikator, der unsere Werthaltung teilt, unsere Prioritäten und Wissensstände kennt und der unsere Sprache spricht. (Reinmuth 2006: 260)
Vergleicht man diese
analytisch ermittelte typische Struktur der Über
uns-Texte der Privatschulen mit den
Erwartungen der Eltern an diese Schulen, so bietet sich ein Bild der
weitgehenden Konformität; damit sind die ersten Voraussetzungen
für eine gelungene Argumentation gegeben. Zu den wichtigsten
Erwartungen der Eltern an Privatschulen zählen Schulforschern
zufolge (Weiß 2011: 39, Killus 2014: 89f) bessere Chancen für ihre
Kinder im späteren Berufsleben, das Lernen in einem besseren
sozialen Umfeld, bessere Qualifikationen der Lehrkräfte sowie
eine individuelle Betreuung der Lernenden. Konzentriert man sich nur
auf den logos nach
Aristoteles, also auf die Sachargumente, so entfalten die
Über uns-Texte
ihre Themen primär argumentativ nach Brinker (2005: 79-87). Denn die
Privatschulen laden Eltern hier mit unterschiedlichen
adressatenadäquaten Argumenten zur Akzeptanz der These ein,
dass sie –
die Privatschulen –
die bessere Alternative für Kinder seien. Graefin (2002: 57ff) zählt
zu den Eigenschaften der argumentativen Texsorte nicht nur das
Belegen von Thesen durch rationale Argumente, sondern auch die
textuelle und sprachliche Qualität des Argumentierens (Graefin
2002: 54f). Damit bezieht sie sich auf die linguistischen Ressourcen,
die in der Argumentation wirksam sein sollen, wie beispielsweise
kausale oder adversative Konnektoren, was sich auch in den
analysierten Über uns-Texten
feststellen lässt (Abschnitt 6).
4 Die Konstruktion des Vertrauens - eine methodische Erschließung
Eine Durchsicht des
verwendeten Korpus zeigt, dass die Vokabel Vertrauen
und deren Variationen – wie z. B. Zutrauen
– explizit in 20 % aller Texte vorkommen, was zeigt, dass
die Kategorie Vertrauen
für die Kommunikationssituation von besonderem Belang ist. So finden
sich Erwähnungen wie die folgende.
Beispiele:
(2) Unsere
Pädagogik beruht auf Vertrauen und
Zutrauen. (http://gymnasium-panketal.de/uber-uns/schulportrat/;
20.09.2015)
(3)
Wenn in unserer Schule mit bedingt durch eine lange familiäre
Trägerschaft feste Beziehungen zwischen Menschen erwachsen sind,
dann wird dabei offensichtlich, dass wir den Einzelnen, der uns
anvertraut ist, besonders ernst nehmen und persönlich schätzen.
(http://www.ernst-kalkuhl-internat.de/ueber_uns.html;
20.09.2015)
- Wir verfolgen eine Unternehmensphilosophie, in der die langfristige Zufriedenheit unsere Kunden oberste Priorität genießt. Denn Bildung ist Vertrauenssache.
(http://www.bit-gendorf.de/ueber-uns/team;
20.09.2015)
Wo Vertrauen nicht
explizit thematisiert wird, wird es in der Sprache dieser Texte
indirekt konstruiert. Das zeigen die Beispiele in Kap. 6, wo
innerhalb dieser Über uns-Texte
über die einseitig positiven Wertungsmuster, die günstige
Selektion von bestimmten auf Erwartungen der Adressaten
zugeschnittenen Gedanken und die historische Genese einer
vermeintlich oder tatsächlich erfolgreichen Privatschule indirekt um
das Vertrauen der Kunden geworben wird.
Die
ausdrückliche Thematisierung des Vertrauens zeigt jedoch, dass es
nicht oder nur partiell vorhanden ist, wie Markovà et al. (2008: 19)
bestätigen:
…when trust becomes explicitly verbalized and thematized, it normally means that, once again, it is no longer taken for granted and that it may have been partly or totally destroyed. Equally, when trust is negotiated, argued about, or brought in rhetorically, we can hardly claim that it exists among interacting individuals or institutions. (Markovà et. al. 2008:19)
Es geht um den bewussten
Akt, jemandem Vertrauen (Reinmuth 2006: 62f) zu schenken, der sich
als vertrauenswürdig bzw. glaubwürdig präsentiert (Reinmuth
2006: 63ff). Diese Rolle der Selbstpräsentation nehmen in den
untersuchten Texten Privatschulen aus Deutschland gegenüber
Eltern ein. Mit der Etablierung der Vertrauenswürdigkeit soll der
Adressat ermutigt werden, das Risiko einzugehen und das Angebot des
Sprechers zu akzeptieren, wie auch immer dies geartet sei. Im
Einklang mit dieser Sicht steht auch die folgende Definition von
Vertrauen:
Vertrauen drückt sich aus in der Bereitschaft eines Vertrauensgebers, sich auf einen Vertrauensnehmer in einer bestimmten Situation zu verlassen, obwohl das Eintreten negativer Konsequenzen möglich ist. Der Bereitschaft zugrunde liegen die vertrauensvollen Meinungen und Einstellungen des Vertrauensgebers zum Vertrauensnehmer, der eigenen Person sowie zum System, in dem die Interaktion stattfindet. (Einwiller 2003: 80)
Damit hebt Einwiller die
Dimension des Risikos bei der Vertrauensgewährung hervor. Ähnlich
spricht Mayer von der Bereitschaft des Vertrauensgebers, verletzbar
zu werden, da sich der Vertrauensnehmer der Kontrolle des
Vertrauensgebers entzieht und die mit dem Vertrauen gehegten
Erwartungen womöglich auch nicht in Erfüllung gehen können:
Trust is the willingness of a party to be vulnerable to the actions of another party based on the expectation that the other will perform a particular action important to the trustor, irrespective of the ability to monitor or control that other party (Mayer et al. 1995: 712)
Ähnlich äußern sich
auch Rousseau et al.: Vertrauen
bzw. trust
is a psychological state comprising the intention to accept vulnerability based upon positive expectations of the intentions or behavior of another. (Rousseau et al. 1998: 395)
Somit lässt sich die
Konstruktion von Vertrauen in den Über uns-Texten
als Versuch des Sprechers erklären, die Adressaten von der Akzeptanz
des Risikos zu überzeugen, das Angebot des ihm bislang
unbekannten Sprechers zu akzeptieren und zu glauben, dass er bzw.
sein Kind durch dieses Angebot gedeihen werde. Der Begriff
willingness in der
obigen Definition von Mayer et al. weist darauf hin, dass bei
Menschen im Allgemeinen eine gewisse erste Grundneigung besteht,
jemandem ein gewisses intuitives Vertrauen zu schenken. Diese
Bereitschaft zum Vertrauen bleibt u. E. jedoch diffus. Sie kann
weder gemessen noch intersubjektiv verifiziert werden und ist auch
nicht ungefährdet. Gerade die Umwerbung des Vertrauens der
Kunden in Bezug auf das Angebot des jeweiligen Sprechers gehört
daher zur ständigen Komponente der Konsumgesellschaft (Gillespie
2008: 140).
Es
ist unbestritten, dass ein solches Vertrauen bzw. eine solche
Vertrauenswürdigkeit in der Kommunikation vor allem mit den
Mitteln der Sprache erfolgt, auch wenn die Texte hier ausnahmslos
eine bildliche und damit visuelle Komponente aufweisen.
Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit entstehen entsprechend stets
im Diskurs und befinden sich im Kontinuum. Sie können jederzeit
größer oder kleiner werden und bedürfen daher der ständigen
Bemühung.
Mit
Blick auf die Beschreibung der Kategorie des Vertrauens beruht die
oben zitierte Definition von Mayer et al. auf einem von den Autoren
entwickelten Modell für Vertrauensbildung in Organisationen,
wonach sich Vertrauen aus zwei Quellen ableitet: Zum einen aus der
Grundneigung von Menschen, Grundvertrauen zu den Interaktanten
ohne spezifische Vorabinformationen zu haben, und zum anderen aus den
Eigenschaften des jeweiligen Interaktanten, die ihn als besonders
vertrauenswürdig erscheinen lassen. Diese Eigenschaften beruhen nach
Mayer et al. auf folgenden drei Komponenten: der Fähigkeit
(ability), der Integrität (integrity) und dem Wohlwollen
(benevolence), welche Mayer et al. aus 23 theoretischen und
empirischen Studien über das Vertrauen herauskristallisiert haben.
Die zuvor genannte intuitive Quelle des Vertrauens ist subjektiver
Art und wird uns in diesem Beitrag nicht weiter interessieren. Der
Beitrag konzentriert sich auf die drei oben genannten Eigenschaften
der Vertrauenswürdigkeit und wie diese Eigenschaften sprachlich
konstruiert werden, um letztendlich die Vertrauenswürdigkeit als
Basis für das erwünschte Handeln des Adressaten zu erreichen.
Dieses Verständnis von Vertrauen ist in Abb. 1 dargestellt.
Abb. 1: Vertrauensmodell von Mayer et al. 19959
Wie
dieses Modell zeigt, ist Vertrauen ein Ergebnis des
selbständigen und veranlassten Handelns des Vertrauensnehmers, das
sich zum einen aus der Grundneigung, Vertrauen zu schenken, und zum
anderen aus der bewussten Wahrnehmung eines Risikos zusammensetzt,
welche wiederum durch die Faktoren Fähigkeit, Wohlwollen und
Integrität des Vertrauensnehmers generiert wird. Wie in
Abb. 1 erläutert, kommt der Beziehungsaspekt in dem Modell von
Mayer et al. zu kurz, mit dessen Hilfe Adressaten für die Rezeption
dieser drei
Faktoren der
Vertrauenswürdigkeit überhaupt zugänglich gemacht werden.
Vielmehr unterscheidet das Modell Mayers et al. nicht zwischen
möglichen unterschiedlichen Wissenskapazitäten der Vertrauensgeber,
die der Selbstdarstellung des Vertrauensnehmers mangels
Fachwissen womöglich hilflos ausgesetzt sind. So hat nicht
jeder Vertrauensgeber ein eingehendes medizinisches Wissen, um die
Fähigkeiten eines Arztes sicher zu beurteilen und ihm aufgrund
dessen zu vertrauen. Insofern bleibt in diesem Modell eine Grauzone
unberücksichtigt, die das wahrgenommene Risiko vergrößert.
Für den Bereich Privatschulen wird hier von uns hingegen
angenommen, dass Eltern und Erziehungsberechtigte wohl in der
Lage sein werden, die Kompetenzen und das Angebot von Privatschulen
zu vergleichen und recht sicher zu beurteilen.
Uns
interessiert hier, wie die Entsprechung der Erwartungen auf der Seite
des Vertrauensgebers durch die Faktoren Fähigkeit,
Wohlwollen und Integrität sprachlich
umgesetzt wird. Insofern bietet das Modell Mayers et al. –
bei entsprechender Modifizierung (Abb. 2) –
nützliche Anhaltspunkte, um die sprachliche Konstruktion von
Vertrauenswürdigkeit zu erfassen.
Die
Fähigkeit als Faktor
der Glaubwürdigkeit betrifft die Qualifikationen und Kompetenzen des
Vertrauenswürdigen (Mayer et al. 1995: 717f) auf
einem bestimmten Fachgebiet, um die Erwartungen auf diesem
Gebiet zu erfüllen, was in unserem Fall die Schulbildung ist. Die
Fähigkeit würde im Kontext dieser Studie die Art und Weise
bedeuten, wie sich Privatschulen gegenüber staatlichen Schulen
als die besseren Anbieter von Schulbildung darstellen. Dies ist das
Herzstück der Argumentation gegenüber den Eltern. Dieser Aspekt des
Vertrauens lässt sich daher der Domäne logos
bei Aristoteles zuordnen.
In dem folgenden Beispiel
wird die Konstruktion von Vertrauen durch die Darstellung der eigenen
Fähigkeiten und Kompetenzen aufgezeigt. Dort stellt sich eine
Chemie-Privatschule durch ihren Werdegang, ihren modernen Status und
durch ihre einschlägige Spezialisierung als kompetent in Sachen
Bildung und damit als vertrauenswürdig dar.
Beispiel:
- Die Chemieschule Dr. Erwin Elhardt, Münchens älteste Privatschule mit über 125 Jahren Erfahrung in naturwissenschaftlicher Ausbildung hat sich zu einem modernen Berufsbildungszentrum für Chemie, Biologie und Umwelt entwickelt. (http://www.chemieschule-bayern.de/Ueber_die_Schule.html; 01.09.2015)
Das Wohlwollen
ist eine Eigenschaft des Vertrauensgebers (Mayer et al. 1995: 718f),
welche opportunistisches Verhalten ausschließt und das Verhalten
jenseits des reinen Profits und der Eigeninteressen
auf das Wohl des Adressaten ausrichtet. Im Falle der
Privatschulen können nützliche Angebote, die über die Pflichten
von Schulen hinausgehen, als Ausdruck von Wohlwollen aufgefasst
werden, auch wenn solche zusätzlichen Angebote in Verbindung mit der
Konkurrenzsituation auf dem Markt gesehen werden müssen.
Dieses
Wohlwollen mag das folgende Beispiel verdeutlichen, in dem die Schule
jenseits des Profitkalküls und der eigentlichen Verpflichtungen eine
freiwillige Brückenklasse E11 einrichtet, was an sich keine
Bringschuld einer Privatschule darstellt.
Beispiel:
- Wir alle müssen in immer kürzerer Zeit immer mehr leisten. Diese Entwicklung sehen wir mit Sorge. Wenigstens in seiner Jugend sollte jeder sein eigenes Tempo, seinen eigenen Rhythmus finden und leben können! Wir geben unseren Schülern deshalb die Zeit, die sie brauchen. Mit unserer freiwilligen Brückenklasse E11 als Vorbereitung auf die Q11 bieten wir auch die Möglichkeit, das Abitur in 9 Jahren zu erwerben.
(http://www.ueberreiter.de/10-das-macht-uns-aus;
01.09.2015)
Es versteht sich von
selbst, dass keine Schule in der eigenen Selbstpräsentation
schreiben wird, sie sei als betriebswirtschaftlich geführtes
Unternehmen auf Profit ausgerichtet;
dennoch stellt die Suggerierung von
Wohlwollen eine klare Bemühung um das Vertrauen potentieller Kunden
der Schule dar, da Vertrauen erst kommuniziert und diskursiv
erarbeitet werden muss und nicht erzwungen werden kann. Wer sich
selbst präsentiert, kann nicht im vollen Umfang die Eindrücke der
anderen von ihm kontrollieren. Eine der Quellen dieser Eindrücke
sind die Schlussfolgerungen des Zielpublikums aus der Präsentation
selbst. Es erscheint daher sinnvoll, Aspekte des eigenen Wohlwollens
zu thematisieren, denn auch autonome Schlussfolgerungen brauchen eine
Vorlage.
Der dritte Aspekt der
Vertrauenswürdigkeit des Sprechers ist die Integrität
(Mayer et al. 1995: 719f). Diese betrifft die Selbstverpflichtung des
Sprechers zu bestimmten Handlungsprinzipien sowie die entsprechende
Beurteilung der Person durch Dritte oder Informationen über die
Handlungskonstanz in der Vergangenheit (z. B. die
Geschichte einer Firma, einer Privatschule). Es besteht somit u. E.
ein gewisses Maß an Affinität mit dem Aspekt des Wohlwollens, da
dieser letzte Aspekt, nämlich für Partner Gutes tun zu wollen,
selbst als ein Handlungsprinzip verstanden werden soll. Dieser Aspekt
der Vertrauenswürdigkeit lässt sich der Domäne ethos
bei Aristoteles zuordnen.
Ein Beispiel aus dem
Korpus für die Konstruktion von Vertrauenswürdigkeit über den
Faktor der Integrität ist der folgende Textausschnitt.
Beispiel:
- Seit 60 Jahren kümmern wir uns erfolgreich um unsere Schülerinnen und Schüler. Wir erziehen sie zu weltoffenen Menschen auf dem Fundament eines humanistischen Menschenbildes. Dieses ist geprägt von den Werten der Toleranz, Mitmenschlichkeit und Freiheit ebenso wie der Rücksichtnahme auf andere, des gegenseitigen Respekts sowie der sozialen und politischen Verantwortung in unserer Gesellschaft, in Europa und der Welt.
(http://www.ueberreiter.de/10-das-macht-uns-aus;
01.09.2015)
Hier werden gleichsam
Werte aufgezählt, denen sich die betreffende Schule verpflichtet
zeigt und die als Rahmenbedingungen des dortigen Lernens gelten. In
einer multikulturellen Gesellschaft wie im heutigen Deutschland
werden solche Prinzipien und die Verpflichtung zu solchen Werten
gern gesehen, da sie ein friedliches, harmonisches Zusammenleben
ermöglichen. Die Thematisierung solcher Werte im Diskurs der
Selbstdarstellung dürfte daher zur Vertrauenswürdigkeit der
betreffenden Schule beitragen.
Bei der Durchsicht
unseres Korpus vor dem Hintergrund dieses Modells ergab sich die
Notwendigkeit, die Faktoren der Vertrauenswürdigkeit um einen
vierten Faktor zu erweitern, der zugleich wie eine Rahmenbedingung
für die Konstruktion von Vertrauenswürdigkeit wirkt, nämlich
die Etablierung einer guten Beziehung
zum Adressaten. Diese gute Beziehung zielt auf die Person des
Adressaten insgesamt und nicht nur auf die Präsentation bestimmter
Argumente oder auf die Antizipation bestimmter Konterargumente.
Mayer et. al. berücksichtigen in ihrem Modell die Auswirkungen
der zwischenmenschlichen Beziehungen erst dann, wenn der
Kommunikationsprozess zur Vertrauensbildung bereits
vorangeschritten ist, und nicht –
wie wir dies hier vorschlagen –
als Voraussetzung für das Zustandekommen dieses
Kommunikationsprozesses. Die Autoren schreiben in diesem Sinne: „the
development of the relationship is likely to alter the relative
importance of the factors of trustworthiness“ (Mayer et al. 1995:
722), was selbstverständlich ist. Damit wird die veränderte
Beziehung zu einer der Folgen dieser drei Faktoren. Das modifizierte
Modell der diskursiv konstruierten Vertrauenswürdigkeit, das wir für
die Zwecke dieser Studie vorschlagen, sieht wie in Abb. 2 aus:
Abb. 2: Konstruktion der Vertrauenswürdigkeit des Sprechers
Beispiel (8) gewährt
einen Einblick in die Bemühungen des Vertrauensnehmers – hier der
Privatschulen –, diese gute Beziehung mit den Vertrauensgebern –
hier den Eltern oder den Schülern selbst – zu etablieren, um
diskursiv auf die Konstruktion der eigenen Vertrauenswürdigkeit
eingehen zu können. So beginnt
der Über-uns-Text
mit folgendem Vorspann, bevor überhaupt auf die Kompetenzen,
das Wohlwollen oder die Integrität eingegangen wird.
Beispiel:
- Liebe Schülerinnen und Schüler, herzlich willkommen auf unserer Website! Du, Deine Ideen und Deine Ziele sind unser Thema. Dabei geht es um Deinen Schulabschluss: Innerhalb eines Jahres den Mittleren Schulabschluss (Realschulabschluss) oder in drei Jahren das Abitur nachholen.
(http://www.ppg-schulen.de/hermanneum/;
01.09.2015)
Die Etablierung einer
guten Beziehung zum Adressaten stellt somit ein erstes
Identifikationsangebot mit der jeweiligen Schule dar. Diese erhoffte
Identifikation erscheint unverzichtbar, um darauf die
Konstruktion der Vertrauenswürdigkeit aufzubauen. Diesen
Textteil könnte man mit Swales den „Beziehungs-Move“ zur
Etablierung eines guten Kontakts zum Adressaten nennen.
5 Textstruktur und Faktoren der Vertrauenswürdigkeit
Ordnet
man nun die oben analytisch ermittelte Move-Struktur
des Korpus den Faktoren der Vertrauenswürdigkeit zu, so bekommt man
–
wie in Tabelle 2 gezeigt –
einen näheren Einblick in die argumentative Konstruktion der
Vertrauenswürdigkeit.
Dabei
nimmt die Darstellung der eigenen Vorteile und Kompetenzen einer
Schule eine zentrale Rolle bei der Argumentation von Privatschulen
zur Bildung von Vertrauen bei potentiellen Kunden ein und umfasst
entsprechend auch fünf Moves,
welche die Erwartungen an die Privatschulen kommunizieren und diesen
zu entsprechen versuchen. Diesen Moves
folgen die Darstellung der eigenen Integrität und die Aspekte
des Wohlwollens sowie die Etablierung von Nähe und Identifikation
mit dem Zielpublikum.
Die Darstellung der
eigenen Integrität und das Identifikationsangebot transportieren
somit das Selbstbild der Privatschulen. Mit ihrer Selbstdarstellung
verfolgen sie das Ziel, die Eindrücke anderer so zu
kontrollieren, dass sich daraus eine höhere Vertrauenswürdigkeit
ergibt:
Self-presentation
refers to the process by which individuals attempt to control the
impressions others have of them. A personal web page can be viewed as
a carefully constructed self-presentation. (Dominick 1999: 647)
- VertrauensfaktorMovesFähigkeitSelbstvorstellung (Tab. 1)Das soziale Lern-Umfeld (Tab. 1)Bessere Chancen im beruflichen Leben (Tab. 1)Lehrer-Profile (Tab. 1)Bilder (Tab. 1)IntegritätHistorischer Werdegang (Tab. 1)Staatliche Anerkennung (Tab. 1)Qualitätssicherung (Tab. 1)Unternehmens- und Schulphilosophie (Mission) (Tab. 1)WohlwollenMehrwert-Versprechen (Tab. 1)Aufbau einer BeziehungVorspann des Über uns-Textes zur Identifikation (Beispiel 8)Einladung zur Kontaktaufnahme, z. B.: „Nehmen Sie einfach Kontakt zu uns auf und wir prüfen gern, ob jetzt oder später noch ein Schulplatz verfügbar ist.“ (http://www.freie-schule-anne-sophie.de/fsas-berlin/schulkonzept/lernen-fuers-leben/; 01.09.2015)
Tab. 2: Zuordnung von
Vertrauensfaktoren und Moves
Die visuelle Präsentation
in den Über uns-Texten
betrifft gleich mehrere Faktoren der Vertrauenswürdigkeit und
zeigt einmal mehr, dass der multimodale Text (Göpferich 1995: 56f,
Kress van Leeuwen 1996: 20f, Schmid 2011: 76f, Diekmannshenke 2011:
161ff) nicht nur eine präzisere Textdefinition darstellt, sondern
heute der Normalfall ist, und dass der bildliche und der sprachliche
Teil eines Textes einander bedingen und miteinander verwoben sind, um
eine Botschaft adäquat zu überbringen. Der visuelle Teil der
Über uns-Texte
betrifft sowohl die Darstellung der eigenen Kompetenzen und
Möglichkeiten als auch die Darstellung der eigenen Identität und
Integrität. Die Bilder, die zu 100 % in den Texten
repräsentiert sind, fungieren –
wie die Analyseergebnisse zeigen –
nicht als dekoratives Beiwerk, sondern vielmehr als ein wesentlicher
Teil der Argumentation (Midalia 1999: 131).
Kress
& van Leeuven (2006: 45-174) klassifizieren Bilder (images)
semantisch in zwei große Gruppen mit Subkategorien: die
repräsentierende Gruppe, deren Bilder selbstbezogen sind, und die
interaktionale Gruppe, deren Bilder zwischen dem Repräsentierten und
dem Betrachter eine gewisse Dialogizität herstellen. Es versteht
sich, dass die Subjektivität bei der Interpretation von Bildern eine
große Rolle spielt. In der vorliegenden Studie orientieren wir uns
bei der funktionalen Klassifizierung der Bilder konkret an den
Faktoren der Vertrauenswürdigkeit und gehen dementsprechend von
Bildern aus, welche auf die Fähigkeiten,
die Integrität und
das Wohlwollen bezogen
sind.
Ein
Bild mit zwei Lehrkräften und nur drei Schülern wäre nach dieser
Klassifizierung hier auf die Fähigkeiten bezogen und regt
hauptsächlich zu der Schlussfolgerung an, dass die Privatschule
fähig ist, eine individuelle Betreuung für die jeweiligen Kinder
anzubieten, da auf jedes Kind etwa 66,6 % der Aufmerksamkeit
der Lehrkraft entfällt. Ein solches Bild zeigt aber auch, dass die
betreffende Privatschule bestimmten Idealen in ihrer Arbeit
verpflichtet ist. Damit erweckt diese Schule den Eindruck der
Integrität und zwar dahingehend, dass sie nicht zwecks
Profitmaximierung das Lehrpersonal reduziert, sondern eben auf das
Wohl der Kinder ausgerichtet ist.
So
soll der Scan des Behördenschreibens für die staatliche Anerkennung
der Schule als Teil des Über uns-Textes
der Website der Privatschule das zeigen, was andere über die
Privatschule sagen, was hauptsächlich von der Integrität der
Privatschule zeugt, aber auch von der Fähigkeit, anerkannte
Abschlüsse zu verleihen. Indem die Privatschule nicht auf die
Präzisierung des Begriffs Anerkennung
eingeht, lässt sie Raum für die zwei Bedeutungen des Begriffs zu:
Anerkennung im Sinne
des Schulrechts sowie Anerkennung im Sinne von „Würdigung und
Lob“. Bilder mit Schulkindern unterschiedlicher Herkunft, welche
die Prinzipien der Toleranz und der Werte des Zusammenlebens
reflektieren, stehen für ein humanistisches Ideal und sollen
die Integrität der Schule ebenfalls vermitteln.
Ein
Beispiel für die visuelle Darstellung des eigenen Wohlwollens ist
eine Abbildung auf der Website einer deutsch-litauischen Privatschule
mit Schulkindern aus offensichtlich verschiedenen Nationen und
zwölf hochgehaltenen Abbildungen der EU-Flaggensterne. In
dieser Abbildung stellt sich die Privatschule als Plattform für die
Verständigung von Menschen aus verschiedenen EU-Staaten dar und
nicht dahingehend, ein kostenkalkuliertes fächergebundenes
Lernangebot zu machen und Schulabschlüsse zu verleihen. Es ist klar,
dass es hier eine gewisse Überschneidung mit dem Faktor Integrität
gibt, da interkulturelle Verständigung grundsätzlich Toleranz
als Wert voraussetzt. Die zwölf Sterne der EU-Flagge sind, wie die
zwölf Monate des Jahres und die zwölf Stunden der Uhr, ein Ausdruck
der Vollkommenheit und der Vollständigkeit, die nun auf das
Selbstbild der Schule übertragen werden sollen.
Ordnet
man alle Bilder der Über uns-Texte
im Korpus der vorliegenden Studie einem der primären Faktoren der
Vertrauenswürdigkeit zu, so entfallen –
da hierarchisierte mehrfache Zuordnungen möglich sind –
fünfzehn (50 %) Bilder auf den Faktor der Fähigkeiten und der
Kompetenzen einer Privatschule, zehn (33,33 %) Bilder auf den
Faktor der Integrität und fünf Bilder (16,66 %) auf die
Demonstration des Wohlwollens. Damit bringt die Visualisierung der
Faktoren der Vertrauenswürdigkeit keine neuen Argumente zum
Ausdruck, sondern untermauert die Sachargumente rund um die
Fähigkeiten und Kompetenzen einer Privatschule sowie das eigene
Selbstbild.
Somit konzentriert sich
der Prozess der Konstruktion des Vertrauens auf zwei elementare
Aussagen:
- Privatschulen haben die Fähigkeit, die Kompetenzen und die Bereitschaft, ein besseres alternatives Schulangebot anzubieten, das Vertrauen verdient.
- Privatschulen verfügen über die moralische Integrität, ein solches Angebot zu erbringen, was partnerschaftliches Vertrauen einfordert.
6 Die linguistische Markierung der Vertrauenskonstruktion
Diskurse können durch
Texte konstruiert werden und manifestieren sich auch u.a. in Texten
(Fairclough 2003: 16ff). Auf der reinen Textebene bedienen sich die
Autoren der Über uns-Texte
auch bestimmter sprachlicher Strategien, um eine Beziehung bzw. eine
gewisse Nähe zum Zielpublikum zu etablieren sowie die Konstruktion
der Faktoren der Vertrauenswürdigkeit erfolgreich zu vollziehen.
Alle eingesetzten sprachlichen Strategien zielen darauf ab, Positives
zu fokussieren und möglichen Gegenargumenten entgegenzuwirken. Die
Fokussierung des Positiven –
sei es in Bezug auf Fähigkeiten, Integrität oder Wohlwollen –
nimmt daher eine nahezu raumfüllende Stellung ein, zumal es sich
hier um einen proaktiven initiativen Kommunikationsvorgang zur
Vertrauensbildung handelt.
Für
beide Ziele gibt es bekanntlich kein geschlossenes sprachliches
Repertoire, dem alle Sprecher einer Sprachgemeinschaft verpflichtet
wären10.
Um die jeweiligen sprachlichen Strategien im Einzelfall
herauszufinden, ist eine Analyse des jeweiligen sprachlichen
Materials unverzichtbar. Da sprachliche Strategien in dieser Studie
mehrere Funktionen haben können und potentiell mehrere Faktoren der
Vertrauenswürdigkeit gleichzeitig zu konstruieren helfen, werden wir
die ermittelten Strategien hier mit Blick auf ihre einschlägige
Funktionalität interpretieren.
Im
Folgenden gehen wir auf die Fokussierung von Positivem und die
Antizipierung von Gegenargumenten ein sowie auf die
linguistischen Ressourcen, die die Nähe zum Adressaten fördern.
6.1 Fokussierung auf Positives
Bei
der Fokussierung auf Positives bedienen sich die Autoren vor allem
expliziter und impliziter Wertungen sowie der Narration.
6.1.1 Explizite Wertungen
Explizite Wertungen im
Korpus erfolgen hauptsächlich über den Einsatz von Adjektiven und
adjektivischen Superlativen (Römer 1971: 105f), wobei Superlative
– wichtigste, älteste, traditionsreichste,
modernste, beste, meiste, vielfältigste –
mit einer Vorkommenshäufigkeit von 43 % in den dreißig Über
uns-Texten wohl als Übertreibung gelten
dürften. So besteht fast ein Viertel aller Wörter in Beispiel 9
aus Adjektiven, die zur explizit positiv wertenden Wahrnehmung der
Privatschule und damit vor allem zur positiven Darstellung ihrer
Fähigkeiten und Kapazitäten beitragen. Gerade diese expliziten
positiven Wertungen, die nicht selbstkritisch und nicht differenziert
ausfallen, könnten, je nach der kritischen Urteilskraft der
Adressaten, Skepsis nähren, statt für Vertrauenswürdigkeit zu
sorgen.
Beispiel:
- Liebe Eltern, liebe Schüler,
individuelle
Förderung in einer freundlichen,
familiären
Atmosphäre und mit einem abwechslungsreichen
Tagesablauf steht im Mittelpunkt aller Einrichtungen der
Münchner Schulstiftung.“
(http://www.obermenzinger.de/;
01.09.2015) (Hervorhebungen vom Autor)
Ebenso
wie die expliziten Adjektive tragen bestimmte Begriffe,
die eine hohe Qualität zum Ausdruck bringen sollen, zu dieser
positiven Wertung bei. Sie lassen die Privatschule als eine wertvolle
Alternative zu öffentlichen Schulen erscheinen, zumal die
Beschreibung im Präsens gehalten ist, um der Beschreibung die
Dimension des Faktischen zu verleihen. Mit Begriffen, die eine hohe
Qualität zum Ausdruck bringen sollen, sind in diesem Zusammenhang
Schlüsselwörter des aktuellen Bildungsdiskurses gemeint, mit
denen sich die ideale Schulbildung und Bildung überhaupt ausdrücken
lassen. Mit diesen Schlüsselwörtern11
sichert sich die jeweilige Privatschule ihren eigenen vorteilhaften
Platz in der Diskursgemeinschaft und kann sich positiv als Teilnehmer
und nicht als Gegenstand des Diskurses darstellen. Dazu gehören –
wie in Beispiel (10) –
positiv besetzte Schlüsselwörter wie lebenslanges
Lernen,
Weitsicht,
Weltoffenheit,
dynamisches
Denken,
Integration
und Wissensgesellschaft,
welche die Vertrauenswürdigkeit der jeweiligen Privatschule sowohl
hinsichtlich ihrer Fähigkeiten und Kompetenzen als auch
hinsichtlich ihrer Integrität fördern sollen.
Beispiel:
(10) Vor
fast 50 Jahren hat die ESO Education Group den Grundstein für
lebenslanges Lernen für alle Alters- und Bevölkerungsgruppen
gelegt. Mit Weitsicht, Weltoffenheit und dynamischem Denken
leisten wir Bildungs-, Sozial- und Integrationsarbeit für die
persönliche Entwicklung unserer Kunden und zur Entwicklung
Deutschlands und Europas hin zur Wissensgesellschaft.
(http://www.eso.de/eso/wir-ueber-uns/;
01.09.2015)
Eine weitere sprachliche
Strategie der direkten Wertung einer Privatschule ist die aufwertende
Bezeichnung der Privatschule selbst. So spricht man nicht einfach
von einer „Privaten Chemie-Schule“, sondern von der „Chemieschule
Dr. Erwin Elhardt“; nicht von einem „Privatgymnasium“, sondern
vom „Privatgymnasium Dr. Florian Überreiter“. Der
gesellschaftlich relevante Doktortitel soll sich positiv auf die
Wertung der betreffenden Schule auswirken und somit letztendlich
auch auf die Fähigkeiten und Kompetenzen –
mit dem Ziel, die Vertrauenswürdigkeit der Schule abzusichern
und zu steigern.
Um mit Kompetenzen und
Fähigkeiten zu beeindrucken, werden manche Fachwörter
verwendet, die nicht allen Eltern bekannt sein dürften. Mit solchen
Fachwörtern wollen Privatschulen offensichtlich mit einer
vermeintlich raren Expertise die Eindrücke von sich selbst in
eine positive Richtung lenken (Römer 1971: 115ff). Dieses Bestreben
wird in Beispiel (11) deutlich, in dem ausländische
Schulabschlüsse von den Autoren des Textes selbst ausdrücklich als
„böhmische Dörfer“ für die Rezipienten der Website vermutet
werden.
Beispiel:
(11) Am
Ende steht je nach individueller Leistung entweder der MSA, das
IGCSE, das Abitur oder das IB-Diploma. Das sind böhmische Dörfer
für Sie? Kein Problem, auf den jeweiligen Internetseiten unserer
Schulen finden Sie erläuternde Hinweise zu allen
Bildungsabschlüssen.
(http://www.private-kant-schule.de/index.php/de/home-pks.html;
01.09.2015)
Das ist auch aus
werbetechnischer Sicht geschickt gemacht: Weil kaum ein Adressat
dieser Website zugeben möchte, von diesen fremden
Bildungsabschlüssen noch nichts gehört zu haben, ist
anzunehmen, dass nahezu alle Rezipienten weiterlesen werden.
Genau dieser Effekt soll damit erreicht werden. Außerdem vermitteln
diese Abschlüsse den Eindruck des Exklusiven: Statt des normalen
Abiturs, das auch auf jeder staatlichen Schule abgelegt werden kann,
werden seltene Abschlüsse angeboten –
ein Alleinstellungsmerkmal der Schule, die auf diese Weise
mit ihren besonderen Vorteilen und Kapazitäten wirbt.
6.1.2 Implizite Wertungen
In impliziten Wertungen
wird auf die Verwendung von Attributen verzichtet, die eine hohe
Qualität zum Ausdruck bringen sollen. Diese Wertungen werden
stattdessen durch Feststellungen realisiert, von denen angenommen
wird, dass sie beim Rezipienten eine positive Wahrnehmung erfahren.
Hier wird die Strategie der Auswahl bestimmter Gedanken (Martin &
White 2005: 62) angewendet, die dieser positiven Wertung am
besten dienen sollen. Im folgenden Beispiel fehlen wertende Adjektive
und wertende Ausdrücke einer hohen Qualität, allerdings trägt
der Gedanke, Schüler ohne Zeit- und Leistungsdruck lernen zu lassen,
als dessen Träger sich die Privatschule hier darstellt, zu ihren
Fähigkeiten und Kompetenzen bei und damit letztendlich zu ihrer
Vertrauenswürdigkeit.
Beispiel:
- Wir alle müssen in immer kürzerer Zeit immer mehr leisten. Diese Entwicklung sehen wir mit Sorge. Wenigstens in seiner Jugend sollte jeder sein eigenes Tempo, seinen eigenen Rhythmus finden und leben können! Wir geben unseren Schülern deshalb die Zeit, die sie brauchen.
(http://www.ueberreiter.de/10-das-macht-uns-aus;
01.09.2015)
Mit dem inklusiven
Ausdruck Wir alle müssen
präsentiert sich die Privatschule als Teil einer
Schicksalsgemeinschaft und macht damit ein Angebot zur
Identifikation. Damit etabliert sie Nähe und eine gute
Beziehung zu den Adressaten, um sich in dieser Situation als
problemlösende Instanz für Kinder und deren Eltern zu präsentieren.
Die Konklusion Sie sollen uns jetzt Ihre
Kinder anvertrauen geht unweigerlich aus
dieser Argumentation hervor, die mit Hilfe des Textkohäsionsmittels
deshalb kausal
(Breindl et al. 2014: 892) ausgerichtet ist. Mit der Rangierpartikel
wenigstens (Engel
1996: 63) drückt der Sprecher seine eigene Einstellung aus –
als gleichsam wohlwollende Fürsorge für die Schulkinder in
einer mehr und mehr auf Leistung ausgerichteten Gesellschaft.
6.1.3 Narration als Argument
Die narrative Struktur
des Textes kann ebenfalls die Faktoren der Vertrauenswürdigkeit
zur Geltung bringen, wobei die Narration selbst zu einem Argument und
zur Evidenz avanciert. Die Narration kann auf zweierlei Wegen
erfolgen, entweder fiktiv oder realistisch, d.h. tatsächliche
Vorgänge werden nacherzählt. Die Evidenz der Narration liegt nach
Aristoteles (Matsen et. al. 1990: 142) darin begründet, dass sie ein
unmittelbar einleuchtendes Beispiel anbietet, von dem aus auf andere
ähnliche Begebenheiten geschlossen werden kann. Im Falle der
Privatschulen wird nicht von erfundenen Geschichten Gebrauch gemacht,
um Argumente und Evidenz für die eigene Argumentation in den
Über uns-Texten
zu liefern, sondern von Narrationen, die realistisch erscheinen und
daher Faktizität aufweisen. Nach Aristoteles hat diese Form der
Narration noch eine stärkere Beweiskraft als die erfundene, da das
Zielpublikum von der realistischen Narration leicht auf die
Konklusion schließen kann und die Evidenz akzeptiert. In diesem
Sinne heißt es bei Matsen et al. (1990: 143):
Thus, while the lessons conveyed by fables are easier to provide, those derived from facts are more useful for deliberative oratory, because for the most part what’s coming will be similar to what’s already happened. (Matsen et al. 1990: 143)
Privatschulen machen gern
von diesem realistisch orientierten narrativen Stil Gebrauch, um zu
zeigen, dass sie seit langer Zeit über Integrität verfügen und die
Fähigkeit besitzen, sich in der Zukunft ebenso positiv zu
entwickeln, wie sie dies in der Vergangenheit getan haben. Auf diese
Weise wird die Narration selbst gleichsam zum Argument für die
Vertrauenswürdigkeit der jeweiligen Privatschule. Der narrative
Stil besteht meist aus Hauptsätzen; die Ereignisse werden
chronologisch und im schlichten Präteritum wiedergeben, wie Beispiel
(13) zeigt.
Beispiel:
(13) 2003
gründete Bernd Dietrich auf einstimmigen Wunsch des damaligen
Gemeinderates die beiden Schulen in Holzkirchen. Mit je einer ersten
und einer fünften Klasse starteten die beiden jungen Schulen ihren
Ganztagsbetrieb im ehemaligen Kreiskrankenhaus. Damals wurde
dort noch gleichzeitig operiert, was den Schülerinnen und
Schülern die Arbeitswelt praktisch veranschaulichte. Das Gebäude
mit über 100jähriger Geschichte hatte wieder eine neue und
lebhafte Zukunft. 2005 wurde die chirurgische Gemeinschaftspraxis
Dr. Winter und Dr. Lang ins Atrium verlegt.
Schon
nach zwei Jahren wurde die Grundschule zweizügig geführt und
erhielt 2009 die staatliche Anerkennung. Das Gymnasium wurde 2012
staatlich anerkannt.
Im
Laufe von fünf Jahren wurde das Gebäude für den Schulbetrieb
umgebaut, eine Sporthalle neu errichtet, eine Mensa (unser
Bräustüberl) eingebaut, die naturwissenschaftlichen Räume
geschaffen, etc.
(http://www.ganztagsschule.de/indexL1.jsp?did=10727;
01.09.2015)
Unterstützt werden
solche narrativen Textteile durch ältere Fotos, um ein solches
realistisch-narratives Argument zu unterstützen. Aufgrund des
begrenzten Platzes wird hier darauf verzichtet, Beispiele für eine
solch narrative Visualisierung anzuführen.
Eine
der wichtigsten Stützen für die Glaubwürdigkeit des narrativen
Arguments ist selbstverständlich die einwandfreie Korrespondenz des
jeweiligen Inhalts mit der außersprachlichen Wirklichkeit und der
erfahrbaren Welt der Rezipienten (Fisher 1989: 88, Olmos 2015: 158f).
Eine Narration, die mit der Wirklichkeit oder dem Vorwissen des
Rezipienten kollidiert oder in sich selbst inkohärent ist, würde
sich für die Vertrauensbildung als kontraproduktiv erweisen.
6.2 Antizipation potentieller Gegenargumente
Die Über uns-Texte
sind schriftlich elaborierte Texte, die zwar dialogisch ausgerichtet
sind und einen starken Adressatenbezug haben, jedoch im
Selbstmonolog der jeweiligen Autoren entstanden sind. Bei
solchen Texten reicht es in der Regel nicht aus, sich auf eine
angemessene Art und Weise ins beste Licht zu rücken, sondern auch
das potentiell Negative zu antizipieren. Dies geschieht ähnlich
wie bei der Herstellung von verlorengegangenem Vertrauen, wobei es
dort und bei der Krisenkommunikation um die „Reparatur von
Vertrauensbrüchen“ (Fuoli & Paradis 2014: 59f) geht. Dies
bedeutet, dass Sprecher bei einer proaktiven und nicht reaktiven
Vertrauensbildung denkbare Gegenargumente und Widersprüche
aufgreifen, sie ausdrücklich thematisieren und dann entkräften,
damit die Darstellung der eigenen Vertrauenswürdigkeit im Sinne der
Kontrolle der Eindrücke anderer von sich selbst vollends gelingen
kann. In diesem Zusammenhang spricht Walton von einem proleptic
argument:
Proleptic argumentation refers to the anticipation and answering of an objection or opposed argument before one’s opponent has actually put it forward. (Walton 2012: 371)
Die Antizipation von
potentiellen Gegenargumenten hat die rhetorische Raffinesse,
dass die Beweislast dem Opponenten wieder zurückgegeben wird. In
Beispiel (14) begnügt sich die Privatschule nicht damit, dem
Zielpublikum die zusätzlichen Abschlüsse Qualifizierter
Hauptschulabschluss und Mittlerer
Schulabschluss anzubieten, sondern
richtet für diejenigen, die weitere Vorteile der Schule erfahren
möchten, den Fokus auf die permanente Entwicklung der Qualität.
Damit antizipiert die Privatschule das potentielle Gegenargument, sie
wäre nur ein Anbieter von Quantität, zumal sie auch die Möglichkeit
von Hauptschulabschlüssen anbietet, was bei Privatschulen nicht
so oft der Fall ist. Auf diese Weise kann sie sich als
Qualitätsschule präsentieren, was die Vertrauenswürdigkeit
sowohl hinsichtlich der Fähigkeit als auch hinsichtlich der
Integrität fördern dürfte. Sprachlich ist die Antizipation des
potentiellen Gegenarguments hier durch die zweiteilige Konjunktion
(Métrich et al. 1997: 16) aber auch
realisiert worden, die die Perspektive einer permanenten
Verbesserung der Schule als natürlich und diese Verbesserung als
Teil eines ganzen und einheitlichen Konzepts erscheinen lässt.
Damit vermittelt die betreffende Privatschule den Eindruck, dass die
Quantität der Abschlüsse und die Qualität der schulischen Bildung
Hand in Hand gehen.
Beispiele:
(14) Da
es uns am Herzen liegt, dass alle unsere Schülerinnen und Schüler
einen guten Schulabschluss erlangen, unterstützen wir sie auf Wunsch
engagiert auch beim Quali oder dem Mittleren Schulabschluss M10.
Aber
auch eine gute Schule kann immer noch besser werden! Deswegen haben
wir 2006 ein
Qualitätsmanagement nach der ISO DIN
EN9001:2008 eingerichtet, welches regelmäßig zertifiziert wird.
(http://www.ueberreiter.de/10-das-macht-uns-aus;
01.09.2015)
(15) Sie
ist eine nicht konfessionelle Schule, die Schüler jeder Herkunft und
Religionszugehörigkeit aufnimmt, akzeptiert, jedoch keine auffällig
zur Schau getragenen Zeichen einer religiösen Zugehörigkeit.
(http://www.moserschule.de/de/uber_uns.html:
01.09.2015)
Beispiel (15) ist ein
Auszug aus dem Über uns-Text
eines privaten bilingualen deutsch-französischen Gymnasiums, das das
Prinzip der Toleranz aller Schüler über alle Religionen und Ethnien
hinweg hochhält. Um dem möglichen Gegenargument vorzubeugen,
dass dieses Freiheitsethos der Schule zu exzessiven Verhaltensformen
führen könnte, die polarisierend wären, greift die Privatschule
hier das Argument der „Zur Schau-Stellung von Religiosität“ in
Schulräumen auf und entkräftet es durch die schlichte Negation.
Sprachlich wird dies durch die Formulierung jedoch
keine (Engel 1996: 743) markiert. Mit dem
Konnektor (Métrich et al. 1997: 536f) jedoch
in Verbindung mit keine
wird ein schroffer Gegensatz signalisiert, woraus hervorgehen
soll, dass Religionsfreiheit an der Schule keinerlei Extreme zulässt
und die Lernatmosphäre somit völlig intakt sei. Eine solche
Argumentation hat natürlich einen positiven Einfluss auf die
Wahrnehmung der Fähigkeiten und Kompetenzen sowie der
Integrität der Schule und steigert die Vertrauenswürdigkeit beim
Zielpublikum.
6.3 Zur linguistischen Markierung der Nähe zum Adressaten
Auch
die Konstruktion der vierten Komponente der Vertrauenswürdigkeit –
der Nähe und der guten Beziehung zum Adressaten –
wird sprachlich durch verschiedene Mittel konstruiert. So werden
die Adressaten entweder mit Sie
als Eltern (Beispiel 11) oder mit Du
als Schüler (Beispiel 8) angesprochen. Die Anrede wie auch
spezifische Sprechakte wie der Gruß am Ende des Über
uns-Textes wirken –
ähnlich wie die Einladung der Adressaten zur Kontaktaufnahme oder
das Stellen von Fragen an die Adressaten –
beziehungs- und vertrauensförderlich. Auf die argumentative
Integration des Adressaten ist bereits oben mehrfach hingewiesen
worden.
7 Zusammenfassung und Ausblick
Vertrauen kann nur
geschenkt werden, wo Vertrauenswürdigkeit feststellbar ist. Um diese
Vertrauenswürdigkeit zu etablieren, sind Privatschulen nicht nur auf
gleichsam physische Argumente wie moderne Klassen oder bessere
Lehrerkompetenzen angewiesen, sondern vor allem auf die
Kommunikation dieser Vertrauenswürdigkeit, die zwingend mit Hilfe
der Sprache – mitunter durch passende Visualisierung
unterstützt – erfolgt.
Im
vorliegenden Beitrag wird von einem Modell des Vertrauens nach Mayer
et al. (1995) ausgegangen, wonach Fähigkeiten
und Kompetenzen, Integrität
und Wohlwollen die
wichtigsten Vertrauenswürdigkeitsfaktoren sind. Dieses Modell wurde
hier um die wichtige Komponente der Etablierung von Nähe und um die
gute Beziehung zum Adressaten erweitert.
Zunächst
erfolgte eine textsortenlinguistische Einordnung der Subtextsorte
Über uns als
Teil der Textsorte Website.
Diese textsortenlinguistische Einordnung beruht sowohl auf der
spezifischen Textstruktur als auch auf den diskursiven
Kommunikationszielen dieser Subtextsorte. Daraufhin erfolgte eine
Textstrukturanalyse des ganzen Korpus nach Swales, woraus
hervorging, dass die Textstruktureinheiten bzw. die Moves
vor allem argumentativ ausgerichtet und daher den diskursiven Zielen
der Kommunikation dienlich sind. Die Einheiten dieser Textstruktur
wurden nun den passenden Faktoren der Vertrauenswürdigkeit
zugeordnet. Damit konnte allein durch die Textstruktur eine erste
Form der Konstruktion der Vertrauenswürdigkeit beschrieben werden.
In diesem Rahmen wurden auch die mit den Texten realisierten
Bilder analysiert und als Visualisierungen den Faktoren der
Vertrauenswürdigkeit zugeordnet. Es konnten sowohl fähigkeits- als
auch integritätsbezogene Visualisierungen festgestellt werden sowie
dritte, die das Wohlwollen und die Gemeinnützigkeit der jeweiligen
Privatschule präsentieren. Sowohl bei der Analyse der Textstruktur
als auch bei jener von Bildern erwies sich das Kommunizieren der
Fähigkeiten und Kompetenzen einer Privatschule als das Herzstück
der Argumentation zur Konstruktion von Vertrauenswürdigkeit in
den Über uns-Texten.
Bei der linguistischen
Analyse der Texte zeigten sich neben der Strategie der Etablierung
einer guten Beziehung zum Adressaten zwei Hauptstrategien:
- die Darstellung der positiven Seiten einer Privatschule und
- die Antizipation unvorteilhafter Argumente oder von Gegenargumenten, welche bei den Adressaten vermutet werden.
Diese beiden Strategien
und deren linguistische Markierungen wurden wieder im Zusammenhang
mit den Faktoren der Vertrauenswürdigkeit interpretiert. Bei der
Fokussierung auf das Positive erwies sich vor allem die Lexik als
wichtige linguistische Ressource –
seien es Adjektive im Superlativ, Begriffe, die eine hohe Qualität
ausdrücken sollen, oder prestigeträchtige Fremdwörter. Auch die
Tempora und der narrative Stil, der im Realismus verankert ist,
trugen beträchtlich zur argumentativen Konstruktion der
Vertrauenswürdigkeit bei. Narration wurde selbst gleichsam als
Argument eingesetzt, damit Adressaten von dem positiv Geschilderten,
das sich in der Vergangenheit ereignet haben soll, auf die Gegenwart
und die Zukunft der jeweiligen Privatschule schließen können. Auf
der Ebene der Antizipation von Gegenargumenten und Widersprüchen
erwiesen sich adversative Ressourcen der Sprache wie
Konjunktoren und Partikeln wie auch die Negation als relevant, um
potentielle Gegenargumente zu entkräften.
Die
Beschäftigung mit den Über uns-Texten
eröffnet etliche weitere wichtige Fragen: Dazu gehört vor allem die
Untersuchung der Branchenspezifik der Über uns-Texte,
da die Struktur dieser Texte, wie der Beitrag gezeigt hat, in
verschiedenen Branchen jeweils anders realisiert wird.
Vertrauen
ist zwar ein universelles Thema, dürfte aber in verschiedenen
Kulturen und in verschiedenen Sprachen anders wahrgenommen und
verbal anders realisiert werden. Es bieten sich daher kontrastive
Arbeiten zur Beantwortung der dort auftretenden, möglicherweise
anders ausgerichteten Realisierung dieser Textsorte wie zur
Konstruktion von Vertrauen selbst an.
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1 Die Verwendung des Begriffs Textsorte
in diesem Beitrag erfolgt in Anlehnung an Fandrych & Thurmair
(2011).
2 Zur
Problematik der Übersetzung des Begriffs Textsorte in Genre
sei hier auf Gläser (1990: 30) verwiesen. Nach Gläser ist der
Begriff Genre in der britischen und amerikanischen
Linguistik als Äquivalenz zum deutschen Begriff Textsorte
weit verbreitet, während in deutschen Arbeiten der Begriff Genre
überwiegend für literarische Gattungen Verwendung findet.
3 Es
gibt allenfalls kleine Unternehmen, die nur mit einer einzigen
Webpage vertreten sind, (d.h. ohne Links innerhalb des Webauftritts,
z. B.
http://maler-steinlein.de/
index.php?id=2; 01.09.2015). Hier gelangt man von der Eingangsseite
nur noch zu einer Bildergalerie, so dass man im Prinzip von einer
einzigen Seite
ausgehen kann. Hier ist der Über
uns-Text
Bestandteil dieser einen Seite. Allerdings sind solche
Internetauftritte äußerst selten.
4 So
zählt z. B. Fricke (1984) die Selbstständigkeit als
Wesensmerkmal der Textsorte Aphorismen.
5 Vgl.
z. B. http://55489226.swh.strato-hosting.eu/Ueber-uns/
(01.09.2015).
6 Ob
die „Informationen“ wirklich stimmen, ist eine andere Frage.
Dieser Gedanke wird in Abschnitt 6.3 aufgegriffen.
7 Aus
datenschutzrechtlichen Gründen wurde in diesem Beitrag auf die
Wiedergabe von Fotos von Personen verzichtet, welche in jedem Über
uns-Text
vorkommen. Wo es nötig ist, erfolgt jedoch eine Beschreibung des
jeweiligen Bildes unter der Angabe des betreffenden Links.
8 An
dieser Stelle befindet sich im Originaltext ein Bild mit drei
Schülern, die in entspannter Atmosphäre zusammensitzen.
9 Bei
dem vorliegenden Modell handelt es sich um eine Übersetzung aus dem
Englischen. Das ursprüngliche Modell liegt auf Englisch (Mayer
et. al. 1995: 715) vor. Die Übersetzung stammt von Jelinski (2014:
83), der das Modell im Rahmen einer betriebswirtschaftlichen Arbeit
behandelt.
10 Manche Autoren (z. B. Reinmuth
2006: 219-293) schlagen eine Liste sprachlicher Mittel wie
sprachliche Korrektheit oder angemessene Länge der Mitteilung und
Kohärenz der Aussagen vor, die sie bei der Konstruktion von
Glaubwürdigkeit als wahrscheinlich erachten. Dass diese
sprachlichen Indikatoren für die Herausbildung von Glaubwürdigkeit
oder Vertrauenswürdigkeit nicht unbedingt typisch sind, liegt auf
der Hand.
11 Andere
Autoren – wie z. B. Felbick (2003: 23f) – sprechen von
„Schlagwörtern“, insbesondere wenn diese Wörter mit einer
hitzigen Diskussion verbunden sind oder eine brisante Dimension
aufweisen.