Die Diskrepanz zwischen Linguistik und
Fremdsprachenunterricht –
am Beispiel der Abtönungspartikeln im Deutschen
Marion Weerning (Palermo, Italien)
Abstract
(English)
It
is beyond question that linguistics and foreign language teaching
should go hand in hand, but unfortunately, this is not always the
case. A good example of this phenomenon are the German modal
particles: small words such as wohl in Achmed? Er ist wohl
Türke, denn in Meine Ferien waren super. – Wo warst
du denn? or mal in Komm mal!. Although numerous
scientific publications have been made on this topic, it is
sufficient to examine German textbooks in use to find out that they
often fail to make use of the scientific findings developed in the
field of linguistics, regarding these words. On the basis of a
description of German modal particles seen from the point of view of
linguistics, the present article analyses representative German
textbooks in order to understand how the topic has been treated in
the last 45 years and proposes new strategies for teaching them more
effectively.
Keywords:
German modal particles, stance, pragmatics, German
textbooks,
FL learning
Abstract
(Deutsch)
Es
dürfte außer Frage stehen, dass Sprachwissenschaft und
Fremdsprachenunterricht Hand in Hand gehen sollten, allerdings ist
dies leider nicht immer der Fall. Ein Beispiel dafür sind die so
genannten Abtönungspartikeln im Deutschen – also unscheinbare
Wörter wie wohl in Achmed? Er ist wohl Türke, wie
denn in Meine Ferien waren super. – Wo warst du denn?
oder wie mal in Komm mal!. Obwohl seit dem Ende der
1960er Jahre wissenschaftlich unendlich viel zu diesem Thema
publiziert worden ist, reicht ein Blick in DaF-Lehrwerke, um
festzustellen, dass kaum Erkenntnisse aus der Linguistik in die
Praxis umgesetzt worden sind. Im vorliegenden Artikel werden
einleitend Abtönungspartikeln aus der Sicht der Linguistik
vorgestellt, dann einige repräsentative Lehrwerke aus den letzten 45
Jahren daraufhin analysiert, wie sie dort behandelt werden, und
schließlich Vorschläge dahingehend unterbreitet, wie sie behandelt
werden könnten.
Stichwörter: Abtönungspartikeln, Modalpartikeln, Sprecher-/Hörer Einstellung,
Pragmatik, DaF-Lehrwerke
1 Einleitung
Dass
im optimalen Fall Linguistik und Fremdsprachenunterricht Hand in Hand
gehen sollten, dürfte nicht zur Diskussion stehen, aber dass das
nicht in allen Fällen so ist, ist leider immer wieder zu bemängeln.
Ein gutes Beispiel dafür sind die Abtönungspartikeln im Deutschen:
unscheinbare Wörter wie wohl
in Beispiel (1), denn
in (2) oder mal in
(3).
Beispiele:1
(1)
Achmed? Er ist wohl Türke?
(2)
Meine Ferien waren super. – Wo warst du denn?
(3)
Komm mal!
In diesem Artikel sollen
wohl, denn und mal
exemplarisch für Abtönungspartikeln
allgemein stehen. Dabei wird zunächst in die komplexe Bedeutung
dieser Partikeln aus der Sicht der Sprachwissenschaft eingeführt. Im
Anschluss daran werden einige repräsentative Lehrwerke, mit denen
seit Ende der 1960er Jahre an italienischen Schulen Deutsch
unterrichtet und gelernt wird, daraufhin untersucht, wie sie dort
vorgestellt werden und ob sich im Laufe der letzten Jahrzehnte bei
ihrer Vorstellung etwas verändert hat. Es handelt
sich dabei um das Lehrwerk Schulz & Griesbach (1970a) –
stellvertretend für die Grammatik-Übersetzungsmethode –, Themen
Neu (Aufderstraße
et al. 1992) für die kommunikative Wende und die erst kürzlich
erschienenen Lehrwerke Kurz
und gut (Catani
et al. 2014), Deutsch
im Team (Esterl,
Körner & Eichhorn 2014), Netzwerk
(Dengler et al. 2013) und Ideen
(Krenn & Puchta 2011) für die momentane Situation. Leider ist
das Ergebnis unserer Analyse recht ernüchternd: Obwohl seit
Ende der 1960er Jahre unendlich viel zu Abtönungspartikeln
publiziert worden ist, muss festgestellt werden, dass oft gar keine
Erkenntnisse aus der Wissenschaft in die Praxis eingegangen sind und
dass sie in keinem einzigen Lehrwerk systematisch behandelt werden.
Deshalb wird zum Abschluss unserer
Ausführungen ein Ausblick gewagt und überlegt, wie eine
systematische Behandlung aussehen könnte.
2 Abtönungspartikeln aus der Sicht der Sprachwissenschaft
2.1 Terminologische Probleme
Partikeln
wie wohl, denn
oder mal in den oben
genannten Beispielen wurde bis zum Ende der 1960er Jahre keinerlei
Augenmerk geschenkt. Sie wurden als Füllwörter,
Würzwörter oder
Flickwörter
bezeichnet, die wie „Läuse im Pelz unserer Sprache“ herumwimmeln
(Reiners 1943: 340). Auch im aktuell (November 2015) geltenden
„Verzeichnis grundlegender grammatischer Fachausdrücke“ der
Kultusministerkonferenz für das Fach Deutsch (KMK 1982) findet man
keinerlei Hinweise auf sie.
Dagegen
gibt es heute eine Fülle wissenschaftlicher Abhandlungen zu diesem
Thema, aber allein die Tatsache, dass die Linguisten es nicht
vermocht haben, sich auf einen Namen für diese Gruppe von Wörtern
zu einigen, lässt tief blicken.
In
der Sprachwissenschaft heißen sie Abtönungsangaben
(Engel 2004), ein Begriff aus der Syntax (Angaben
sind nicht-valenzbedingte Komponenten eines Satzes), oder Partikeln,
ein Terminus aus der Morphologie (Partikeln
sind unflektierbare Wörter), und zwar nicht nur schlicht und
einfach „Partikeln“ (Helbig & Buscha 1980), sondern oft
beispielsweise auch „Modalpartikeln“ (Weinrich 1993, z. T.
auch Duden 2006), „Einstellungspartikeln“ (Boettcher 2009),
„Abtönungspartikeln“ (Eisenberg 2006, Zifonun et al. 1997,
Hentschel & Weydt 2002, Hoffmann 2013, z. T. auch Duden
2006). Letzteren Bezeichnungen ist der Bezug zum Bereich der
Pragmatik gemeinsam: Diese modalen
Partikeln haben etwas mit der Einstellung
zu tun, die sie „abtönen“. Dabei ist der Begriff Modalpartikel
recht problematisch, weil viele Grammatiken des Deutschen (wie Engel
2004) damit Adverbien wie wahrscheinlich
oder leider
bezeichnen. Wenn man sich für den Begriff Abtönungspartikel
entscheidet (wie es hier geschieht), dann mit dem Hinweis, dass das
aus der Malerei stammende Verb „abtönen“
so viel bedeutet wie „aufeinander abstimmen“ (DWDS 2015), also
eine gegebene Intensität nicht nur graduell zu reduzieren (engl. to
tone down „abschwächen“), sondern sie
auch – und dies wird oft übersehen – zu amplifizieren (engl. to
tone up „kräftigen“) oder
neutralisieren.
2.2 Wortklassenzugehörigkeit
Auch nach der Lektüre
verschiedener Abhandlungen zu diesem Thema wird nicht klar, welche
Wörter zu den Abtönungspartikeln zu zählen sind. Es besteht nur
eine gewisse – jedoch keine vollkommene – Einigkeit über eine
Kerngruppe, die aber, auch, bloß, denn,
doch, eben, eigentlich, etwa, halt, ja, mal, nur, schon, vielleicht,
wohl bilden (mehr dazu bei Diewald 2007:
118).
In traditionellen,
nicht-wissenschaftlichen Grammatiken und Wörterbüchern werden
Abtönungspartikeln meist zu den Adverbien gezählt. Unabhängig
davon, ob man sie als Subklasse innerhalb dieser Wortklasse oder
als eigene Wortklasse definiert, kann man nicht umhin festzustellen,
dass sie sich durch ihr topologisches Verhalten ganz klar von anderen
Adverbien oder adverbähnlichen lexikalischen Elementen
unterscheiden, mit denen sie leicht zu verwechseln sind: Sie können
nämlich nicht im sogenannten Vorfeld stehen, was aus dem folgenden
Beispiel ersichtlich wird.
Beispiel:
(4)
Achmed? Wahrscheinlich ist er Türke. / *Wohl ist er
Türke.
Neben weiteren Merkmalen,
die Abtönungspartikeln ausmachen – sie sind beispielsweise
nicht erfragbar, nicht negierbar, nicht mit und
koordinierbar –, ist es dieses syntaktische Kriterium, das die
Abtönungspartikeln definitiv von ähnlichen Wörtern abgrenzt
(Tab. 1).
Wodurch
Abtönungspartikeln sich darüber hinaus auszeichnen, ist umstritten.
So
wäre,
wenn
Abtönungspartikeln per
definitionem
unbetonbar sind, das zweite denn
in (5)2
keine Abtönungspartikel.
- Position im MittelfeldPosition im VorfeldErfragbarkeit mit w-?gern, heute …+++trotzdem, deshalb …
wahrscheinlich, leider …++-nicht wohl, denn, mal …+--
Beispiel:
(5)
A: Ich hab' dich geSUCHT. Wo WARST du denn?
B: Weder zu HAUS noch in der SCHUle.
A: Wo warst du DENN?
B: Weder zu HAUS noch in der SCHUle.
A: Wo warst du DENN?
Kontrovers
ist auch, inwiefern Abtönungspartikeln bestimmten Satzmodi
zuzuschreiben sind. Zweifelsohne kann man gewisse
Abtönungspartikeln mit Satzmodi in Verbindung bringen (wie wohl
mit Konstativsätzen, denn
mit Interrogativsätzen, mal
mit Imperativsätzen), aber es ist nicht der formale Satzmodus,
sondern die Sprachhandlung, die in diesem Zusammenhang
ausschlaggebend ist. So kann eine subjektive Feststellung auch als
Frage formuliert sein – in der Erwartung, dass der Hörer die
persönliche Meinung des Sprechers3
teilt (wie in (6)) –, eine Frage zum Ausruf werden (wie in (7))
oder eine nett formulierte Aufforderung die Form eines höflichen
Fragesatzes annehmen (wie in (8)).
Beispiele:
- Ist Achmed wohl Türke?
- Wann kommst du denn endlich!
- Kannst du mal kommen?
Weiter
zu untersuchen, jedoch nicht relevant für den DaF-Unterricht auf
Anfängerniveau, ist auch ihr Verhältnis zum Rhema bzw. Fokus
des Satzes in Bezug auf ihre Satzstellung im Mittelfeld4
sowie ihre Kombinierbarkeit und, sofern kombinierbar, ihre Abfolge
untereinander5
(Beispiele (9a-b) und (10a-c)).
Beispiele:
(9a)
Wo WARST du denn?
(9b)
Wo warst denn DU?
(10a)
*Wo warst du denn doch?
(10b)
Wo warst du denn eigentlich überhaupt?
(10c)
*Wo warst du eigentlich überhaupt denn?
2.3 Pragmatische Dimension
Dass
Abtönungspartikeln allesamt auch eine pragmatische Dimension haben,
ist nicht kontrovers, die Frage, wie
diese Dimension genau zu umschreiben ist, allerdings wohl.
Weitgehende Einigkeit besteht darüber, dass es bei
Abtönungspartikeln um die Einstellung des Sprechers geht. In
der Sozialpsychologie wird der Begriff Einstellung als die
„individuelle Bewertung von Menschen, Objekten und Ideen durch
einen Menschen“ definiert, die kognitiv (auf Überzeugungen und
Annahmen basiert), affektiv (auf Emotionen basiert) und konativ
(verhaltens- bzw. intentionsbasiert) sein kann (Aronson, Wilson
& Akert 2008: 226).
Dies bedeutet auf
Abtönungspartikeln bezogen, dass bei ihnen die folgenden sechs
kognitiven, affektiven und konativen Faktoren von Relevanz sind, und
zwar nicht separat, sondern in Kombination:
- Sprecher-Valutationen des geäußerten Sachverhaltes oder state of affairs (wie: Sprecher meint, der Sachverhalt entspricht effektiv der Realität / ist wahr oder er muss / kann / mag effektiv der Realität entsprechen / wahr sein),
- Sprecher-Emotionen gegenüber dem geäußerten Sachverhalt (wie: Sprecher sieht den Sachverhalt mit Gelassenheit / Zustimmung / Erstaunen) und gegenüber dem Hörer (wie: Sprecher hat Vertrauen / kein Vertrauen in Hörer),6
- Sprecher-Verhalten gegenüber dem geäußerten Sachverhalt (wie: Sprecher etikettiert den Sachverhalt als persönliche Meinung / Vorschlag / Rat / Billigung / Ausdruck der Überraschung und als mehr oder weniger relevant),
- Sprecher-Verhalten gegenüber dem Hörer (wie: Sprecher zeigt sich kooperativ).
Nicht alle Studien über
Abtönungspartikeln sehen den
- Sprecher-Hinweis auf gemeinsames Sprecher-Hörer-Wissen (der Sprecher signalisiert mittels einer Abtönungspartikel dem Hörer, ob der Sachverhalt, um den es geht, in den Kontext bzw. die Gesprächssituation eingebettet ist oder nicht. Wenn er dort verankert ist, gibt es einen common ground zwischen beiden).
Es besteht weitgehend
Einigkeit darüber, dass es bei Abtönungspartikeln nicht nur
um die Einstellung
vom Sprecher zum geäußerten Sachverhalt und zum Hörer geht,
sondern auch um die
- vom Sprecher erwartete Hörer-Einstellung:
- Hörer-Valutationen (wie: Der Sprecher erwartet, dass der Hörer den Sachverhalt wie er selbst einschätzt.),
- Hörer-Emotionen (wie: Der Sprecher erwartet, dass der Hörer gelassen bleibt und Vertrauen in ihn hat.),
- Hörer-Verhalten (wie: Der Sprecher ist sich sicher / nicht sicher, dass der Hörer die erwartete Reaktion zeigt.).
Um einzelne
Abtönungspartikeln adäquat und nachvollziehbar zu beschreiben,
bietet es sich an, die Faktoren 1-6 zu berücksichtigen, wie es
exemplarisch in Tabelle 2 geschieht (S = Sprecher,
H = Hörer, SoA = Sachverhalt oder state
of affairs):
- wohl
im Konstativsatzdennim Interrogativsatzmalim ImperativsatzSoA-Valutation seitens SSoA kann effektiv der Realität entsprechen / kann wahr sein.Es wäre wissenswert, ob SoA der Realität entspricht / wahr ist.Es wäre wünschenswert, dass SoA der Realität entspricht / wahr ist.S-EmotionenZustimmung bez. SoA,
Gelassenheit bez. HInteresse bez. SoA,
Vertrauen bez. HInteresse bez. SoA,
Vertrauen bez. HSoA-Etikettierung durch SSoA = persönliche Meinung von SSoA = unbekannte Information für SSoA = Vorschlag von SS-Verhalten zu Hkooperativ, demokratischkooperativ, interessiertkooperativ, nettS-Hinweis auf S-H-WissenSoA ist ableitbar aus Kontext, für H vertraut.SoA ist nicht ableitbar aus Kontext, für H neu.H-Einstellung laut SH hat teil an persönlicher Meinung von S (darf auch eine andere Meinung haben).H kennt die Information und liefert die Antwort.H führt die Handlung aus.
Tab. 2: Umreißen der Bedeutung von wohl, denn, mal
Mit einer solchen
Merkmalstabelle können auch Abtönungspartikeln voneinander
abgegrenzt werden, deren subtile Bedeutungsunterschiede selbst von
Muttersprachlern kaum erklärt werden können, wie wohl
von eben und
ja in (11a-c), wie denn
von eigentlich und
überhaupt in (12a-c) oder wie
mal von doch und
schon in (13a-c) (Tabellen 3-5).
Beispiele:
(11a)
Achmed? Er ist wohl Türke.
(11b)
Achmed? Er ist eben Türke.
(11c)
Achmed? Er ist ja Türke.
(12a)
Meine Ferien waren super. – Wo warst du denn?
(12b)
Meine Ferien waren super. – Wo warst du
eigentlich?
(12c)
Meine Ferien waren super. – Wo warst du
überhaupt?
(13a)
Komm mal!
(13b)
Komm doch!
(13c)
Komm schon!
- wohlim Konstativsatzebenim Konstativsatzjaim KonstativsatzSoA-Valutation seitens SSoA kann effektiv der Realität entsprechen / kann wahr sein.SoA entspricht effektiv der Realität / ist wahr.SoA entspricht effektiv der Realität / ist wahr.S-EmotionenZustimmung bez. SoA,
Gelassenheit bez. HÜberzeugung bez. SoA,
Gelassenheit bez. HÜberzeugung bez. SoA,
Gelassenheit bez. HSoA-Etikettierung durch SSoA = persönliche Meinung von SSoA = persönliche Meinung von S,
S stellt SoA in Vordergrund.SoA = sich aus dem Kontext Ergebendes,
S stellt SoA in Hintergrund.S-Verhalten zu Hkooperativ, demokratischengagiert (auch resigniert)kooperativS-Hinweis auf S-H-WissenSoA ist ableitbar aus Kontext, für H vertraut.SoA ist ableitbar aus Kontext, für H vertraut.SoA ist ableitbar aus Kontext, für H vertraut.H-Einstellung laut SH hat teil an persönlicher Meinung von S (darf auch eine andere Meinung haben).H hat keine andere Wahl, als den SoA genauso zu sehen.H wird erinnert.
Tab. 3: Herausarbeiten der
Unterschiede zwischen wohl, eben, ja
(nach Weerning 2015b: 139)
- dennim Interrogativsatzeigentlichim Interrogativsatzüberhauptim InterrogativsatzSoA-Valutation seitens SEs wäre wissenswert, ob SoA der Realität entspricht / wahr ist.Es wäre wissenswert, ob SoA der Realität entspricht / wahr ist.Es wäre wissenswert, ob SoA der Realität entspricht / wahr ist.S-EmotionenInteresse bez. SoA, Vertrauen bez. Hgroßes Interesse bez. SoA, Vertrauen bez. HNeugier (ggf., auch Zweifel) bez. SoA, Vertrauen bez. HSoA-Etikettierung durch SSoA = unbekannte Information für SSoA = unbekannte Information für S,
S stellt SoA in Vordergrund und unterstreicht KontextbezugSoA = unbekannte Information für S,
S stellt SoA in Vordergrund und markiert ihn als neuen wichtigen Aspekt.S-Verhalten zu Hkooperativ, interessiertengagiertengagiertS-Hinweis auf S-H-WissenSoA ist ableitbar aus dem Kontext, für H vertraut.SoA ist ableitbar aus dem Kontext, für H vertraut.SoA kann H auch unerwartet kommenH-Einstellung laut SH kennt Information und liefert die Antwort.H kennt Information und liefert die Antwort.H kennt Information und liefert die Antwort.
Tab. 4 Herausarbeiten der
Unterschiede zwischen denn, eigentlich, überhaupt
(mehr dazu in Weerning 2015a)
- mal
im Imperativsatzdochim Imperativsatzschonim ImperativsatzSoA-Valutation seitens SEs wäre wünschenswert, dass SoA der Realität entspricht / wahr ist.Es wäre wünschenswert, dass SoA der Realität entspricht / wahr ist.Es wäre wünschenswert, dass SoA der Realität entspricht / wahr ist.S-EmotionenInteresse bez. SoA, Vertrauen bez. HInteresse bez. SoA, kein volles Vertrauen bez. HInteresse bez. SoA, Ungeduld bez. HSoA-Etikettierung durch SSoA = Vorschlag von SSoA = Rat von S (ratsame Alternative von zwei Ratschlägen, die S beide aufzeigt: dem Rat nicht folgen oder doch)SoA = Aufforderung von S (für S wäre Handlung am besten schon ausgeführt).
S unterstreicht die Wichtigkeit, die Handlung umgehend auszuführen.S-Verhalten zu Hkooperativ, nettKooperativengagiertS-Hinweis auf S-H-WissenSoA ist nicht ableitbar aus dem Kontext, für H neu.SoA ist ableitbar aus dem Kontext, für H vertraut.SoA ist ableitbar aus dem Kontext, für H nicht neu.H-Einstellung laut SH führt Handlung aus.S ist nicht sicher, dass H Handlung ausführt (H muss daran erinnert werden, dass dies ratsam ist).S ist nicht sicher, dass H Handlung ausführt (ist für H nicht selbstverständlich).
Der
Versuch, die Bedeutung einer Abtönungspartikel, die sich aus den
wechselseitigen Beziehungen zwischen Sprecher, Hörer und
Sachverhalt ergibt, mittels solcher Merkmalstabellen (Tab. 2-5)
herauszuarbeiten, ist ein „bedeutungsminimalistischer Ansatz“
(Pittner 2010: 8), der im Gegensatz zu bedeutungsmaximalistischen
Ansätzen steht wie denen von Helbig (1994) oder Métrich &
Faucher (2009), die auf sehr detaillierte Weise jede
Abtönungspartikel in vielen unterschiedlichen Umgebungen und
mit zahlreichen Funktionen beschreiben.
Zusammenfassend
können wir festhalten, dass es bei den Abtönungspartikeln um die
Optimierung der Interaktion zwischen Sprecher und Hörer geht. Auch
bei Muttersprachlern ohne jegliche sprachwissenschaftliche Kenntnis
herrscht Einverständnis darüber, dass Abtönungspartikeln einen
Beitrag leisten zur „overall politeness and vivification of
exchange“ (Modicom 2012: 362). Deshalb heißt es oft, sie seien
typisch für die gesprochene Sprache. Natürlich trifft dies zu, aber
auch literarische Werke und andere Textsorten der Schriftsprache
können Abtönungspartikeln enthalten.8
Ihr Gebrauch ist sprecherspezifisch (je nachdem, ob und welche
Einstellung er erkennen lassen will) und typisch für Texte, in denen
großer Wert darauf gelegt wird, mit Rezipienten zu interagieren.
Dabei steigt die Häufigkeit, mit der Abtönungspartikeln gebraucht
werden, in dem Maße, wie die sprachliche Interaktion „einen
informellen, persönlichen, vertrauten und assoziativen Charakter
annimmt“ (Hentschel 1986: 233).Die wechselseitigen Beziehungen
zwischen Sprecher, Hörer und Sachverhalt erinnern an Du Bois’
stance
triangle (Abb.
1), dessen drei Knoten die „three key entities in the stance act”
(Du Bois 2007: 164) darstellen: Subject
1
(hier: Sprecher), Subject
2 (hier:
Hörer) und Object
(hier: Sachverhalt):
Abb. 1 :
Stance Triangle (Du Bois 2007: 164)
Die drei
Seiten stehen für subsidiäre Akte als Schlüsselkomponenten von
stance
acts
zwischen Sprecher, Hörer und Sachverhalt:9
- Evaluation Subject 1 – Object und Subject 2 – Object: Wie schätzen Sprecher und Hörer den Sachverhalt ein?
- Positionieren Object – Subject 1 und Object – Subject 2: Wie stehen Sprecher und Hörer zum Sachverhalt?
- Konvergentes oder divergentes Ausrichten Subject 1 – Subject 2 und Subject 2 – Subject 1: Wie soll sich der Sprecher, der den Sachverhalt auf eine bestimmte Art und Weise einschätzt, gegenüber dem Hörer verhalten, der den Sachverhalt – in den Augen des Sprechers – auch so oder auf eine andere Art und Weise einschätzt, damit die Kommunikation im Sinne des Sprechers weitergeht?
Mit Hilfe dieses Dreiecks
kann man ferner Abtönungspartikeln von epistemischen Adverbien
wie wahrscheinlich
oder vermutlich auch
auf der pragmatischen Ebene abgrenzen, nachdem wir in 2.2 beide
(Sub)Wortklassen schon syntaktisch aufgrund ihres unterschiedlichen
topologischen Verhaltens unterschieden haben:
- Abtönungspartikeln drücken stance aus, d. h. alle drei Seiten des Dreiecks spielen eine Rolle: Es handelt sich um multiple und intersubjektive subsidiäre Akte;
- Bei epistemischen Adverbien wie wahrscheinlich oder vermutlich ist nur die obere Seite des Dreiecks einbezogen, also die Relation subject1-object bzw. Sprecher-Sachverhalt: Es handelt sich um einen subjektiven stance act.10
Eine pragmatische
Funktion ist auch immer eine genuine grammatische Funktion. Die
grammatischen Routinen, die Abtönungspartikeln ausdrücken, sind die
multiplen intersubjektiven Akte, wie sie das Stance-Dreieck
darstellt.
2.4 Lexikalische Bedeutung und Grammatikalisierung
Epistemische
„Adverbien“ wie wahrscheinlich
oder vermutlich und
Abtönungspartikeln wie wohl,
denn oder mal
unterscheiden sich auch in einem weiteren Punkt wesentlich: Im
Gegensatz zu Abtönungspartikeln haben epistemische Adverbien nicht
nur eine weniger komplexe pragmatische Bedeutung, sondern sie haben
auch eine explizite lexikalische Bedeutung und sind in fast alle
Fremdsprachen übersetzbar (d.h. sie haben lexikalische
Eins-zu-eins-Äquivalente, wie engl. probably
und presumably für
wahrscheinlich und
vermutlich).
Abtönungspartikeln
dagegen mit ihrer sehr komplexen pragmatischen Bedeutung haben
nur eine reduzierte, gleichsam schattenhafte, lexikalische
Bedeutung. Da viele Sprachen, wie das Englische und das
Italienische, keine – oder wenn überhaupt, dann nur sehr wenige –
Abtönungspartikeln vergleichbare Wörter besitzen, verfügen sie
auch nicht über lexikalische Äquivalente, d.h. wohl,
denn, mal usw.
sind unübersetzbar.
Oft
kommen sie in Kombination mit anderen sprachlichen Einheiten vor, die
ähnliche Funktionen wie sie übernehmen – wie z. B. wohl
in Sätzen, die
werden- oder
Konjunktiv
2-Formen
enthalten wie in (14),
oder ja
in weil-Sätzen
wie in (15).
Beispiele:
(14)
Achmed? Er wird / könnte wohl Türke sein.
(15)
Können Gewürze schlecht werden? – Eigentlich
nicht, weil sie ja
getrocknet sind.
Alle Abtönungspartikeln
haben Homonyme in anderen Wortklassen, deren unterschiedliche
Bedeutungen allerdings immer auf eine gemeinsame Grundbedeutung
zurückgeführt werden können. So ist die Grundbedeutung von wohl
immer ein gefühltes „gut“: Das gilt für
das Substantiv das Wohl,
das attributive Adjektiv wohl wie
in ein wohles Gefühl, das
modale Adverb wohl wie
in sich wohl fühlen,
korrigierendes wohl wie
in Ist Achmed unschuldig? – Nein, er war es
wohl., betontes (sehr)
wohl wie in
Ich weiß das sehr wohl. und die
Abtönungspartikel wohl wie
in Achmed? Er ist wohl Türke.
Die
Grundbedeutung sowohl von denn als
auch von dann –
beide haben die gleichen Wurzeln und sind teilweise austauschbar –
liegt in deren
Verweis-Charakter. Während die
Abtönungspartikel denn wie
in Meine Ferien waren super. – Wo warst du
denn? unspezifisch auf einen situationalen
Kontext verweist, referiert das Adverb dann
spezifisch auf einen temporalen Kontext wie in zuerst
Lukas, dann Mathias oder auf einen
konditionalen Kontext wie in Wenn ich du wäre,
dann würde ich das nicht tun. Der
Konjunktor denn
verweist auf einen kausalen Kontext wie in
Ich bleibe zu Hause, denn ich habe
Halsschmerzen. Auch die Adjunktion denn
wie in mehr denn je
fungiert verweisend, nämlich auf ein Vergleichselement.
Das
Substantiv Mal wie in
das
erste Mal bedeutet
so viel wie ein Zeitpunkt und ist entstanden aus der räumlichen
Auffassung vom „Punkt im Raum“, worauf auch das Homonym Mal
wie in Muttermal
oder Merkmal
im Sinne von
„Zeichen“ zurückzuführen ist. In der Bedeutung „Zeitpunkt“
ist es das zweite Glied in
zusammengerückten iterativen Adverbien wie in Wie
oft? – Einmal / Zweimal / N-mal. und
fungiert in der Mathematik als Synonym für „multipliziert mit“
wie in zwei mal zwei.
Das temporale Adverb einmal
verweist auf einen nicht spezifizierten,
vagen Zeitpunkt in der Vergangenheit wie in Das
war einmal so im Sinne von „einst, vor
langer Zeit“, in der Zukunft wie in Einmal
werden wir uns wiedersehen im Sinne von
„später (wer weiß, wann)“ oder
auch allgemein wie in
Einmal ist man oben, einmal ist man unten im
Sinne von „manchmal“ oder „nun“. Es kann verkürzt werden zu
mal wie in
Das war mal so. Bei der Abtönungspartikel
mal wie in Komm
mal! ist auch der Verweis auf einen bei
temporalem (ein)mal schon
sehr vagen Zeitpunkt ganz verschwommen, und es besteht nur noch ein
schattenhafter temporaler Kern, der allgemein auf die Handlungszeit
referiert.
Die
Ausblendung der lexikalischen Bedeutung kann als Zeichen dafür
gewertet werden, dass sich diese Partikeln in einem
Grammatikalisierungsprozess befinden. Dabei ist die
Grammatikalisierung der Abtönungspartikel denn
schon so weit fortgeschritten, dass sie sogar klitisiert werden kann,
wie in Wo is‘n Achmed? statt
Wo ist denn Achmed?.
3 Abtönungspartikeln im Fremdsprachenunterricht
Aus
dem in Abschnitt 2 Gesagten dürfte klargeworden sein, dass Partikeln
wie wohl,
denn
oder mal
eine enorm große Schwierigkeit für DaF-Lerner und ebenso für
DaF-Lehrpersonen darstellen.11
Sie „fließen spontan und ungesteuert in den Dialog ein, und
der Beitrag, den sie zur Orientierung des Hörers in der
kommunikativen Situation leisten, ist normalerweise weder dem
Sprecher noch dem Hörer in irgendeiner Weise bewußt“ (Hentschel
1986: 32). Selbst Muttersprachler sind häufig nicht in der Lage, die
Bedeutung einer Abtönungspartikel zu erklären (Ferrer Mora
2000: 256).
Die
größte Schwierigkeit für Lernende mit Muttersprachen wie
Italienisch oder Englisch, die nicht über Abtönungspartikeln
verfügen, liegt darin, dass es keine lexikalischen Äquivalente
gibt: Lernende sind daran gewöhnt, jedem neuen Wort, auf das sie
treffen, ein entsprechendes Wort aus der Muttersprache zuzuordnen,
und tun sich schwer mit Wörtern, die keine oder fast keine
lexikalische Bedeutung haben.
Hier
setzt die Herausforderung bei den Lehrpersonen ein: Wie erklären sie
die Bedeutung einer Abtönungspartikel? Hier schließt sich nun
folgerichtig die Frage an, welche Hilfe Lehrwerke zum Verständnis
und Gebrauch dieser Partikeln leisten.
3.1 Abtönungspartikeln in Lehrwerken
3.1.1 Übersetzungsmethode 1960er Jahre
Da
die Kerngruppe der Abtönungspartikeln zu den frequentesten deutschen
Wörtern gehört und in einem deutschen Dialog jedes achte bis
zwölfte Wort solch eine Partikel ist (Helbig & Kötz 1981: 43),
muss man davon ausgehen, dass es unabänderlich ist, dass man sie
schon sehr früh in Lehrwerktexten antrifft. Außerdem steht außer
Diskussion, dass ein Dialog ohne Abtönungspartikeln völlig
unnatürlich wirkt.
Aber
gilt das auch für die 1960er Jahre mit der für sie
charakteristischen Grammatik-Übersetzungsmethode und den oft
nicht gerade natürlich wirkenden, konstruierten
Lehrwerkdialogen? Bis zu jenem Zeitpunkt waren die
Abtönungspartikeln schließlich kaum von der Sprachwissenschaft
wahrgenommen worden und waren – wie bereits weiter oben
erwähnt – gleichsam „Läuse im Pelz der Sprache“ (Reiners
1943: 340).
In
der italienischen Ausgabe der Deutschen
Sprachlehre für Ausländer (Schulz &
Griesbach 1970a) begegnen uns schon sehr früh Abtönungspartikeln:
zuerst ja (Abb. 2) und
dann gleich zweimal denn (Abb.
3). Im Lehrbuch gibt es, wie zu erwarten, an keiner Stelle
theoretische Hinweise darauf, wie ja und
denn linguistisch
einzuschätzen sind. Während wir aber im Glossar, das der
italienischen Ausgabe mit Übersetzungen beiliegt, in der
„Alphabetische[n] Wortliste“ sowohl das affirmative
Satzäquivalent ja
„sì“ als auch die homonyme Abtönungspartikel ja
mit „allora, dunque“ (also „dann, also“) als vorgeschlagener
Übersetzung finden, wird – was denn
angeht – nur der kausale Konjunktor denn
„perché“ („weil“) angeführt (Schulz & Griesbach 1970b:
39, 36). Die Abtönungspartikel denn findet
hingegen keine
Berücksichtigung. Würden Lernende sich auf diese Wortliste
verlassen, dann würde zum Beispiel die italienische Übersetzung von
Wo gehen Sie denn hin? (Beispiel
Abb. 3) unsinnigerweise *Dove va Lei
perché? („*Wohin gehen Sie weil?“)
lauten.
Abb. 3: Dialog mit der Abtönungspartikel ja (Schulz & Griesbach 1970a: 23)
Abb. 3: Dialog mit der
Abtönungspartikel denn (Schulz & Griesbach 1970a: 47)
3.1.2 Kommunikative Wende
In
den 1980er Jahren war die „Weydt-Wende“ (Ortu 2007: 83)12
längst vollzogen und ein richtiger AP-„Boom“ mit
Veröffentlichungen über Abtönungspartikeln hatte in der
Sprachwissenschaft eingesetzt. Bereits im Jahre 1979 wurde das
Berliner Kolloquium „Partikeln und Deutschunterricht“ (unter
Leitung von Weydt) abgehalten, und es kamen spezifische
Unterrichtsmaterialien auf den Markt (wie z. B. Weydt et al.
1983). In Anbetracht dessen dürfte die Annahme naheliegen,
sollte man denken, dass sich davon auch etwas in den neuen Lehrwerken
niedergeschlagen hat.
In
den Dialogen von Themen Neu (Aufderstraße
et al. 1992) beispielsweise – einem der erfolgreichsten
kommunikativen DaF-Lehrwerke nach der kommunikativen Wende –
erscheinen Abtönungspartikeln von Anfang an: Schon in der ersten
Lektion begegnet uns direkt nach aber
bereits denn (Beispiele
(16) und (17)). Doch Abtönungspartikeln werden auch hier weder
eingeübt noch in der Grammatikübersicht am Ende des Lehrbuches oder
in der italienischen Ausgabe des Arbeitsbuches thematisiert.
Aber im Gegensatz zu Schulz & Griesbach (1970b) werden die
Lernenden immerhin im Glossar der italienischen Ausgabe des
Arbeitsbuches am Anfang der Lektion nicht in die falsche Richtung
geführt: Hier heißt es, dass denn in
Interrogativsätzen oft nicht übersetzt wird (Bock et al. 1993: 32).
Beispiele
(16)
[…]
A Kommen Sie aus England?
B Nein, aus Neuseeland.
A Sie sprechen aber schon gut Deutsch.
B Na ja, es geht.
A Kommen Sie aus England?
B Nein, aus Neuseeland.
A Sie sprechen aber schon gut Deutsch.
B Na ja, es geht.
(Aufderstraße
et al. 1992: 17)
(17)
[…]
A Ich komme aus Bruck.
B Wo liegt das denn?
A Bei Wien. Ich bin Österreicher.
[…]
A Ich komme aus Bruck.
B Wo liegt das denn?
A Bei Wien. Ich bin Österreicher.
[…]
(Aufderstraße
et al. 1992: 18)
Ein
wenig verschiedenartig gestaltet sich die Situation in anderen
Lehrwerken, die jedoch keine oder kaum Verwendung an italienischen
Schulen fanden. Eingeübt werden Abtönungspartikeln im Zusammenhang
mit Grammatikübungen in Deutsch
Aktiv (Neuner
et al. 1979), thematisiert – wenn auch noch nicht optimal –
werden sie in den Anfängerlehrwerken Tangram
(Dallapiazza,
Jan & Schönherr 1998), wo sich aber leider in der Liste der
Abtönungspartikeln auch Wörter finden, die keine solchen sind (wie
ziemlich
oder
ganz),
Lernziel
Deutsch (Hieber
1983), wo sie „Intentionalpartikeln“ heißen, und
Stufen International (Vorderwülbecke
& Vorderwülbecke 1995):13
Abb.
4: Die Abtönungspartikel denn in dem Lehrwerk Stufen
International
(Vorderwülbecke &
Vorderwülbecke 1995: 27), zit. nach Möllering (2004: 83)
3.1.3 Die aktuelle Situation
Seit
der Einführung des Lehrwerkes Themen
sind 25 Jahre vergangen. Berechtigt diese vergleichsweise lange
Zeitspanne zu der Hoffnung, dass Abtönungspartikeln inzwischen
einen Platz in Lehrwerken gefunden haben?
Leider
ist dem nicht so. In den erst vor kurzem erschienenen Lehrwerken Kurz
und gut (Catani et al. 2014) oder Deutsch
im Team (Esterl, Körner & Eichhorn 2014)
gibt es keinerlei Hinweise auf Abtönungspartikeln und völlig
irreführende lexikalische Hilfen im Glossar wie bei Schulz &
Griesbach (1970), während es in den Lehrwerken Netzwerk
(Dengler et al. 2013) und Ideen
(Krenn & Puchta 2011) zumindest im Wortschatzteil einige
Übersetzungshilfen gibt wie in Themen Neu
(1992).
Natürlich
gibt es auch in Italien erschienene Lehrwerke, die etwas mehr zu den
Abtönungspartikeln bringen, wie Vitamin D
(Curci, Bente Pieper & Roth 2005) und Basis
Deutsch (Weerning 2007), beide sind
allerdings nicht mehr im Handel. Hier werden Abtönungspartikeln
deduktiv entsprechenden Grammatikthemen oder Sprechakten
zugeordnet. Es gibt praktische Übungen, immer in Relation zu
Sprachhandlungen (z. B. einmal zu Aufforderungen und dann zu Fragen).
Ferner gibt es Anwendungsübungen vom Typ „Welche
Abtönungspartikel passt am besten in welchen Satz” oder „Sag
es anders und benutze die passende Abtönungspartikel”, induktive
Übungen, in denen den Lernenden die pragmatische Dimension von
Abtönungspartikeln bewusstgemacht wird – Lernende hören Sätze,
die Abtönungspartikeln enthalten, und sollen sie Illokutionen
zuordnen – sowie zusammenfassende induktive und theoretische
Beschreibungen.
Zusammenfassend kann
festgehalten werden, dass der Blick in unterschiedliche
Lehrwerke verschiedener Epochen zeigt, dass es keine Lehrwerke gibt,
in denen Abtönungspartikeln nicht vorkommen.
Angesichts dieser Situation stellt sich die Frage, ob Lehrbuchautoren
überhaupt bewusst ist, dass sie Abtönungspartikeln in ihren
Dialogen benutzen:
Sie erscheinen wohl nur, weil es kaum möglich ist, natürlich klingende Dialoge ohne Modalpartikeln zu verfassen. (Pittner 2010: 8).
Oft werden sie überhaupt
nicht thematisiert, und in keinem einzigen Lehrwerk werden sie
systematisch behandelt.
Dass Abtönungspartikeln
im DaF-Unterricht derart vernachlässigt werden, mag auf der einen
Seite an ihrer Komplexität liegen, die die Sprachwissenschaft immer
noch nicht befriedigend beschrieben hat und die bis heute von der
Fremdsprachendidaktik nicht als vermittelbar dargestellt wird. Auf
der anderen Seite liegt es sicherlich auch an der Natur der
Abtönungspartikeln: Mit ihrer flexiblen Einsetzbarkeit, ihrer
schattenhaften lexikalischen Bedeutung, ihrer Unbetontheit,
ihrer Kürze – die meisten Abtönungspartikeln sind Einsilber –
und ihrer Unübersetzbarkeit – die aber nicht weiter ins Gewicht
fällt, weil ihr Erscheinen oder Nicht-Erscheinen keinerlei Einfluss
auf die Satzaussage hat –, werden sie als „unauffällig“ (May
2000: 394) oder als „unscheinbar scheinend[e] Wörter” (Paneth
1979: 470) empfunden, denen selbst Muttersprachler kaum Beachtung
schenken (Trömel-Plötz 1979: 319). Trotzdem rechtfertigt all dies
nicht die Diskrepanz zwischen der marginalen Rolle, die
Abtönungspartikeln in Lehrwerken
spielen, und dem
Ausmaß, in dem sie im lebendigen, vor allem dialogisch sich realisierenden all täglichen Gebrauch der Sprache vorkommen: Kaum in einem anderen Bereich ist die Diskrepanz zwischen Gelerntem und praktisch Anzutreffenden so groß. (Ferner 2002: 3)
3.2 Ausblick
Da es
unvermeidbar erscheint, dass auch schon Lernende auf dem Niveau A1
oder A2 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens die
Abtönungspartikeln
denn
in Fragesätzen und mal
in
Imperativsätzen (eventuell auch wohl
in
Aussagesätzen) antreffen, gibt es keinen plausiblen Grund, warum
Abtönungspartikeln nicht in Lehrwerken behandelt werden
sollen.14
Warum sollten Lernende nicht wissen, dass sie keine oder fast keine
lexikalische Bedeutung haben? Gerade in Ländern wie Italien, wo
Gestik und Mimik in der Interaktion eine große Rolle spielen, wäre
es doch eigentlich sehr einfach, die pragmatische Natur von
Abtönungspartikeln über non-verbale Mittel einzuführen, wie
Barkowski & Krumm (2010: 241) dies vorschlagen. Warum sollten
Lernende nicht erfahren, dass Abtönungspartikeln keine „normalen“
Wörter sind, sondern „pragmatische Operatoren“, die die
Relationen zwischen Sprecher, Hörer und dem geäußerten Sachverhalt
deutlich machen? Dies muss am Anfang nicht unbedingt so detailliert
geschehen wie in Tab. 6 aufgeführt und kann sicherlich weiter
vereinfacht werden:
- Pragmatische OperatorenMit wohl etikettiert der Sprecher dem Hörer gegenüber Gesagtes als persönliche Meinung, die er kooperativ und demokratisch mit H (dem Hörer) teilen möchte.Mit denn etikettiert S (der Sprecher) dem Hörer gegenüber Gefragtes als für ihn interessant freundlich.Mit mal etikettiert S (der Sprecher) dem Hörer gegenüber seine Aufforderung als netten Vorschlag.
Tab. 6: Vorschlag der Darstellung von
Abtönungspartikeln im Anfängerunterricht
Dass es Homonyme gibt –
man denke an Wörter wie Bank oder
finden –, ist für
Lernende normal. Warum sollten sie – nachdem sie schon in den
ersten Unterrichtsstunden auf die Abtönungspartikel denn
gestoßen sind – in dem Moment, in dem sie später auf den
Konjunktor denn
treffen, nicht erfahren, dass es sich um ein Homonym handelt? Dies
könnte didaktisch wie folgt umgesetzt werden:
- Denndenn 1 (pragmatischer Operator) → Ist kaum übersetzbar; mit denn lässt der Sprecher seine Frage freundlicher erscheinen.Die Ferien waren super. – Wo warst du denn?denn 2 (Konjunktor) → engl. because, it. perché
Ich bleibe zu Hause, denn ich habe Halsschmerzen.
Tab. 7: Vorschlag der Darstellung der
Abtönungspartikel denn im Glossar eines
Anfängerlehrwerks
Warum sollten Lernende
nicht wissen, dass Abtönungspartikeln in Hauptsätzen nicht im
Vorfeld stehen können? Sie müssen doch das Recht haben, darauf
hingewiesen zu werden, dass im Gegensatz zu den Sätzen
Vielleicht ist Achmed 20 und
Wahrscheinlich ist Achmed 20 der
Satz *Wohl ist Achmed 20 falsch
ist.
Natürlich
müssen Anfänger nicht auf die subtilen Unterschiede wohl
vs.
eben vs.
ja,
denn
vs.
überhaupt
vs. eigentlich
und
mal
vs.
doch
vs.
schon
(Tab.
3-5) hingewiesen werden. Ohnehin ist überlegenswert, welche
Abtönungspartikeln überhaupt im Anfängerunterricht berücksichtigt
werden sollen.15
Wenn man von ihrer Frequenz ausgeht, würde dies bedeuten, dass den
Abtönungspartikeln denn,
ja und
aber
Präferenz
eingeräumt werden müsste gegenüber wohl
oder
mal
und
erst recht gegenüber eigentlich
und
überhaupt.16
Dies
ist sicherlich ein erster Anhaltspunkt, aber es darf nicht die
kommunikative Relevanz vergessen werden. So wie niemand bezweifeln
wird, dass zu den allerersten Wörtern, die ein DaF-Lernender
benötigt, wenn er kommunizieren will, die Antwortpartikeln ja
und
nein
gehören,
was nichts mit ihrer Frequenz17
zu tun hat, kann nicht übersehen werden, dass in dem Moment, in dem
Lernende auf Imperativsätze stoßen, nicht nur automatisch bitte,
sondern auch zumindest die Abtönungspartikel mal
auftaucht.18
Daraus
können wir schließen, dass es sinnvoll erscheint,
Abtönungspartikeln an Sprachhandlungen zu koppeln: Wenn es im
Unterricht um freundliche Fragen geht – und dies ist bereits auf
Anfängerniveau der Fall –, dann muss die Partikel denn
thematisiert
werden. Wenn es – etwas später, aber immer noch auf Anfängerniveau
– um freundliche Vorschläge und Aufforderungen geht, dann muss
auch die Partikel mal
eingeführt
werden, und wenn es um Hypothesen und persönliche Meinungen
geht, dann könnten die Lernenden bald auch die Partikel wohl
kennen
lernen. Dabei sieht es in der Praxis so aus, dass im Gegensatz zu
denn
und
mal,
die aus Dialogen selbst aus Anfängerlehrwerken nicht
wegzudenken sind, auf dem Niveau A1 bzw. A2 des Gemeinsamen
europäischen Referenzrahmens der Ausdruck der persönlichen Meinung
oder Unsicherheit durch alternative lexikalische Mittel wie ich
denke, ich glaube oder
vielleicht erfolgt.19
Zweifelsohne
– dies sei hier ergänzend hinzugefügt – kann die Behandlung von
Abtönungspartikeln im Zusammenhang mit Sprachhandlungen auch ein
sinnvoller Moment sein, um Intonation – bekanntlich ein
weiteres Stiefkind des Fremdsprachenunterrichts – zu thematisieren
und einzuüben, denn beide beziehen sich auf den gesamten Satz.
Im
Rahmen eines systematischen
Umgangs mit Abtönungspartikeln,20
so wie er in DaF-Lehrwerken auch heute
noch nicht umgesetzt ist, müsste u. E. damit anfangen werden,
in denjenigen Texten, die Abtönungspartikeln
enthalten, auch auf ihr Vorkommen hinzuweisen. Dies nicht zu tun,
bedeutet, die Chance zu verschenken, Lernende auf ein sprachliches
Phänomen aufmerksam zu machen, das es in ihrer eigenen Sprache nicht
gibt. Dies schließt kontrastives Arbeiten nicht aus, bei der die
Inadäquatheit von Übersetzungsversuchen in Sprachen wie Englisch
oder Italienisch das Ergebnis bildet.
Induktives
Vorgehen ist immer begrüßenswert, denn etwas selbst zu entdecken,
erhöht die Sprachbewusstheit der Lernenden und führt zu einem
effektiveren Lernerfolg. Kognitive Erklärungen sollten „einer
Phase der Gewöhnung, Sensibilisierung und Neugier-Weckung”
(Barkowski & Krumm 2010: 241) folgen. Dabei könnten detaillierte
Erklärungen zu allgemeinen Charakteristika – wie der
Unübersetzbarkeit in Sprachen wie Englisch oder Italienisch und dem
topologischen Verhalten – und zur pragmatischen Funktion einzelner
Abtönungspartikeln schrittweise präsentiert werden. Kemme
(1979: 22) meint, dass theoretische Erklärungen im Unterricht nur in
bestimmten Fällen und erst nach Vorstellen einer Abtönungspartikel
anhand der Lektüre von Dialogen und dem eventuellen Vorspielen
dieser seitens der Lernenden gegeben werden sollten, denn für „viele
Schüler ist es nicht die explizite Regel […], sondern das innere,
durch Nachahmung und Hypothesenbildung erworbene Modell“, das eine
sprachliche Struktur festigt, auch wenn er zugibt, dass viele Schüler
explizite Regeln bevorzugen (Kemme 1979: 23).
Natürlich
können Abtönungspartikeln
auch praktisch eingeübt werden, z. B. in Rollenspielen, wobei
die Lehrperson helfend zur Seite stehen sollte. Die Erstellung
weiterer expliziter Übungen ist dabei nur von der Phantasie der
Unterrichtenden bzw. der Lehrwerkautoren begrenzt. Wichtig ist
immer, dass jede Übung einen klaren, pragmatischen Rahmen aufweist:
Einzelne kontextlose Sätze müssen rigoros vermieden werden und
das zu vermittelnde Register muss den Lernenden verdeutlicht werden.
Zu
vermeiden sind unter allen Umständen Drillübungen, die zu
Übergeneralisierungen des Gebrauchs einer bestimmten Partikel
seitens der Lernenden führen (Möllering 2004: 76). Das Problem der
Übergeneralisierung sieht auch Weydt (1984: 21) bei „kompetenten
Lernern“, die „sorgloser“ mit der Sprache umgehen und dann
beispielsweise die Partikel denn
übergeneralisierend
in jeder Frage benutzen.
Insgesamt
existieren unzählige Möglichkeiten, Abtönungspartikeln und ihre
Verwendung im Unterricht zu vermitteln. Sicher hat Jiang (1994:
51) nicht unrecht, wenn sie meint, dass das Problem nicht ist, welche
Abtönungspartikel wann und wie unterrichtet wird, sondern vielmehr,
dass die Lernenden ein Bewusstsein für dieses neue sprachliche
Phänomen entwickeln: Es geht darum, dass Abtönungspartikeln eben da
sind und den Lernenden „nicht mehr fremd” sein dürfen (Kemme
1979: 21). Dabei muss aber immer bedacht werden, dass Lernende allein
und ohne Systematisierung nicht weiterkommen: Es reicht keine full
immersion in
einer muttersprachlichen Umgebung, denn ohne „Anleitung nimmt
die Partikelkompetenz durch einen Deutschlandaufenthalt nicht zu, wie
etwa die Kompetenz in anderen Bereichen des Wortschatzes oder in der
Grammatik“ (Weydt 1984: 21). Selbst in Deutschland lebende
Ausländer, die die Sprache ungesteuert erlernen, verwenden
Abtönungspartikeln weniger häufig als deutsche Muttersprachler
(Kutsch 1985 u. a.).21
Halten wir also
abschließend fest, dass Abtönungspartikeln nicht länger als
Parasiten in der Sprache gesehen werden sollten, sondern als
„Nutztiere” (Dalmas 2006: 417) – und zwar als nützlich für
die Lernenden in Hinblick auf ihre Kommunikationsfähigkeit, denn um
„als kompetent[e] und sozial akzeptabl[e] Sprecher angesehen
[zu] werden“ (Barkowski & Krumm 2010: 241), müssen sie
Abtönungspartikeln in ihrem Repertoire haben. Abtönungspartikeln
sind aber auch nützlich aus der Sicht von „cross-cultural
communication“ und „interlanguage pragmatics“ (Jiang 1994:
51):
Den Lernenden wird klar, daß sie sich nicht nur ein paar Worte aneignen müssen, mit denen sie anfangs noch nichts anfangen können, sondern daß sie einer Eigenart des Deutschen auf der Spur sind; einer Eigenart zudem, die im Widerspruch zu stehen scheint zu dem angeblich so Direkten, Unverbindlichen, Unhöflichen, das oft das Deutsche in ihren Augen gegenüber ihrer eigenen Ausgangssprache auszeichnet. (Rösler 1983: 296)
Lassen wir uns dabei von
Hoffmann (2013: 410) ermuntern: Man braucht schon
„Reflexionsfähigkeit“, um den Nuancen der Abtönungspartikeln
nachzuspüren, was „aber sehr reizvoll“ sein kann.
4 Fazit
Es
ist eine leicht nachvollziehbare Tatsache, dass Lernende sich schwer
tun mit Wörtern, die keine lexikalische Bedeutung haben. Da die
Isolierung von Abtönungspartikeln als lexikalische Einheit
Schwierigkeiten bereitet, sollten diese am besten gar nicht als
Abtönungspartikeln, sondern von vornherein als pragmatische
Operatoren betrachtet werden, die wie Gestik, Mimik oder Intonation
dazu beitragen, die Sprecher-Hörer-Interaktion zu optimieren und die
wechselseitigen Beziehungen zwischen dem Sprecher, dem Hörer
und dem geäußerten Sachverhalt herauszukristallisieren.
Dass
Wörter ohne lexikalische Bedeutung problemlos von Lernenden
akzeptiert werden, sieht man an grammatischen Operatoren wie den
Subjunktoren. Ein Vergleich damit könnte Abtönungspartikeln und
ihre Rolle in der Sprache vielleicht auch leichter verständlich
machen: Subjunktoren wie dass,
weil, wenn als
syntaktische Operatoren klären die Art der Relation, die zwischen
dem im Hauptsatz ausgedrückten Sachverhalt und dem im Nebensatz
ausgedrückten Sachverhalt besteht,22
während Abtönungspartikeln wie wohl,
denn, mal als
pragmatische Operatoren die Art der Relation zwischen Sprecher, Hörer
und dem geäußerten Sachverhalt klären.
Das
Problem ist jedoch, dass Lernende es im Fremdsprachenunterricht nicht
gewohnt sind, pragmatische Dimensionen in Betracht zu ziehen, wogegen
es für sie normal ist, syntaktische Beziehungen zu analysieren und
zu abstrahieren. Für sie heißt Sprachenlernen meist Grammatik-
und Wortschatzlernen: Abtönungspartikeln fallen dabei in keine
dieser Kategorien (Jiang 1994: 101).
„[I]nteraktionale
Sprache als scheinbar natürliches Phänomen [wird] in Lehrwerken
unzureichend oder gar nicht thematisiert“, obwohl sie die
„häufigste Form der Sprachverwendung darstellt“, und ist so
„paradoxerweise“ den Lernenden fremd (Imo 2013: 15). Solange
die Pragmatik keinen Zugang zu den Klassenzimmern hat, wird dies so
bleiben, und Abtönungspartikeln sind dabei nur ein
Problemfeld neben zahlreichen anderen.
Der
Stellenwert der Pragmatik im Fremdsprachenunterricht muss also
überdacht werden. Lehrwerkautoren und Lehrer sollten beginnen,
neben der Vermittlung von Wortschatz, Grammatik, Phonologie und
Orthographie auch die pragmatischen Aspekte der sprachlichen
Interaktion systematisch in den Fremdsprachenunterricht einzubauen,
wenn sie die Lernenden darauf vorbereiten möchten, effektiv in
einer Fremdsprache zu kommunizieren. Sie sollten nicht vergessen,
dass der Klassenraum oft die einzige Lernumgebung darstellt, in der
ausprobiert werden kann, wie sich eine lebende Fremdsprache
„anfühlt“.
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1 Alle
Beispiele – sofern nicht anders angegeben – sind zwar frei
erfunden, könnten aber in jedem DaF-Lehrwerk auf A-Niveau des
Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens stehen. Sie entstammen
der standardisierten Alltagssprache.
2 Die
Großschreibung weist darauf hin, dass die jeweilige Silbe die
Hauptbetonung im Satz t.
3 Mit
Hörer (H) bzw. Sprecher (S) sind nicht nur Hörende bzw. Sprechende
gemeint, sondern auch Lesende bzw. Schreibende beiden Geschlechts.
4 Pittner
(2010: 3) hält es für wünschenswert, die Position von
Abtönungspartikeln im Mittelfeld vor dem Rhema bzw. vor dem Fokus
weiter abzuklären.
5 Für
Zifonun et al. (1997: 1212) stehen weniger spezifische
Abtönungspartikeln vor spezifischeren.
6 Emotionen
sind aufgrund ihrer Intensität abstufbar und gehen ineinander über,
wie es im Rad der Emotionen von Plutchik (2001: 348) dargestellt
wird: So geht Interesse leicht in Erwartung über, die ihrerseits
wiederum positiv in Freude oder negativ in Verärgerung umschlagen
kann. Auf Abtönungspartikeln bezogen heißt das, dass in einem Satz
wie Wo warst du denn?, in dem der Sprecher mit der
Abtönungspartikel denn sein Interesse an der Antwort
aufgrund ihrer Grundbedeutung (s. Tab. 2) signalisiert, neben
Freundlichkeit auch freudige Überraschung oder ungeduldige
Verärgerung mitspielen kann, was allerdings nicht durch die
Abtönungspartikel, sondern durch den Tonfall des Sprechers und die
Interaktionssituation bedingt ist.
7 Mit
dem Begriff Kontext ist hier sowohl der textuelle als der
situationale Kontext (wie die gemeinsame visuelle
Sprecher-Hörer-Erfahrung) gemeint.
8 Auf
die Bedeutung von Abtönungspartikeln in den Werken von Johann
Wolfgang von Kafka oder Heinrich Böll wies Weydt (1969: 84f, zitiert
nach Liefländer-Koistinen 1988: 565) schon früh hin.
9 In
Bühlers Organon-Modell bilden Sachverhalt, Sprecher und Hörer die
„drei variablen Momente“ des sprachlichen Zeichens als „Symbol
kraft seiner Zuordnung zu [...] Sachverhalten [hier SoA], Symptom
[...] kraft seiner Abhängigkeit vom Sender [hier Sprecher], dessen
Innerlichkeit es ausdrückt, und Signal kraft seines Appells an den
Hörer [hier H], dessen äußeres oder inneres Verhalten es steuert
wie andere Verkehrszeichen“ (Bühler 1999: 28). Abtönungspartikeln
als sprachliche Zeichen haben aus der Sicht dieses Modells
symptomatischen Charakter (sie drücken die „Innerlichkeit“ des
Sprechers aus, was er gegenüber Sachverhalt und Hörer empfindet)
und appellativen Charakter (der Hörer soll den Sachverhalt im Sinne
des Sprechers richtig einordnen und entsprechend reagieren).
Abtönungspartikeln haben keinen darstellenden, sondern einen
relationalen Charakter: Sie geben dem Hörer zu verstehen, ob er von
einem common
ground
ausgehen kann oder nicht.
10 Allerdings
ist auch diese Auffassung kontrovers. Für Nuyts (2001: 66) ist
probably ein neutraler epistemischer Ausdruck, der als nicht
weiter bezeichnete Subjektivität / Intersubjektivität kategorisiert
ist.
11 Laut
einer Umfrage des Goethe-Instituts Ende der 1970er sind
Abtönungspartikeln „eines der meistgenannten Problemfelder“
(Kemme 1997: 4).
12 Es
war Weydt, der in den 1960er Jahren mit der Veröffentlichung
grundlegender Studien zu Abtönungspartikeln begann und auch den
Terminus Abtönungspartikel prägte.
13 Mehr
zu Abtönungspartikeln in diesen und anderen Lehrwerken in Möllering
(2004: 75ff).
14 Nicht
nur Muhr (1989: 656) ist davon überzeugt, dass Abtönungspartikeln
prinzipiell erst ab der Mittelstufe – also ab dem Niveau B1 des
Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens – unterrichtet werden
sollten. Busse (1992: 55) rät, in früheren Lernstadien nur “ad-hoc
explanations” zu geben und Abtönungspartikeln als Teil
idiomatischer Phrasen vorzustellen.
15 Für
Glaboniat et al. (2005) gehört die Partikel wohl in
Deklarativsätzen zum rezeptiven Vokabular auf Niveau A1 des
Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens und zum produktiven
Vokabular auf Niveau B1, denn in Fragesätzen zum rezeptiven
Vokabular auf Niveau A2 und zum produktiven Vokabular auf Niveau B1,
mal als sprachliches Mittel in höflichen Aufforderungen oder
Bitten rezeptiv und produktiv auf Niveau B1. Die Abtönungspartikel
mal erscheint als Vokabular auf A1-Niveau nur in Chunks wie
sehen Sie (mal) oder hören Sie (mal).
16 So
rangieren in der Wortliste der Universität Leipzig (2011) der 1000
meist gebrauchten Wortformen, die nicht zwischen Homonymen
unterscheidet, aber auf Position 52, denn auf Position
186, ja auf Position 240, wohl auf Position 281, mal
auf Position 301, überhaupt auf Position 452 und eigentlich
auf Position 458. Eine quantitative Studie von vier Korpora
(Möllering 2004: 104-107) hat ergeben, dass ja die absolut
meist gebrauchte Partikel ist, gefolgt von auch, aber, mal, doch
und schon, denn, nur, eben.
17 Laut
Universität Leipzig (2011, s. vorherige Fußnote) ist ja weniger
frequent als aber, dass oder als; nein gehört
nicht zu den 1000 meist gebrauchten Wortformen des Deutschen.
18 Helbig
(1994:176) weist darauf hin, dass mal bei manchen Imperativen
hochgradig konventionalisiert ist: Hör mal (, Achmed)! vs.
*Hör (, Achmed)! oder Sag mal (, Achmed)! vs. *Sag (,
Achmed)!.
19 Auch
im Handbuch für die Goethe-Zertifikate Start 1 und Start 2
erscheinen in den Inventaren (Perlmann-Balme & Kiefer 2004:
104-202) denn und mal in vielen Beispielsätzen,
wogegen wohl in keinem Beispielssatz und auch nicht als zu
lernendes Lemma im Lernwortschatz auftaucht. Die Frage, in welcher
Reihenfolge Abtönungspartikeln im Unterricht behandelt werden
sollten, ist ohnehin kontrovers. So schlägt Vorderwülbecke (1981:
154) die Reihenfolge denn, eben, mal, ja, vielleicht, aber, doch,
eigentlich vor, Hepsöyler (1986: 222-3) hingegen denn, mal,
eben, wohl, schon.
20 Auch
im eben genannten Handbuch (Perlmann-Balme & Kiefer 2004) werden
Abtönungspartikeln nicht systematisch dargestellt: In der Wortliste,
die den aktiven A1- und A2-Lernwortschatz auflistet, gibt es nur zu
aber, ja, doch und mal Beispielsätze, die ihren
Gebrauch als Abtönungspartikeln erkennen lassen (im Falle von aber,
ja, doch in Gegenüberstellung zu Beispielen mit ihren
Homonymen). Zu denn und anderen Abtönungspartikeln erscheint
dagegen nur ein Beispielssatz, in dem sie nicht als
Abtönungspartikeln fungieren, obwohl sie in vielen anderen
Beispielssätzen im Inventar erscheinen.
21 Kotthoff
& Cole (1985: 2) beobachten weiterhin, dass Abtönungspartikeln
selbst in Äußerungen solcher DaF-Lernenden nicht auftauchen, die
kaum grammatische Fehler machen, komplizierte Sätze bilden oder gar
Szene-Jargon benutzen. Dabei haben diese Lernenden selbst „wenig
Bewusstsein für ihre interimssprachlichen pragmatischen Defizite”
(Kotthoff & Cole 1985: 2).
22 Der
dass-Nebensatz verbalisiert einen komplexeren Sachverhalt und
ist Objekt oder Subjekt des Hauptsatzes, der weil-Nebensatz
liefert einen Grund und ist Adverbial des Hauptsatzes, der
wenn-Nebensatz expliziert den temporalen oder konditionalen
Rahmen des Gesagten und ist Adverbial des Hauptsatzes.