Zur Förderung von Sprachkompetenz durch Interkomprehension
Maria Mushchinina (Mainz, Freiburg)
Abstract
(English)
The
present article deals with the phenomenon of intercomprehension and
with the use of intercomprehensive methods for language teaching.
Intercomprehensive methods are suitable not only to promote language
awareness and linguistic analysis skills, they also contribute
significantly to strengthening learner motivation. Therefore, they
can be used effectively for learning new languages as well as for
L1-teaching. An experiment using these methods will demonstrate the
potential of intercomprehensive methods for purposes of language
teaching.
Keywords:
Intercomprehension, L1-teaching, language comparison
In
dem vorliegenden Artikel wird das Phänomen Interkomprehension und
der Nutzen interkomprehensiver Methoden für die Sprachdidaktik
behandelt. Interkomprehensive Lehrmethoden eignen sich nicht nur zur
Förderung des Sprachbewusstseins und der sprachanalytischen
Fertigkeiten, sondern tragen wesentlich zur Stärkung der Motivation
im Sprachunterricht bei. Sie können deswegen nicht nur bei der
Erlernung neuer Fremdsprachen eingesetzt werden, sondern auch im
muttersprachlichen Unterricht. Anhand eines Experiments wird das
Potential dieser Methoden für den Sprachlernprozess
veranschaulicht.
Stichwörter:
Interkomprehension, L1-Unterricht, Sprachvergleich
1 Interkomprehension als sprachliches Phänomen
1.1 Wesen und Mechanismen der Interkomprehension
Bei
der Rezeption sprachlicher Signale versucht der Rezipient, eine
kohärente sprachliche Botschaft aus diesen zu inferieren. Mangelnde
Kenntnisse dieser sprachlichen Signale erschweren die
Inferenzziehung. Dennoch versucht der Rezipient, aus der
fremdsprachlichen Redekette Elemente herauszufiltern, die in einer
ihm bekannten Sprache – der Ausgangssprache – eine ähnliche Form
haben. Die Bedeutung solcher Elemente, mit denen er aufgrund seiner
Kenntnisse der Ausgangssprache vertraut ist, wird nun auf das
rezipierte Element übertragen (Scherfer 1994: 196)1.
Dabei wird geprüft, ob diese Bedeutung auch im fremdsprachlichen
Kommunikationskontext nachvollziehbar wäre. Der beschriebene
Sprachrezeptionsmechanismus kann okkasionell bei Rezeption einer
beliebigen Lautkette vorkommen. Systematisch kann er aber erst
beschrieben werden, wenn sich in der Kommunikation
Regelmäßigkeiten feststellen lassen, die wenigstens zum Teil
voraussagbar sind, d.h. eine bestimmte Anzahl an Elementen aufweisen,
die eine ähnliche Form und zumindest wenige gemeinsame
Bedeutungsmerkmale haben. Dies ist aber nur bei verwandten Sprachen
möglich. Das Phänomen, um welches es sich handelt, wird
Interkomprehension
genannt. Es bezieht sich auf die Kommunikation mit einem
Gesprächspartner, der eine dem Sprecher unbekannte, aber verwandte
Sprache spricht. Auch die Verstehensmechanismen bei der
Rezeption dieser fremden Sprache werden mit diesem Terminus
bezeichnet.
Die Interkomprehension im weitesten Sinne kann nicht nur bei sprachlicher Kommunikation, sondern auf allen Ebenen der menschlichen Kommunikation beobachtet werden – überall dort, wo sich Zeichensysteme zwar voneinander unterscheiden, aber aufgrund allgemeiner logischer Denkmuster oder äußerlicher Ähnlichkeit nachvollziehbar sind. Die sprachliche Kommunikation – als ein Kommunikationstyp mit besonders breiten Möglichkeiten der Informationsvermittlung – ist für die Beobachtung der Interkomprehension aus diesem Grunde besonders interessant. Die kognitiven Mechanismen haben in der sprachlichen Kommunikation bei verschiedenen Sprachen die gleiche Wirkung (Doyé 2010: 128f), aber die einzelnen Sprachen bedienen sich dabei formal anderer Mittel. Dies bedeutet, u.E. dass bei der Erlernung einer neuen Sprache eine neue formale Auffüllung der zu kommunizierenden Inhalte erworben werden muss. Jedoch ist die Art und Weise, in der diese neue Sprache verstanden wird, sprachübergreifend. Dies ermöglicht es, die Verstehensmechanismen bei der Interkomprehensionsforschung als Konstante zu betrachten und sich auf Eigenschaften der einzelnen Sprachen oder Sprachfamilien und die damit verbundenen Verstehensmöglichkeiten zu konzentrieren.
So wie Zeichen auf auditivem oder visuell-graphischem Wege kommuniziert werden können, so kann auch die Interkomprehension die mündliche und schriftliche Kommunikation betreffen. Der Kommunikationsweg könnte dabei die interkomprehensive Verständlichkeit u.E. sehr stark bestimmen – je nach grammatischen, phonetischen oder prosodischen Eigenschaften der Ausgangssprache und der Zielsprache.
Die Interkomprehension ist ein Phänomen, das bei der Erlernung einer Sprache an zeitliche und inhaltliche Grenzen gebunden ist. Sie bezieht sich auf die Anfangsphase der Erlernung einer Fremdsprache, in welcher der Rückblick auf vorhandenes Sprachwissen und die Inferenz der sprachlichen Botschaft die Grundlage für das Verstehen bildet. Die Rezipienten bzw. Lerner stützen sich dabei auf die Hypothesengrammatik (Hildenbrandt & Reuter 2011: 61), die sie aufgrund ihrer früheren sprachlichen Erfahrung konfigurieren. Sobald sich aber der Lerner die neue Sprache als System vorstellen kann, sobald er die sprachliche Botschaft überwiegend aufgrund der Ressourcen dieser neuen Sprache formt und nicht aufgrund seiner sprachlichen Erfahrung, handelt es sich nicht mehr um die Interkomprehension als ein spontaner Verstehensmechanismus, sondern um eine in höherem oder geringerem Grade systematische Auseinandersetzung mit der neuen Sprache.2 Da allerdings zwischen der Anfangsphase der Erlernung einer Fremdsprache und den weiteren Phasen ihrer Erlernung keine klare Grenze gezogen werden kann, könnte u.E. über Interkomprehension im strengen Sinne nur dann gesprochen werden, wenn der Rezipient mit der neuen Sprache zuvor nicht Kontakt getreten ist.
Zuletzt soll noch ein weiterer, für die Interkomprehension wesentlicher Aspekt genannt werden. Da die Interkomprehension auf der Analogiebildung zwischen einer bekannten und unbekannten Sprache basiert, kann diese Analogie durchaus zu Fehlinterpretationen führen. Deswegen ist das Phänomen der so genannten falschen Freunde – ebenso wie bei anderen Typen der sprachkontrastiven Auseinandersetzung mit Sprache, wie beispielsweise der Sprachtypologisierung oder der Translation – auch für die – vor allem didaktisch ausgerichtete – Interkomprehensionsforschung von zentralem Interesse.3
Im Hinblick auf die wichtigsten Fragestellungen der Interkomprehensionsforschung kann unterschieden werden zwischen (z. B. Besters-Dilger 2002):
Die Interkomprehension im weitesten Sinne kann nicht nur bei sprachlicher Kommunikation, sondern auf allen Ebenen der menschlichen Kommunikation beobachtet werden – überall dort, wo sich Zeichensysteme zwar voneinander unterscheiden, aber aufgrund allgemeiner logischer Denkmuster oder äußerlicher Ähnlichkeit nachvollziehbar sind. Die sprachliche Kommunikation – als ein Kommunikationstyp mit besonders breiten Möglichkeiten der Informationsvermittlung – ist für die Beobachtung der Interkomprehension aus diesem Grunde besonders interessant. Die kognitiven Mechanismen haben in der sprachlichen Kommunikation bei verschiedenen Sprachen die gleiche Wirkung (Doyé 2010: 128f), aber die einzelnen Sprachen bedienen sich dabei formal anderer Mittel. Dies bedeutet, u.E. dass bei der Erlernung einer neuen Sprache eine neue formale Auffüllung der zu kommunizierenden Inhalte erworben werden muss. Jedoch ist die Art und Weise, in der diese neue Sprache verstanden wird, sprachübergreifend. Dies ermöglicht es, die Verstehensmechanismen bei der Interkomprehensionsforschung als Konstante zu betrachten und sich auf Eigenschaften der einzelnen Sprachen oder Sprachfamilien und die damit verbundenen Verstehensmöglichkeiten zu konzentrieren.
So wie Zeichen auf auditivem oder visuell-graphischem Wege kommuniziert werden können, so kann auch die Interkomprehension die mündliche und schriftliche Kommunikation betreffen. Der Kommunikationsweg könnte dabei die interkomprehensive Verständlichkeit u.E. sehr stark bestimmen – je nach grammatischen, phonetischen oder prosodischen Eigenschaften der Ausgangssprache und der Zielsprache.
Die Interkomprehension ist ein Phänomen, das bei der Erlernung einer Sprache an zeitliche und inhaltliche Grenzen gebunden ist. Sie bezieht sich auf die Anfangsphase der Erlernung einer Fremdsprache, in welcher der Rückblick auf vorhandenes Sprachwissen und die Inferenz der sprachlichen Botschaft die Grundlage für das Verstehen bildet. Die Rezipienten bzw. Lerner stützen sich dabei auf die Hypothesengrammatik (Hildenbrandt & Reuter 2011: 61), die sie aufgrund ihrer früheren sprachlichen Erfahrung konfigurieren. Sobald sich aber der Lerner die neue Sprache als System vorstellen kann, sobald er die sprachliche Botschaft überwiegend aufgrund der Ressourcen dieser neuen Sprache formt und nicht aufgrund seiner sprachlichen Erfahrung, handelt es sich nicht mehr um die Interkomprehension als ein spontaner Verstehensmechanismus, sondern um eine in höherem oder geringerem Grade systematische Auseinandersetzung mit der neuen Sprache.2 Da allerdings zwischen der Anfangsphase der Erlernung einer Fremdsprache und den weiteren Phasen ihrer Erlernung keine klare Grenze gezogen werden kann, könnte u.E. über Interkomprehension im strengen Sinne nur dann gesprochen werden, wenn der Rezipient mit der neuen Sprache zuvor nicht Kontakt getreten ist.
Zuletzt soll noch ein weiterer, für die Interkomprehension wesentlicher Aspekt genannt werden. Da die Interkomprehension auf der Analogiebildung zwischen einer bekannten und unbekannten Sprache basiert, kann diese Analogie durchaus zu Fehlinterpretationen führen. Deswegen ist das Phänomen der so genannten falschen Freunde – ebenso wie bei anderen Typen der sprachkontrastiven Auseinandersetzung mit Sprache, wie beispielsweise der Sprachtypologisierung oder der Translation – auch für die – vor allem didaktisch ausgerichtete – Interkomprehensionsforschung von zentralem Interesse.3
Im Hinblick auf die wichtigsten Fragestellungen der Interkomprehensionsforschung kann unterschieden werden zwischen (z. B. Besters-Dilger 2002):
- solchen Ansätzen, in denen die interkomprehensive Sprachwahrnehmung systematisch auf sprachkontrastiver Grundlage zu erklären versucht wird (Interkomprehension im weiteren Sinne) (z. B. für slavische Sprachen Likomanova 2002, Tafel 2009), und
- solchen Ansätzen, die sich mit spontaner Interkomprehension beschäftigen (Interkomprehension im engeren Sinne).
Sowohl theoretisch als
auch empirisch – insbesondere didaktisch – hat das Phänomen der
Interkomprehension vor allem für die romanischen Sprachen in der
Forschung Fuß gefasst (Meißner 2010: 194f). Die slavische
Interkomprehension gewinnt in den letzten Jahren ebenfalls immer
mehr an Bedeutung. Zu nennen sind hierbei empirische Untersuchungen,
die sich z. B. auf die Wahrnehmung bisher nicht bekannter
Slavinen bei L3-Lernern (Heinz 2009a, Besters-Dilger 2002, Mehlhorn
2014), auf das oben genannte Phänomen der falschen Freunde (Heinz
2009b, auch Zybatow 2002: 359) oder auch auf die Sprachrezeption und
-produktion von slavischen Herkunftssprechern (Tichomirowa 2011,
Mehlhorn 2016) konzentrieren. Diese Untersuchungen wenden sich in der
Regel an Gruppen von Testpersonen, die eine oder mehrere Sprachen
beherrschen oder zumindest eine Zeitlang gelernt haben, welche mit
der jeweiligen getesteten L3-Sprache verwandt sind. Was den
Rezeptionsweg bei Untersuchungen zur spontanen
Interkomprehension angeht, so liegt der Schwerpunkt dabei in der
Regel auf der auditiven Rezeption. Im Gegensatz dazu wird in
didaktisch ausgerichteten Ansätzen der besondere Wert der visuellen
Wahrnehmung – insbesondere das Leseverstehen – betont (vgl. z. B.
Lutjeharms 2009: 145, Klein 2004: 17).
Obwohl die Interkomprehensionsforschung aus der Idee der Mehrsprachigkeit im modernen Europa entstanden ist und die – vor allem didaktischen – Betrachtungen dementsprechend bisher nur den jeweiligen Nationalsprachen galten, kann das Phänomen Interkomprehension im Grunde auch bei regionalen Sprachvarietäten beobachtet werden. Es stellt sich dabei jedoch die Frage, unter welchen Umständen in tatsächlicher Kommunikation solche interkomprehensionsrelevanten Situationen entstehen können. Sie wären auf jeden Fall okkasionell und für die Forschung daher schwer erfassbar. Daher wären solche Betrachtungen auch für die Fremdsprachendidaktik wenig fruchtbar.
Obwohl die Interkomprehensionsforschung aus der Idee der Mehrsprachigkeit im modernen Europa entstanden ist und die – vor allem didaktischen – Betrachtungen dementsprechend bisher nur den jeweiligen Nationalsprachen galten, kann das Phänomen Interkomprehension im Grunde auch bei regionalen Sprachvarietäten beobachtet werden. Es stellt sich dabei jedoch die Frage, unter welchen Umständen in tatsächlicher Kommunikation solche interkomprehensionsrelevanten Situationen entstehen können. Sie wären auf jeden Fall okkasionell und für die Forschung daher schwer erfassbar. Daher wären solche Betrachtungen auch für die Fremdsprachendidaktik wenig fruchtbar.
1.2 Einflussfaktoren der Interkomprehension
Unter
den Faktoren, die die Interkomprehension beeinflussen, sind vor allem
intralinguale Faktoren zu nennen. Da aber bei der Interkomprehension
systematische Kenntnisse der jeweiligen Fremdsprache fehlen,
kommt situationsbedingten, pragmatischen und extralingualen
Faktoren eine große Rolle zu.4
1.2.1 Intralinguale Faktoren
Eine systematische
Beschreibung intralingualer Faktoren bildet eines der Ziele der
Interkomprehensionsforschung. Eine bekannte Klassifizierung der
Ebenen, auf denen sich ein interkomprehensiver Sprachvergleich
vollzieht, wurde im Rahmen des EuroCom-Projektes zunächst für
romanische Sprachen entwickelt. Sie
wird aber auch bei der Betrachtung der
slavischen Interkomprehension verwendet. Dies ist das
Sprachfiltersystem der „7 Siebe“ (Klein & Stegmann 2000). Als
Filter werden dabei genannt:
- internationaler Wortschatz
- panslavischer Wortschatz
- Lautentsprechungen
- Graphien und Aussprache
- morphosyntaktische Elemente
- slavische syntaktische Strukturen und
- Affixe(Zybatow 2002: 360ff)
Die einzelnen Filter
werden im Rahmen des vorliegenden Beitrags nicht behandelt. Es
ist aber zu erkennen, dass in diesem System die primäre Rolle
lexikalischen Elementen zugesprochen wird, gefolgt von der
phonetischen, der graphischen und schließlich der grammatischen
Ebene. Diese Aufstellung erscheint uns sehr allgemein, denn einzelne
Filter könnten ihre Position in der genannten Reihenfolge ändern,
wenn sie auf einzelne Sprachenpaare bzw. auf unterschiedliche
Kommunikationswege (insbesondere den auditiven gegenüber dem
visuellen) angewendet würden.
1.2.2 Extralinguale Faktoren
Eine
weitere Frage der Interkomprehensionsforschung besteht darin, welche
Personen über bessere interkomprehensive Fähigkeiten verfügen.
Während zu solchen Faktoren wie dem Alter oder dem Vorhandensein
linguistischer Kenntnisse nur wenige Untersuchungen vorliegen
(z. B. Besters-Dilger 2002), scheint die Fähigkeit der
Nutzung und Operationalisierung des bereits vorhandenen Wissens
wichtig zu sein (Zybatow 2011: 134.). Relevant wäre demnach eine
aktive und regelmäßige Anwendung sprachanalytischer Methoden.
Ferner könnten die interkomprehensiven Fähigkeiten einer Person u. a. auf Besonderheiten der muttersprachlichen und fremdsprachlichen Unterweisung zurückzuführen sein, die die Rezipienten im Schulalter erlebten. So war z. B. die Fremdsprachendidaktik im slavischen Sprachraum im Vergleich zur westeuropäischen Sprachdidaktik tendenziell strukturalistisch geprägt und weniger an Kommunikation und Textlinguistik orientiert, was auch die Rezeption von Fremdsprachen beeinflussen könnte.
Die im jeweiligen Land erlebte Sprachpolitik kann als weiterer extralingualer Einflussfaktor der Interkomprehension betrachtet werden. So war im slavischen Sprachraum z. B. eine natürliche, im skandinavischen Stil durch das Schulsystem und die Medien unterstützte Mehrsprachigkeit innerhalb der eigenen Sprachfamilie tendenziell entweder einseitig – wie z. B. in der Ukraine oder Weißrussland – oder gar fremd – wie in Russland.
Ferner könnten die interkomprehensiven Fähigkeiten einer Person u. a. auf Besonderheiten der muttersprachlichen und fremdsprachlichen Unterweisung zurückzuführen sein, die die Rezipienten im Schulalter erlebten. So war z. B. die Fremdsprachendidaktik im slavischen Sprachraum im Vergleich zur westeuropäischen Sprachdidaktik tendenziell strukturalistisch geprägt und weniger an Kommunikation und Textlinguistik orientiert, was auch die Rezeption von Fremdsprachen beeinflussen könnte.
Die im jeweiligen Land erlebte Sprachpolitik kann als weiterer extralingualer Einflussfaktor der Interkomprehension betrachtet werden. So war im slavischen Sprachraum z. B. eine natürliche, im skandinavischen Stil durch das Schulsystem und die Medien unterstützte Mehrsprachigkeit innerhalb der eigenen Sprachfamilie tendenziell entweder einseitig – wie z. B. in der Ukraine oder Weißrussland – oder gar fremd – wie in Russland.
2 Interkomprehensive Methoden im Sprachunterricht
2.1 Sprachkontrastive Methoden
Sprachkontrastive
Lernmethoden können
auf verschiedenen
Ebenen des
Sprachenerlernens und in unterschiedlichem Umfang eingesetzt
werden. In einigen Kompetenzbereichen – insbesondere
bei der Erlernung einzelner Fremdsprachen für Forschungszwecke
– erweitern an der kontrastiven Linguistik orientierte
Lernmethoden die (metasprachlichen) Kenntnisse über Sprache als
Mittel der Kommunikation und Informationsvermittlung. In anderen
Bereichen – wie z. B. in der Translation – ergibt sich der
Einsatz dieser Methoden aus dem Wesen der Sprachkompetenz selbst. Im
Gegensatz zum einsprachigen Unterricht appellieren diese
Methoden stärker an die vorhandene Spracherfahrung der Lerner und
stärken deren bewusste Wahrnehmung auch der Ausgangssprache.
Einen besonderen Fall der an der kontrastiven Linguistik orientierten Fremdsprachendidaktik bilden die hier interessierenden interkomprehensiven Methoden. Während bei klassischen sprachkontrastiven Lehrmethoden eine systematische Analyse von Sprachstrukturen eingesetzt wird, stehen bei interkomprehensiven Methoden allgemeine sprachanalytische Fertigkeiten im Vordergrund. Sie werden dadurch gefördert, dass die Inferenzziehung bei geringen Sprachkenntnissen durch das zwangsläufige „Raten“ und eine Bildung von Deutungsvarianten geschult wird. Interkomprehensive Methoden sind in zweierlei Sicht effektiv, denn sie fördern das Sprachbewusstsein und besitzen ein großes Motivationspotenzial.
Die – bewusste oder unbewusste – semantische und pragmatische Analyse der Kommunikationssituation begleitet eine jede interkomprehensive Situation. Wird eine solche Analyse gehäuft betrieben, so wird damit das Sprachbewusstsein (zum Begriff: Neuland 2002: 4) gefördert, was zur Steigerung sprachanalytischer Fähigkeiten führt. Interkomprehensive Methoden basieren auf der Verwendung von Paralleltexten und sind gut dafür geeignet, sprachliche Phänomene in diesen Texten auf verschiedenen Ebenen zu betrachten. Vor diesem Hintergrund fördern diese Methoden gleichzeitig die semasiologische, onomasiologische, stilistische und derivative Kompetenz.
Die von uns gemachten, informellen Beobachtungen hinsichtlich der Sprachkompetenz von Kindern im Grundschulalter und von solchen mit Migrationshintergrund führten zu dem Befund, dass die Kinder durchaus imstande sind, Sprache als ein semiotisches System wahrzunehmen. Ihre onomasiologische Kompetenz kommt dabei im Vergleich zu ihrer semasiologischen Kompetenz zwar klarer zum Ausdruck – insbesondere zeigen sie bessere Ergebnisse bei Übungen zur Synonymie und Antonymie, als bei Übungen zur Feststellung und Erklärung der Mehrdeutigkeit. Unabhängig von diesem Unterschied verfügen die Kinder jedoch über eine sprachkontrastive Kompetenz – allein dadurch, dass sie in einer mehrsprachigen Umgebung aufwachsen. Dieses Faktum lässt sich als eine Grundlage für die Förderung der sprachsemiotischen Kompetenz, u.a. durch interkomprehensive Methoden, interpretieren.
Da die interkomprehensiven Methoden ein Erkennen des bereits Bekannten in einem neuen Kontext voraussetzen, rufen sie beim Rezipienten meist positive Aha-Effekte (Bär 2010: 282, Mehlhorn 2014: 158) hervor. Dadurch fördern sie besonders effektiv das Interesse für Sprachen und tragen zur Motivation der Lerner bei. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, können diese Effekte auch im muttersprachlichen Unterricht verwendet werden.
Die interkomprehensiven Methoden sind auch für Lehrende effektiv, denn auch ein geringer Umfang von Texten reicht für die Textanalyse und für die Förderung mehrerer Fertigkeiten aus: Die zu vergleichenden Elemente (z. B. Lexeme oder Morpheme) sind in äquivalenten Texten bereits vorgegeben. Der Vergleich kann dann vor dem Hintergrund gleicher stilistischer Eigenschaften direkt im Hinblick auf semantische – denotative und konnotative – Unterschiede der Lexik erfolgen. Bei Lernern mit geringen Sprachkenntnissen stellt dies eine wesentliche Erleichterung dar, denn es werden ihre Rezeptionsfertigkeiten angesprochen und nicht ihre Sprachproduktionsfertigkeiten.
Einen besonderen Fall der an der kontrastiven Linguistik orientierten Fremdsprachendidaktik bilden die hier interessierenden interkomprehensiven Methoden. Während bei klassischen sprachkontrastiven Lehrmethoden eine systematische Analyse von Sprachstrukturen eingesetzt wird, stehen bei interkomprehensiven Methoden allgemeine sprachanalytische Fertigkeiten im Vordergrund. Sie werden dadurch gefördert, dass die Inferenzziehung bei geringen Sprachkenntnissen durch das zwangsläufige „Raten“ und eine Bildung von Deutungsvarianten geschult wird. Interkomprehensive Methoden sind in zweierlei Sicht effektiv, denn sie fördern das Sprachbewusstsein und besitzen ein großes Motivationspotenzial.
Die – bewusste oder unbewusste – semantische und pragmatische Analyse der Kommunikationssituation begleitet eine jede interkomprehensive Situation. Wird eine solche Analyse gehäuft betrieben, so wird damit das Sprachbewusstsein (zum Begriff: Neuland 2002: 4) gefördert, was zur Steigerung sprachanalytischer Fähigkeiten führt. Interkomprehensive Methoden basieren auf der Verwendung von Paralleltexten und sind gut dafür geeignet, sprachliche Phänomene in diesen Texten auf verschiedenen Ebenen zu betrachten. Vor diesem Hintergrund fördern diese Methoden gleichzeitig die semasiologische, onomasiologische, stilistische und derivative Kompetenz.
Die von uns gemachten, informellen Beobachtungen hinsichtlich der Sprachkompetenz von Kindern im Grundschulalter und von solchen mit Migrationshintergrund führten zu dem Befund, dass die Kinder durchaus imstande sind, Sprache als ein semiotisches System wahrzunehmen. Ihre onomasiologische Kompetenz kommt dabei im Vergleich zu ihrer semasiologischen Kompetenz zwar klarer zum Ausdruck – insbesondere zeigen sie bessere Ergebnisse bei Übungen zur Synonymie und Antonymie, als bei Übungen zur Feststellung und Erklärung der Mehrdeutigkeit. Unabhängig von diesem Unterschied verfügen die Kinder jedoch über eine sprachkontrastive Kompetenz – allein dadurch, dass sie in einer mehrsprachigen Umgebung aufwachsen. Dieses Faktum lässt sich als eine Grundlage für die Förderung der sprachsemiotischen Kompetenz, u.a. durch interkomprehensive Methoden, interpretieren.
Da die interkomprehensiven Methoden ein Erkennen des bereits Bekannten in einem neuen Kontext voraussetzen, rufen sie beim Rezipienten meist positive Aha-Effekte (Bär 2010: 282, Mehlhorn 2014: 158) hervor. Dadurch fördern sie besonders effektiv das Interesse für Sprachen und tragen zur Motivation der Lerner bei. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, können diese Effekte auch im muttersprachlichen Unterricht verwendet werden.
Die interkomprehensiven Methoden sind auch für Lehrende effektiv, denn auch ein geringer Umfang von Texten reicht für die Textanalyse und für die Förderung mehrerer Fertigkeiten aus: Die zu vergleichenden Elemente (z. B. Lexeme oder Morpheme) sind in äquivalenten Texten bereits vorgegeben. Der Vergleich kann dann vor dem Hintergrund gleicher stilistischer Eigenschaften direkt im Hinblick auf semantische – denotative und konnotative – Unterschiede der Lexik erfolgen. Bei Lernern mit geringen Sprachkenntnissen stellt dies eine wesentliche Erleichterung dar, denn es werden ihre Rezeptionsfertigkeiten angesprochen und nicht ihre Sprachproduktionsfertigkeiten.
2.2 Einsatzmöglichkeiten interkomprehensiver Methoden
Interkomprehensive
Methoden werden vor allem im Fremdsprachenunterricht seit den 1970er
Jahren immer aktiver verwendet. Ihr positiver Einfluss auf den
Lernprozess wurde in der Literatur aufgrund von mehreren empirischen
Untersuchungen dargelegt (Doyé 2010, Meißner 2010, Bär 2010,
Behr 2010, Morkötter 2011, Abel 1971). Trotzdem wird in der
Literatur eine „didaktisch-methodische Separierung [...] in den
Einzelsprachen“ beklagt (Bär 2004: 67).
Wie oben erwähnt wurde, sind die Möglichkeiten der auf Interkomprehension basierenden Methoden auf typologisch miteinander verwandte Sprachen beschränkt. Je größer dabei der Verwandtschaftsgrad der Ausgangssprache (Mutter- oder Brückensprache) und der zu erlernenden Fremdsprache ist, desto leichter lassen sich interkomprehensive Methoden im Sprachunterricht einsetzen. Allerdings ist es kaum möglich, innerhalb ein und derselben Sprachfamilie für bestimmte Sprachenpaare eine Art "Rangliste" zu erstellen, die für gegebene Sprachenpaare einen Ähnlichkeitsgrad anzeigen würde, der für alle relevanten Parameter und auf allen Ebenen (z. B. grammatisch, lexikalisch, phonetisch, prosodisch) konstant wäre.
Die Wahl der Sprache, die bei der Erlernung mehrerer Sprachen einer Sprachfamilie als Brückensprache dienen soll, kann sich nach mehreren Kriterien richten – insbesondere nach grammatischen und soziologischen bzw. verwendungsbedingten Kriterien. Für slavische Sprachen ist außerdem zu berücksichtigen, dass bei visueller Rezeption die – lateinische oder kyrillische – Schrift eine entscheidende Rolle spielen kann, während sie bei auditiver Rezeption irrelevant ist. Zybatow ist insbesondere der Meinung, dass sich das Russische als eine Brückensprache für die Erlernung weiterer Slavinen eignet (Zybatow 1999). Die Wahl einer kleineren Slavine als Brückensprache wäre zwar aufgrund ihrer intralingualen Eigenschaften möglich, in der Praxis aber aus Gründen der geringeren Anwendungsmöglichkeiten der Sprachkenntnisse eher fraglich.
Für das weiter unten dargestellte Experiment zur Förderung der Russischkenntnisse mithilfe interkomprehensiver Methoden war diese Frage jedoch wenig relevant. Es war zwar danach zu fragen, ob es unter den Slavinen Präferenzen für den Einsatz dieser Sprachen im interkomprehensionsbasierten muttersprachlichen Unterricht geben kann, denn die jeweilige Slavine wird durch russische Muttersprachler unterschiedlich verstanden, und zwar jeweils auditiv oder visuell. Dennoch lag die Verwandtschaft auf lexikalischer Ebene im Zentrum der verwendeten Methode, und hierbei lassen sich keine deutlichen Präferenzen zugunsten einer bestimmten Slavine feststellen.
Wie oben erwähnt wurde, sind die Möglichkeiten der auf Interkomprehension basierenden Methoden auf typologisch miteinander verwandte Sprachen beschränkt. Je größer dabei der Verwandtschaftsgrad der Ausgangssprache (Mutter- oder Brückensprache) und der zu erlernenden Fremdsprache ist, desto leichter lassen sich interkomprehensive Methoden im Sprachunterricht einsetzen. Allerdings ist es kaum möglich, innerhalb ein und derselben Sprachfamilie für bestimmte Sprachenpaare eine Art "Rangliste" zu erstellen, die für gegebene Sprachenpaare einen Ähnlichkeitsgrad anzeigen würde, der für alle relevanten Parameter und auf allen Ebenen (z. B. grammatisch, lexikalisch, phonetisch, prosodisch) konstant wäre.
Die Wahl der Sprache, die bei der Erlernung mehrerer Sprachen einer Sprachfamilie als Brückensprache dienen soll, kann sich nach mehreren Kriterien richten – insbesondere nach grammatischen und soziologischen bzw. verwendungsbedingten Kriterien. Für slavische Sprachen ist außerdem zu berücksichtigen, dass bei visueller Rezeption die – lateinische oder kyrillische – Schrift eine entscheidende Rolle spielen kann, während sie bei auditiver Rezeption irrelevant ist. Zybatow ist insbesondere der Meinung, dass sich das Russische als eine Brückensprache für die Erlernung weiterer Slavinen eignet (Zybatow 1999). Die Wahl einer kleineren Slavine als Brückensprache wäre zwar aufgrund ihrer intralingualen Eigenschaften möglich, in der Praxis aber aus Gründen der geringeren Anwendungsmöglichkeiten der Sprachkenntnisse eher fraglich.
Für das weiter unten dargestellte Experiment zur Förderung der Russischkenntnisse mithilfe interkomprehensiver Methoden war diese Frage jedoch wenig relevant. Es war zwar danach zu fragen, ob es unter den Slavinen Präferenzen für den Einsatz dieser Sprachen im interkomprehensionsbasierten muttersprachlichen Unterricht geben kann, denn die jeweilige Slavine wird durch russische Muttersprachler unterschiedlich verstanden, und zwar jeweils auditiv oder visuell. Dennoch lag die Verwandtschaft auf lexikalischer Ebene im Zentrum der verwendeten Methode, und hierbei lassen sich keine deutlichen Präferenzen zugunsten einer bestimmten Slavine feststellen.
3 Interkomprehension im Russischunterricht – ein
Experiment
3.1 Zielsetzung und Ablauf
Das
hier beschriebene Experiment hatte zum Ziel, die sprachanalytischen
Kompetenzen der Teilnehmer in ihrer Muttersprache (Russisch) zu
fördern. Es fand in Saarbrücken statt. An dem Experiment nahmen
fünf Kinder im Alter von 9 bis 11 Jahren teil (im Folgenden
Teilnehmer genannt), in deren Familien russisch gesprochen wird. In
den Familien der Teilnehmer wird konsequent keine Sprachmischung
betrieben. Deutsche Lexik wird in die russische Rede nur in seltenen
Fällen – z. B. zur Bezeichnung fehlender Realia im Russischen
– implementiert. Die Teilnehmer verfügten im Russischen damit über
eine relativ gute mündliche Sprachkompetenz, obwohl ihre
Sprachkompetenz immer noch geringer war, als diejenige
gleichaltriger, in Russland lebender Kinder.
Die interkomprehensiven Übungen wurden bei 12 Sitzungen im Rahmen des auf Russisch gehaltenen Unterrichts eingeführt und nahmen pro Sitzung etwa 20 Minuten in Anspruch – bei einer allgemeinen Dauer von 45 bis 50 Minuten pro Unterrichtsstunde. Es wurden dabei Texte auf Polnisch, Bulgarisch, Tschechisch und Ukrainisch sowie äquivalente russische Texte verwendet. Als Textsorten wurden vor allem Märchen, Liedertexte, Gedichte und populärwissenschaftliche Texte gewählt.
Die Übungen umfassten sowohl eine vergleichende Analyse der Texte in zwei Sprachen als auch ansatzweise mündliche Übersetzungen aus einer der genannten Slavinen ins Russische. Letztere erfolgten jeweils nach einer Diskussion über die Lexik und nach einem Sprachvergleich. Dadurch wurden die Aufgaben durch die Teilnehmer nicht als sprachanalytische Aufgaben, sondern als leichte Rätselaufgaben oder Sprach- und Wortspiele aufgefasst. Zur Förderung der Motivation wurde darauf geachtet, die Grenzen der Sprachkenntnisse bei den Teilnehmern möglichst wenig offensichtlich werden zu lassen.
Der Schwerpunkt lag bei den Übungen auf der Erweiterung des Wortschatzes im Russischen. Insbesondere wurden Versuche der Teilnehmer unterstützt, Analogien zu den in anderen Texten behandelten Wortbeispielen zu ziehen. Bei Bedarf wurden aber auch die Fragen der Teilnehmer zur Morphologie, zur Aussprache sowie zur Landeskunde beantwortet. Als Gewinn der eingeführten Übungen darf die allgemeine Vorstellung über die verwendeten Slavinen betrachtet werden, welche die Teilnehmer im Rahmen dieser Übungen bekommen hatten, obwohl ein systematisches Erlernen dieser Sprachen nicht angestrebt war. Auf terminologische Bezeichnungen der jeweiligen Aufgabe oder Kompetenz wurde im Unterricht in der Regel verzichtet. Theoretische Informationen zu den oben genannten Analyseaspekten wurden den Teilnehmern nur ansatzweise vermittelt.
Die jeweilige Übungsart war auf die entsprechende Fertigkeit gerichtet. In den unten angeführten kurzen Texten werden beispielhaft Lexeme angeführt, zu denen Fragen zur Semantik, Wortbildung oder Stilistik behandelt wurden.
Die interkomprehensiven Übungen wurden bei 12 Sitzungen im Rahmen des auf Russisch gehaltenen Unterrichts eingeführt und nahmen pro Sitzung etwa 20 Minuten in Anspruch – bei einer allgemeinen Dauer von 45 bis 50 Minuten pro Unterrichtsstunde. Es wurden dabei Texte auf Polnisch, Bulgarisch, Tschechisch und Ukrainisch sowie äquivalente russische Texte verwendet. Als Textsorten wurden vor allem Märchen, Liedertexte, Gedichte und populärwissenschaftliche Texte gewählt.
Die Übungen umfassten sowohl eine vergleichende Analyse der Texte in zwei Sprachen als auch ansatzweise mündliche Übersetzungen aus einer der genannten Slavinen ins Russische. Letztere erfolgten jeweils nach einer Diskussion über die Lexik und nach einem Sprachvergleich. Dadurch wurden die Aufgaben durch die Teilnehmer nicht als sprachanalytische Aufgaben, sondern als leichte Rätselaufgaben oder Sprach- und Wortspiele aufgefasst. Zur Förderung der Motivation wurde darauf geachtet, die Grenzen der Sprachkenntnisse bei den Teilnehmern möglichst wenig offensichtlich werden zu lassen.
Der Schwerpunkt lag bei den Übungen auf der Erweiterung des Wortschatzes im Russischen. Insbesondere wurden Versuche der Teilnehmer unterstützt, Analogien zu den in anderen Texten behandelten Wortbeispielen zu ziehen. Bei Bedarf wurden aber auch die Fragen der Teilnehmer zur Morphologie, zur Aussprache sowie zur Landeskunde beantwortet. Als Gewinn der eingeführten Übungen darf die allgemeine Vorstellung über die verwendeten Slavinen betrachtet werden, welche die Teilnehmer im Rahmen dieser Übungen bekommen hatten, obwohl ein systematisches Erlernen dieser Sprachen nicht angestrebt war. Auf terminologische Bezeichnungen der jeweiligen Aufgabe oder Kompetenz wurde im Unterricht in der Regel verzichtet. Theoretische Informationen zu den oben genannten Analyseaspekten wurden den Teilnehmern nur ansatzweise vermittelt.
Die jeweilige Übungsart war auf die entsprechende Fertigkeit gerichtet. In den unten angeführten kurzen Texten werden beispielhaft Lexeme angeführt, zu denen Fragen zur Semantik, Wortbildung oder Stilistik behandelt wurden.
Zur
Förderung der semantischen – onomasiologischen und
semasiologischen – Sprachkompetenz (Bezeichnung: sem)
wurden vor allem Übungen zur Bestimmung von Synonymie oder
Polysemie eingesetzt. Dabei wurde eine semantische Analyse durch
die Formulierung einer Definition oder die Anführung von
Verwendungskontexten einschließlich der Findung von Polysemie
in Lexemen und Wortverbindungen – sowie von synonymischen
Ausdrücken durchgeführt. Zur Förderung der morphologischen und
derivativen Kompetenz (Bezeichnung: deriv)
wurden Derivate für im Text verwendete sowie sinnverwandte Lexeme
gebildet. Weitere Übungen galten der Förderung stilistischer
(Bezeichnung: stil)
sowie etymologischer (Bezeichnung: etym)
Kompetenzen. Bei gemeinsamer indogermanischer Herkunft konnten die
betrachteten Lexeme auch mit deutschen Lexemen verglichen
werden: mnenie –
meinen, junyj –
Junge.
Eine weitere für die Teilnehmer interessante Komponente des Unterrichts war die Einführung und Besprechung phraseologischer Wendungen, Sprichwörter oder Rätsel, in denen die betrachteten Lexeme vorkamen, wie z. B. upominek: pominaj kak zvali ('schnell verschwunden'), ne pominaj lichom ('behalte mich in gutem Andenken') (sem, stil).
Eine weitere für die Teilnehmer interessante Komponente des Unterrichts war die Einführung und Besprechung phraseologischer Wendungen, Sprichwörter oder Rätsel, in denen die betrachteten Lexeme vorkamen, wie z. B. upominek: pominaj kak zvali ('schnell verschwunden'), ne pominaj lichom ('behalte mich in gutem Andenken') (sem, stil).
3.2 Beispieltext
In
dem folgenden kurzen Text (Tab. 1) sind Lexeme markiert (a bis e),
die im Experiment bei der Analyse beispielhaft ausgewählt wurden:
- PolnischRussischDeutschNa brzegu (a) wschodniegomorza, w pobliżu (b) miasta Wonsana, mieszkała piękna dziewczyna.Zakochało się w niej trzech (c) przyjaciół. (...)Ten (d) młodzieniec, który przyniesie lepszy (e) upominek, powinien zostać wybrankiem jej serca.Na beregu (a) vostočnogo morja, vblizi (b) goroda Vonsana, žila krasivaja devuška. Poljubili ee troe (c) druzej.Tot (d) junoša, kotoryj prineset lučšij (e) podarok, stanet ee izbrannikom.An der Küste des (a) östlichen Meeres, in der Nähe der (b) Stadt Wonsan, lebte ein schönes Mädchen.Einmal verliebten sich in sie drei (c) Freunde.Derjenige (d) junge Mann, der das beste (e) Geschenk bringt, wird zu ihrem Auserwählten.
In der folgenden
Übersicht (Tab. 2) sind polnische und russische Wurzelmorpheme
bzw. Stämme markiert, die in Bezug auf Semantik, Wortbildung,
Etymologie und Stilistik behandelt wurden:
- Polnisch (1)Russisch (2)Analyse (ausgewählte Beispiele)awschodniVostočnyj(1) voschod: (Sonnen)aufgang, vschodit´: aufgehen, solnce vschodit: Die Sonne geht auf. (deriv);voschod – oriens –> oriental´nyj: orientalisch, orientacija: Orientierung (etym, sem, deriv);(2) vostok: Osten, na vostoke: im Osten, in Asien (sem)bMiastoGorod(1) mesto: Ort, Platz, Stelle (sem); mestečko: jüdisches Stetl, mestečkovyj: Adj. zu mestečko (sem, stil, deriv);mestoprebyvanie: Aufenthaltsort (deriv, sem);(2) gorod: Stadt (sem), gorodskaja mestnost´ (1): Stadtgebiet;gorodit´: umschließen, ograda: Zaun, gorodki: russisches Wurfspiel (sem, deriv, stil);grad: Stadt (stil), Leningrad, Wolgograd (deriv)cprzyjacielDrug(1) prijatel´: Kumpel, Freund (sem, stil), auch als Anrede;prijatel´ vs. drug (2) vs. znakomyj: Bekannter vs. tovarišč: Kamerad vs. frend: friend (sem, stil);prijatel´skij: freundschaftlich, neprijatel´: Gegner, Feind, (ne)prijazn´: Abneigung, Feindseligkeit,prijatnyj: angenehm, (ne)blagoprijatnyj: ungünstig (sem, deriv);(2) drug, nedrug: Feind, družeskij: freundschaftlich vs. družestvennyj: freundlich, befreundet, družit´: befreundet sein (sem, deriv);drug vs. drugoj: anderer (sem)kollega: Kollege, kollegial´nyj: kollegial (deriv, sem)kolležskij (sem)dmłodzie-niecjunoša(1) mladenec: Baby (sem); rebenok:Kind, novoroždennyj: Neugeborener, malyš: Kleiner, grudničok: Säugling, sosunok: Säugling , Grünschnabel (sem, stil);molodoj: jung, molodež´: Jugend,Jugendliche, mladoj: jung, mladšij: jüngerer (sem, deriv, stil);(2) junoša (sem); paren´: Kerl, Junge, pacan: Junge, otrok: Junge, Knabe, podrostok: Teenanger (sem, stil);junyj: jung, junošestvo: Jugend, junec: Grünschnabel (sem, deriv, stil)eupominekподарок(1) upominat´: erwähnen, pominat´: sich erinnern, pomin: Andenken, pominki: Gedenkfeier, pomnit´: gedenken, napominanie: Erinnerung, Mahnung, pamjat´: Gedächtnis, (deriv, sem, stil);mnenie: Meinung, dt. meinen (sem, etym);pominaj kak zvali: schnell verschwunden, ne pominaj lichom: behalte (mich) in gutem Andenken (sem, stil)(2) podarok: Geschenk (sem); dar: Geschenk, Gabe (sem, stil), podnošenie: Darbringung, vzjatka: Bestechung(sgeld), suvenir (fr. souvenir) (sem, stil);ne podarok: kein Geschenk (vom schlechten Charalter, sem, stil);darit´: schenken, blagodarit´: danken (deriv, sem)
Tab. 2: Analyse
ausgewählter Lexeme
4 Schlussfolgerung
Unser Experiment hat
gezeigt, dass die interkomprehensiven Übungen sowohl die allgemeine
analytische und semiotische Sprachkompetenz der Teilnehmer als auch
ihre Lernmotivation effektiv fördern. Dies wurde anhand ihrer
folgenden Verhaltensweisen deutlich, denn die Teilnehmer:
- fragten am Ende des Experiments wesentlich häufiger als am Beginn nach Erklärungen und weiteren Kommentaren zur lexikalischen Synonymie und Polysemie,
- zeigten Interesse an vorher nicht bekannten Ausdrücke und versuchten gegebenenfalls, diese Ausdrücke oder Sätze umzuformulieren,
- thematisierten gehäuft die formale und semantische Ähnlichkeit von Lexemen (Paronyme, Wortvarianten etc.),
- zeigten ein großes Interesse für morphologische Struktur der Lexeme,
- wurden für die Verwendungsmöglichkeit von Lexemen in verschiedenen Kontexten und Textsorten sensibilisiert. Insbesondere nahmen sie stilistische Konnotationen in der Lexik bewusst wahr.
Im Hinblick auf die
Lernmotivation wurden die eingeführten Übungen von den Teilnehmern
mit großem Interesse angenommen. Dies ist vor allem auf die durch
die Übungen hervorgerufenen, positiven Aha-Erlebnisse
zurückzuführen. Eine weitere positive Wirkung hatte der häufige
Wechsel der Betrachtungsperspektive in Bezug auf sprachliche
Phänomene.
Aufgrund der geringen Anzahl der Teilnehmer wurden die gemachten Beobachtungen nicht statistisch erfasst. Sie sind vielmehr als klare Tendenzen im Lernverhalten zu betrachten. Eine weitere – und dann auch quantitative – Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten interkomprehensiver Methoden im Sprachunterricht erscheint auf dieser Grundlage unbedingt sinnvoll.
Aufgrund der geringen Anzahl der Teilnehmer wurden die gemachten Beobachtungen nicht statistisch erfasst. Sie sind vielmehr als klare Tendenzen im Lernverhalten zu betrachten. Eine weitere – und dann auch quantitative – Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten interkomprehensiver Methoden im Sprachunterricht erscheint auf dieser Grundlage unbedingt sinnvoll.
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Apprentissage, enseignement, recherche – Lernen, Lehren, Forschung.
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_____________________
1 Zum Prozess der Worterkennung vgl. auch Lutjeharms 2002: 124ff und
Heinz 2009b:
154f.
2 Eine
Wort-für-Wort-Übersetzung eines Satzes oder Textes in einer
vollkommen
unbekannten Sprache ist somit ebenfalls keine
Interkomprehension, denn der
kommunikative Inhalt dieses Satzes bzw.
Textes wird aus Bausteinen der neuen Sprache
gestaltet.
3 Zur
Rezeption (laut)gleicher vs. sinngleicher Formen sowie zu den Fragen
der Interferenz
vgl. insbesondere Kroschewski 2000: 196ff Zur
Begriffsdefinition von Interferenz vgl. auch
Bordag 2006
(Transfer vs. Interferenz), Heinz 2009b (positiver vs. negativer
Transfer). Zu
psycholinguistischen Ansätzen über dieses Phänomen
siehe auch Klein 2002: 35ff
4 Zum
Kommunikationsverhalten bei Interkomprehension, vgl. insbesondere
Scherfer 2002:
82ff