Betonungsfehler im Fachfremdsprachenunterricht
Englisch in der tertiären Bildung –
eine empirische Untersuchung
Ronald Kresta (Gießen)
Abstract
(English)
There
are frequent and noticeable word stress errors in English-language
presentations given by engineering and computer science
students in technical English classes at German colleges and
universities. When engineers and other professionals use English as
a foreign language on the job, incorrect word stress can lead to
misunderstandings, especially when these errors co-occur
with mistakes in pronunciation. In an empirical investigation of 308
students, the role of this kind of prosodic errors, including their
scope, type and frequency, is analyzed and the results are
presented. Based on the corpus data, potential causes of these
errors are proposed and exercises are introduced that can be used in
class to sensitize students to this problem.
Keywords: English for special
purposes, presenting, pronunciation errors, word stress, word stress
errors
Abstract
(Deutsch)
In
englischsprachigen Vorträgen von Fachhochschulstudierenden in
technischen Studiengängen sind häufig auffällige
Wortbetonungsfehler festzustellen. Bei der tatsächlichen
Verwendung des Englischen durch deutsche Ingenieure und andere
Fachleute können Wortbetonungsfehler durchaus zu Missverständnissen
führen, insbesondere wenn diese in Verbindung mit Aussprachefehlern
auftreten. In einer empirischen Untersuchung von 308
Studierenden wird die Rolle solcher prosodischen Fehler
einschließlich des Umfangs, der Art und Häufigkeit
analysiert, und es werden die Ergebnisse vorgestellt. Auf der
Grundlage der Korpusdaten werden mögliche Ursachen für diese
Fehler vorgeschlagen und Übungstypen vorgestellt, die im Unterricht
eingesetzt werden können, um Lernende für dieses Problem zu
sensibilisieren.
Stichwörter: Fachsprache
Englisch, Vortragstechnik, Aussprachefehler, Wortbetonung,
Wortbetonungsfehler
1 Einleitung
Wohl
die meisten der im Bereich des Fachfremdsprachenunterrichts Englisch
im tertiären Bereich des deutschen Bildungswesens tätigen Dozenten
kennen die Aussprache- und Betonungsprobleme ihrer Studierenden oder
auch praktizierender deutscher Fachleute und arbeiten diese
beim Fachsimpeln mit Kollegen bisweilen gern anekdotisch auf.
Besonders solche Situationen, in denen eine inkorrekte Betonung ein
Missverständnis verursacht, sind unter Englischdozenten
beliebte Themen. Zu den typischen Anekdoten zählt beispielsweise
der Studierende, der im Englischunterricht angab, er habe als
Praktikant in der „/və.‘rɛn.ti/
department“
(statt /‘wɔr.ən.ti/
für warranty)
gearbeitet. Noch unterhaltsamer sind Missverständnisse in
konkreten Situationen, in denen durch einen Betonungsfehler ein
anderes Wort als das gemeinte verstanden wird, wie z. B. im
Falle eines deutschen Informatikers, der einer englischen
Muttersprachlerin berichtete: We always
put important statistics in the
/‘rɛf.ju:s/,
die daraus schloss, dass wichtige Statistiken gelöscht werden, da
sie statt des beabsichtigten reviews
(/,ri.‘vjuwz/) das Wort refuse
(Müll, Abfall) verstanden hatte. Einen besonders peinlichen
Betonungsfehler beging ein deutscher Elektrotechniker, als er
sagte, dass wichtige
„/‘ɪm.pə.dənz/
calculations“
durchgeführt wurden. Das leise Gelächter der englischen
Muttersprachler konnte er nicht verstehen, bis er begriff, dass
diese impotence calculations
(also „Impotenzberechnungen“) anstelle des gemeinten
impedance calculations
(/,ɪm
‘pid.ənz/) verstanden hatten.
Es
drängt sich somit die Frage auf: Steckt vielleicht mehr hinter
solchen sprachlichen Beobachtungen als bloß Anekdoten? Wie häufig
sind die Betonungsfehler deutscher Lernender des Englischen
wirklich, mit welchen Wörtern haben sie die meisten Probleme, und –
vor allem – lassen sich diese Fehler systematisieren und erklären?
Da sich der Fachfremdsprachenunterricht Englisch
auf mehr als Anekdoten stützen sollte, ergibt sich die
Notwendigkeit, die Wortbetonungsprobleme deutscher und
deutschsprachiger Fachhochschulstudierender in technischen
Studiengängen ausführlich zu untersuchen – mit dem Ziel, Abhilfe
für die Lernenden zu schaffen.
Im
vorliegenden Beitrag werden die Ergebnisse einer empirischen
Untersuchung vorgestellt und erklärt. Diese ermöglichen
wichtige Aussagen über die Art, den Umfang und die Häufigkeit von
Betonungsfehlern bei deutschen und deutschsprachigen Studierenden.
Obwohl sich herausstellen wird, dass die analysierten Fehler in
vielen Punkten den Erfahrungen der meisten Dozenten für
technisches Englisch
entsprechen, bietet die Empirie eine solidere, wissenschaftliche
Grundlage, auf der pädagogische Entscheidungen im
Fachfremdsprachenunterricht getroffen werden können. Wie viele
Themen im Fachfremdsprachenbereich deutscher Fachhochschulen
und technischer Hochschulen wird dieses Thema in der Literatur
vernachlässigt. Die vorliegende empirische Studie stellt somit ein
Desiderat in der Forschung dar und kann der Verbesserung des
Fachhochschulunterrichts der Fremdsprache Englisch
dienen (vgl. ebenfalls Kresta 2014).
2 Allgemeine Überlegungen zur Wortbetonung
In
der Phonetik gehört die Wortbetonung zusammen mit den
Grenzsignalen, der Tonhöhe und Tonführung zu den suprasegmentalen
Elementen – auch prosodische
Merkmale genannt (Digeser 1978: 167) – und
ist für das Englische bereits ausführlich untersucht worden (z. B.
Kingdon 1958, Lehiste 1970, Halle & Keyser 1971, Poldauf
1984, Couper-Kuhlen 1986, van der Hulst 2014). Die Wortbetonung wird
im Allgemeinen als ein Laut- und Druckunterschied verstanden,
der zur Hervorhebung einer Silbe in einem mehrsilbigen Wort dient.
Diese Hervorhebung geschieht vor allem durch die Lautstärke, einen
erhöhten Stimmton und eine längere Artikulationsdauer (Trask 1996:
336). Üblicherweise werden drei Wortbetonungsarten oder -stufen
unterschieden: der Hauptton (HT), der Nebenton (NT) und unbetonte
Silben (Roach 2010: 75).
Das
Betonungsmuster eines Wortes – d.h. die Position des Haupttons und
nebenbetonter oder unbetonter Silben – ist zwar in englischen
Wörtern auf bestimmte Silben festgelegt, diese lassen sich durch
Regeln aber nur schwer systematisieren. Bezüglich der
Vorhersagbarkeit der Betonungsregeln einer Sprache unterscheiden
Skandera & Burleigh (2011: 73) Sprachen mit vorhersagbaren
Betonungsmustern (wie das Französische und das Polnische) von
Sprachen wie dem Englischen, deren Betonungsregeln relativ „frei“
– d.h. schwer fassbar – sind. Bei diesen Sprachen ist die
Vorhersagbarkeit nur unter erheblichen Einschränkungen vorhanden.
Lernenden müssen die Betonungsmuster des Englischen daher
völlig arbiträr erscheinen. Die Tatsache jedoch, dass englische
Muttersprachler bei der Aussprache ihnen unbekannter Wörter wie
gigondas
(Französisch), moussaka
(Griechisch), zaventem
(Niederländisch) und tavola (Italienisch)
fälschlicherweise jeweils die vorletzte Silbe betonen, legt nach
Carrs (2013: 72ff) überzeugenden Ausführungen die Vermutung nahe,
dass der englischen Wortbetonung ein regelgeleitetes System zugrunde
liegt. Die Zahl der Regeln und Ausnahmen aber ist so groß, dass
häufig die Empfehlung ausgesprochen wird, das jeweilige
Wortbetonungsmuster als Sprachmerkmal des Einzelwortes zu
behandeln, wie dies bei der Aussprache allgemein und ebenso der
grammatischen Zugehörigkeit der Fall ist (Roach 2010: 76).
Versuche,
in englischen Wörtern Regeln für den Hauptton aufzustellen,
basieren auf der Silbenstruktur (Roach 2010: 76ff), auf
morphologischen Endungen (Arnold & Hansen 1968: 113ff, Fudge
1984: 40ff, Skandera & Burleigh 2011: 74, Carr 2013:
80ff), der Wortart (Carr 2013: 76ff) und der Wortetymologie (Dunstan
1921: 61f, Arnold & Hansen 1968: 111ff, Digeser 1978: 171ff).
Hinzu kommen im Englischen Wörter, die mehr als ein Betonungsmuster
aufweisen (inquiry, finance
(n), translate, comparable),
sowie die Unterschiede in der Wortbetonung zwischen den Varietäten
des Englischen. Beispiele hierfür sind located,
rotating, frustrated und
protester, die im BrE auf der vorletzten
Silbe, im AmE jedoch auf der ersten Silbe betont werden. Bei einer
solchen Vielfalt und scheinbaren Regellosigkeit dürfte es nicht
verwundern, dass Studierende in diesem Bereich auf Schwierigkeiten
stoßen.
3 Die Untersuchung
3.1 Das Korpus
Für
die Untersuchung der Betonungsprobleme deutscher bzw.
deutschsprachiger Lernender des Englischen wurde die mündliche
Leistung von insgesamt 308 Studierenden analysiert. Die Studierenden
verteilten sich auf 19 Gruppen mit Teilnehmerzahlen von vier bis 23
und waren in Master- oder Bachelorstudiengängen in den
Fachbereichen Informatik,
Verfahrenstechnik,
Angewandte Chemie und
Maschinenbau
eingeschrieben. Die Studierenden der ersten drei Fachbereiche
studierten an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg, während
die Maschinenbaustudierenden an der Technischen Hochschule
Mittelhessen (THM) ihr Studium an den Standorten Gießen und
Friedberg betrieben. Einzelheiten zur Aufteilung der
untersuchten Lernenden sind in Tabelle 1 aufgeführt:
Fachbereich
|
Anschluss
|
Gruppen
|
Teilnehmerzahl
|
Anteil
in Prozent
|
Verfahrenstechnik
|
Bachelor
|
8
|
146
|
47
|
Informatik
|
Master
|
4
|
54
|
18
|
Angewandte
Chemie
|
Master
|
2
|
29
|
9
|
Maschinenbau
|
Master
|
3
|
68
|
22
|
Maschinenbau
|
Bachelor
|
2
|
11
|
4
|
19
|
308
|
100
|
Tab. 1: Aufteilung der Studierenden im Korpus
Alle
Lehrveranstaltungen außer derjenigen im Bachelorstudiengang
Maschinenbau waren im jeweiligen Studiengang
Pflichtveranstaltungen. Etwas weniger als die Hälfte der
untersuchten Lernenden studierte Allgemeine Verfahrenstechnik oder
Energietechnik in der Fakultät Verfahrenstechnik,
während knapp ein Fünftel der Studierenden zum Fachbereich
Informatik gehörte,
in dem die zwei Masterstudiengänge Informatik
und Wirtschaftsinformatik
angeboten werden. Mit 9 % machten die Studierenden des
Masterstudiengangs Angewandte Chemie
der gleichnamigen Fakultät die kleinste Nürnberger Gruppe aus. Im
untersuchten Zeitraum änderte der Fachbereich Angewandte
Chemie die Studienordnung für den
Masterstudiengang, indem Englisch als Pflichtveranstaltung
abgeschafft wurde, so dass für diese Gruppe nur eine
Studiengangskohorte untersucht werden konnte. Weitere
Erklärungen für die ungleiche Verteilung der Studierenden sind
einerseits in den unterschiedlichen Größen der Fachbereiche und
andererseits in der Häufigkeit des Angebotes im jeweiligen
Studiengang zu suchen. Die kleineren Zahlen in den
Masterstudiengängen resultieren daraus, dass in diesen allgemein
geringere Teilnehmerzahlen als in Bachelorstudiengängen
vorliegen, auch wenn der Englischkurs in den Fakultäten Informatik
und Maschinenbau
jedes Semester angeboten wurde. Im Fachbereich Verfahrenstechnik
waren in den zwei angebotenen Bachelorstudiengängen über 150
Studierende eingeschrieben, allerdings wurde der Sprachkurs nur
jedes zweite Semester angeboten. Mit 4 % machen die
Maschinenbauer im Bachelorstudiengang an der THM Gießen /
Friedberg die kleinste Gruppe aus – vermutlich weil der
Englischkurs mit zwei Pflichtvorträgen im letzten Semester des
Untersuchungszeitraums zum zweiten Mal als Wahlpflichtkurs
angeboten wurde und deshalb im Fachbereich noch nicht bekannt war.
Fast
alle Studierenden (91 %) sprachen Deutsch als Muttersprache.
Nur 28 Studierende (9 %) hatten ihre Schulausbildung entweder
teilweise oder ganz in einem nicht-deutschsprachigen Land verbracht,
sprachen aber fließend Deutsch. Im Großen und Ganzen haben
sich diese Studierenden der deutschen Kultur angepasst und die
deutsche Sprache erworben, so dass die meisten bei ihnen
festgestellten Betonungsfehler im Englischen im Grunde mit denen
ihrer deutschen Kommilitonen identisch sind. Obwohl 16 der 28 oben
erwähnten Studierenden entweder ihre Schulausbildung im
nicht-deutschsprachigen Ausland abgeschlossen oder den größten
Teil ihrer Schulzeit außerhalb des deutschen Sprachraums
verbracht hatten, unterschieden sich ihre Betonungsfehler nicht
wesentlich von denen ihrer Kommilitonen.
Der
Untersuchungszeitraum der Untersuchung betrug dreieinhalb Jahre: vom
Wintersemester 2012 / 2013 bis zum Sommersemester 2015 /
2016. In ihren Lehrveranstaltungen sollten die Studierenden zwei
Fachvorträge von je 10 bis 15 Minuten halten. Die Dauer der
Vorträge wurde mit HiIfe einer Stoppuhr festgehalten, die
Vorträge wurden aber aus Datenschutzgründen nicht aufgezeichnet.
Stattdessen wurden während der Vorträge sprachliche Fehler
notiert, und es wurde für jeden Vortragenden zeitnah ein
Bewertungsbogen erstellt, in dem Angaben zur Vortragstechnik,
Aussprache, Grammatik und Lexik zusammengefasst wurden. Die
Betonungsfehler wurden im Ausspracheteil der Bewertung
verzeichnet. Während der Phase der Datensammlung wurden zur
Erleichterung der Datenanalyse Datenbanken und Tabellen in Word
erstellt.
3.2 Allgemeine Ergebnisse
Für
die 616 im Untersuchungszeitraum gehaltenen Vorträge wurden
sämtliche Vorkommen aller festgestellten Betonungsfehler gezählt.
Die Häufigkeit der einzelnen Betonungsfehler in den Vorträgen
war dabei sehr unterschiedlich: Während manche Fehler nur
einmal im Vortrag auftraten, kamen andere mehrfach vor. In der
vorliegenden Studie werden lediglich die Betonungsfehler pro
Vortragendem berücksichtigt, nicht jedoch jedes einzelne
Auftreten eines gegebenen Betonungsfehlers.
Weiterhin
ist festzuhalten, dass bei knapp einem Fünftel der Vortragenden die
Wortbetonung bei einigen Wörtern variierte: In demselben Vortrag
wurde für das gleiche Wort, das mehrfach vorkam, hier die korrekte
und dort eine inkorrekte Wortbetonung verwendet. Diese Fälle
wurden als Betonungsfehler gezählt, wenn die meisten Fälle mit
einem Betonungsfehler ausgesprochen wurden. Ansonsten waren bei
allen anderen festgestellten Betonungsfehlern innerhalb eines
Vortrags keine Schwankungen zwischen der richtigen und einer
abweichenden Betonung zu beobachten. In den Vorträgen waren
ebenfalls Betonungsmuster vorhanden, die zu einer Mischung der
englischen Varietäten führen, wie z. B. located
mit der Betonung auf der vorletzten Silbe (statt auf der ersten
Silbe wie im AmE) bei einem ansonsten amerikanischen
Aussprachevorbild, oder laboratory
mit der Betonung auf der ersten Silbe (statt auf der zweiten wie im
BrE) bei einem ansonsten britischen Vorbild. Solche Fälle wurden
nicht als Fehler gezählt. Betonungsmuster jedoch, die zwar im
Englischen vorkommen, aber auch hier als inkorrekt, regional
oder zumindest nicht als Standard gelten, wie beispielsweise report
mit der Betonung auf der ersten Silbe, wurden als Fehler gewertet.
Insgesamt
wurden 115 Stunden und 12 Minuten zusammenhängender Rede
beobachtet. Über zwei Drittel der Redner (67,5 %) trug ihre
Präsentationen mehr oder weniger spontan bzw. natürlich vor,
während die restlichen Vortragenden ihre Vorträge entweder zum
Teil oder vollständig ablasen. Die durchschnittliche Redezeit für
beide Vorträge pro Vortragendem betrug knapp 22,4 Minuten, und die
durchschnittliche Zahl von Fehlern pro Vortragendem lag bei 8,9. Die
Zahl der Fehler pro Vortragendem in den zwei Vorträgen reichte von
null bis 26 Betonungsfehlern – jeweils bei einem Studierenden. Es
wurden insgesamt 2747 Betonungsfehler und 1056 falsch betonte Wörter
gezählt. 80 % der falsch betonten Wörter bestanden aus zwei
(23 %), drei (30 %) oder vier (27 %) Silben. Nach
Abzug morphologischer Ableitungen (wie z. B. developed
und developing)
und Mehrfachkategorisierungen (wie beispielsweise die Anfangs- und
Endbetonung von develop
(/‘dɛv.ə.,lo:p/
und /,dɛv.ə.‘lo:p/)
blieben 906 verschiedene Wörter im Korpus, die falsch betont
wurden. Bei den meisten Wörtern (92 %) handelte es sich um
Simplizia, bei den restlichen 82 Wörtern um Komposita.
Eine
weitere interessante Statistik zeigt, dass die Gruppe der häufigsten
Betonungsfehler nur wenige Wörter beinhaltet: 6 % der
falsch betonten Wörter machen 46 % der Betonungsfehler aus,
und 71 Wörter (7,8 %) stellen bereits 51,1 % aller Fehler
dar. Andererseits sind im Korpus 842 falsch betonte Wörter,
die bei jeweils nur einem Studierenden vorkamen. Diese Zahl
entspricht lediglich 30,6 % aller Betonungsfehler, aber 93 %
der falsch betonten Wörter. Die 71 häufigsten Betonungsfehler sind
in Tabelle 2 aufgeführt. Die in der rechten Spalte angegebenen
Werte beziehen sich dabei auf die Zahl der Studierenden, die den
jeweiligen Fehler begingen. Für die Wörter develop,
parameter,
analysis
und development
wurden jeweils zwei Fehlertypen festgestellt 1) develop
(an 12. Stelle) und develop
(an 40. Stelle); 2) parameter
(an 13. Stelle) und parameter
(an 71. Stelle); 3) analysis
(an 18. Stelle) und analysis
(an 45. Stelle) und schließlich 4) development
(an 31. Stelle) und development
(an 58. Stelle). Nach Abzug dieser vier Doppelklassifizierungen
verblieben im Korpus 71 verschiedene, falsch betonte Wörter, die
über die Hälfte (1403 Fehler bzw. 51,1 %) aller
festgestellten Betonungsfehler ausmachten. Zu diesen 71 Wörtern
zählen sowohl allgemeinsprachliche Lexeme wie interesting,
percent,
mistake,
request
als auch fachspezifische Vokabeln, wie z. B. electrolysis,
polymer,
membrane
und particle1:
Fehler
|
Zahl
|
|
1
|
interesting
|
93
|
2
|
component
|
78
|
3
|
engineer
|
75
|
4
|
engineering
|
72
|
5
|
process
|
53
|
6
|
report
|
52
|
7
|
interested
|
39
|
8
|
operate
|
35
|
9
|
percent
|
33
|
10
|
surface
|
33
|
11
|
program
|
30
|
12
|
develop
|
26
|
13
|
parameter
|
26
|
14
|
result
|
26
|
15
|
Excel
|
25
|
16
|
determine
|
24
|
17
|
diameter
|
24
|
18
|
analysis
|
24
|
19
|
employee
|
23
|
20
|
cylinder
|
22
|
21
|
vehicle
|
20
|
22
|
fourteen
(2014)
|
20
|
23
|
years
old
|
20
|
24
|
generator
|
19
|
25
|
exam
|
17
|
26
|
product
|
17
|
27
|
dioxide
|
16
|
28
|
generate
|
16
|
29
|
good
afternoon
|
16
|
30
|
display
|
15
|
31
|
development
|
15
|
32
|
particle
|
15
|
33
|
monitor
|
15
|
34
|
machine
|
14
|
35
|
compound
|
14
|
36
|
purpose
|
14
|
37
|
colleague
|
13
|
38
|
transfer
|
13
|
39
|
thirteen
(2013)
|
12
|
40
|
develop
|
11
|
41
|
electrolysis
|
11
|
42
|
industry
|
11
|
43
|
polymer
|
11
|
44
|
cooperation
|
11
|
45
|
analysis
|
10
|
46
|
Berlin
|
10
|
47
|
series
|
10
|
48
|
square
meter
|
10
|
49
|
world
war
|
10
|
50
|
mistake
|
9
|
51
|
request
|
9
|
52
|
separate
(v)
|
9
|
53
|
laboratory
|
9
|
54
|
main
part(s)
|
9
|
55
|
access
|
8
|
56
|
fluid
|
8
|
57
|
deposit
|
7
|
58
|
development
|
7
|
59
|
technique
|
7
|
60
|
accuracy
|
7
|
61
|
membrane
|
7
|
62
|
turnover
|
7
|
63
|
analyze
|
7
|
64
|
evaporate
|
7
|
65
|
format
|
7
|
66
|
sensors
|
7
|
67
|
professor
|
6
|
68
|
effort
|
6
|
69
|
internship
|
6
|
70
|
maintenance
|
6
|
71
|
parameter
|
6
|
72
|
complicated
|
6
|
73
|
evaporator
|
6
|
74
|
investigate
|
6
|
75
|
worldwide
|
6
|
Während
die Fehlerhaftigkeit der allgemeinsprachlichen Lexeme wahrscheinlich
bei allen Studierenden bzw. deutschen Fachleuten festgestellt werden
könnten, würde eine ähnliche Untersuchung von Studierenden in
anderen Studiengängen – wie beispielsweise den
Wirtschaftswissenschaften – vermutlich andere fachspezifische
Wortbetonungsprobleme zu Tage fördern. Die Häufigkeit mancher
Betonungsfehler wie z. B. Excel
und interesting
lässt vermuten, dass eine lokalisierte Ausprägung des Englischen –
als „deutsches“ Englisch – im deutschen Sprachraum
allmählich einen Standardstatus annimmt.
3.3 Fehlerklassifizierung
Bei der Korpusanalyse
zeigte sich, dass Betonungsfehler bei allen herkömmlichen
Betonungsstufen (Haupt-, Nebenton und unbetonte Silben) sowohl
in Einzelwörtern als auch in Zusammensetzungen auftraten. Für die
Klassifizierung der Betonungsfehler wurden die folgenden vier
Kriterien zugrundegelegt:
- die Richtung der Verschiebung des Haupttons im englischen Wort
- die Zahl der verschobenen Silben im jeweiligen Wort
- die Tilgung oder Hinzufügung eines Nebentons im Wort
- das Unterlassen der schwebenden Betonung
Die ersten beiden
Kriterien sind für Abweichungen in der Realisierung des Haupttons
relevant, während das dritte Kriterium Nebentonfehler betrifft. Das
vierte Kriterium bezieht sich auf Betonungsfehler, die ausschließlich
in Zusammensetzungen vorkommen. Daraus ergeben sich für die
Klassifizierung der festgestellten Betonungsfehler drei
Hauptkategorien:
1)
Haupttonabweichungen
2)
Nebentonabweichungen und
3)
abweichende Betonung in Komposita
Diese
Kategorien werden im Folgenden näher erläutert.
3.3.1 Haupttonabweichungen
Bei
Haupttonabweichungen entsteht ein Betonungsfehler aufgrund einer
Verschiebung des Haupttons um eine bestimmte Silbenzahl nach
links oder nach rechts. Daher wird diese Kategorie weiter in
Linksverschiebungs- (LV-) bzw. Rechtsverschiebungsfehler
(RV-Fehler) unterteilt. Da in den analysierten Korpusbeispielen
die verschobene Silbenzahl zwischen einer und drei Silben liegt,
werden diese beiden Verschiebungsfehlertypen ihrerseits jeweils in
drei weitere Untergruppen unterteilt. In den Tabellen 2 und 3 ist die
Aufteilung der Haupttonabweichungen mit entsprechenden
Beispielen aus dem Korpus dargestellt:
Verschobene
Silbenzahl
|
Beispiele
|
LV1
|
percent,
machine, component, develop, determine,
|
LV2
|
guarantee,
engineer, engineering
|
LV3
|
acceleration,
contamination
|
Tab. 2: Linksverschiebungsfehler (LV)
Verschobene
Silbenzahl
|
Beispiele
|
RV1
|
concept,
patent, cylinder, particle
|
RV2
|
monitor,
interested, interesting, tabulated
|
RV3
|
categorized,
preparatory
|
Tab. 3: Rechtsverschiebungsfehler (RV)
3.3.2 Nebentonabweichungen
Betonungsfehler, die auf
einen abweichenden Nebenton zurückzuführen sind, entstehen dadurch,
dass der Englischlernende entweder eine unbetonte Silbe mit Nebenton
ausspricht oder umgekehrt eine nebenbetonte Silbe als unbetonte Silbe
realisiert. Daraus ergeben sich für die Fehlerklassifizierung zwei
Arten von Nebentonabweichungen:
1)
Eine unbetonte Silbe im englischen Wort wird mit Nebenton
ausgesprochen und
2)
Eine nebenbetonte Silbe im englischen Wort wird unbetont (d.h. als
/ə/) realisiert.
Beispiele für diese
beiden Untergruppen finden sich in Tabelle 4:
Nebentonabweichung
|
Beispiele
|
unbet.
Silbe ð
NT
|
surface,
flammable,
corporate
|
NT
unbet. ð
Silbe
|
cathode,
format, finite
|
Tab. 4: Nebentonabweichungen
Die Hinzufügung eines
Nebentons im Wort führt notwendigerweise zu einer
Phonemsubstitution. In den obigen Beispielen wird beispielsweise /ə/
jeweils durch /ɛɪ/
ersetzt (wie z. B. /‘flɛm.,ɛɪ.bl/
statt Englisch /‘flæm.ə.bɫ/)
für flammable).
3.3.3 Abweichende Betonung in Komposita
Bei
dem Fehlertyp Betonungsabweichung in Komposita
handelt es sich um die Unterlassung der schwebenden Betonung – auch
Doppelbetonung genannt
(Scherer & Wollmann 1972: 203ff) – in englischen Komposita.
Unter dem Begriff schwebende Betonung
(Englisch level stress)
versteht man die gleich starke Betonung zweier Elemente in einem Wort
oder einer Zusammensetzung (Arnold & Hansen 1968: 117). Fudge
(1984: 136) nennt solche Fälle phrasal stress
patterns und unterscheidet weiterhin
englische Komposita mit Anfangsbetonung (ice
cream) und solche mit Endbetonung (dollar
bill).
Bei
den 82 festgestellten, falsch betonten Komposita wird jeweils der
zweite Bestandteil der Zusammensetzung mit Nebenton ausgesprochen.
Auch wenn eine unbetonte Silbe zwischen den beiden hauptbetonten
Bestandteilen eines englischen Kompositums vorkommt, ist der
Betonungsfehler der gleiche:
- Abweichung in KompositumBeispieleHT+HT ð HT+NTmain part, square meter,
years old, steel cableHT+unbet.+HT ð HT+unbet+NTcompany premises,
Middle Ages, moving parts
Tab. 5: Abweichende Betonung in
Komposita
Obwohl die schwebende
Betonung auch im Deutschen vorkommt – z. B. in vielen
Adjektivzusammensetzungen wie steinreich,
stockfinster, spottbillig – wird
gelegentlich die Vermutung geäußert, dass sie im Englischen
häufiger auftrete als im Deutschen (Scherer & Wollmann 1972:
204). Eher zutreffend ist hingegen wohl die Feststellung, dass die
Doppelbetonung im Englischen und im Deutschen unterschiedlich
verteilt ist. Das gleiche Betonungsmuster kommt zwar in beiden
Sprachen vor, aber nicht bei denselben Lexemen (Arnold & Hansen
1968: 117).
3.3.4 Fehlertypen im Korpus – Tendenzen
Die
festgestellten Fehlerkategorien sind im Korpus unterschiedlich groß
ausgefallen; die wichtigsten Tendenzen sollen in diesem Kapitel
besprochen werden. Fehler wie report
(LV1), process
(RV1) und interesting
(RV2) machen im Korpus über drei Viertel (75,2 %) aller
identifizierten Betonungsfehler und knapp drei Viertel (73,4 %)
aller falsch betonten Wörter aus (Tabelle 7). Die drei Kategorien
unbetonte Silbe
NT (wie z. B. /‘pöɐ̭.,tʃɛɪs/
für purchase),
fehlende schwebende Betonung
und LV2-Fehler machen
zusammen weitere 20 % der Betonungsfehler und 21 % aller
falsch betonten Wörter aus. Bei der Kategorie LV2
bilden die zwei Wörter engineering
und engineer 86 %
aller LV2-Fehler.
Die
restlichen 3,2 % der Fehler verteilen sich über die Kategorien
NT
unbet. Silbe (z. B. /fɔɐ̭.mət/
anstatt /‘fɔ(r).,mæt/ für
format), LV3
und RV3. Die für die
neun aufgestellten Fehlertypen ermittelten Tendenzen sind in Tabelle
6 dargestellt:
- GruppeFehlerzahlFehler (%)HT-AbweichungenLV 176828,0LV 21726,2LV 340,1RV 175227,4RV 254419,8RV 3200,7NT-AbweichungenNT unbet.652,4unbet. NT1977,2Keine schwebende Betonung2258,2Gesamt2747100,0
Tab. 6: Fehlertypen - Tendenzen
Nach Gruppen aufgeteilt,
machen die Haupttonabweichungen die weitaus meisten Betonungsfehler
aus (82,2 %), während die Prozentwerte für die Kategorien
Nebentonabweichungen
und fehlende schwebende Betonung
deutlich geringer ausfallen. Unter den Haupttonabweichungen
überwiegen die Rechtsverschiebungsfehler (47,9 % aller
Fehler), während Linksverschiebungsfehler etwas mehr als ein
Drittel (34,3 %) der festgestellten Betonungsfehler ausmachen.
Sowohl bei Links- als auch bei Rechtsverschiebungsfehlern kann zudem
festgehalten werden, dass die Betonung in der Mehrheit der Fälle
(81,4 % aller Fehler) um eine oder zwei Silben verschoben wird.
Die Untergruppen RV3 und LV3 machen lediglich 0,8 % aller
Betonungsfehler aus. Obwohl die Nebentonabweichungen und die fehlende
schwebende Betonung weniger als ein Fünftel (17,8 %) aller
Betonungsfehler betragen, ist dies kein Hinweis darauf, dass diese
Kategorien weniger signifikant sind, da die Vorkommenshäufigkeit
solcher Wörter gegenüber der Gruppe der Wörter mit
Haupttonabweichungen vermutlich niedriger liegt.
4 Interpretation der Daten
4.1 Fehlerursachen – bisherige Erklärungsversuche
Zwar
lassen sich in den herkömmlichen Phonetik-Handbüchern (Arnold &
Hansen 1968, Digeser 1978, Scherer & Wollmann 1972) viele
brauchbare Hinweise zu Problemen finden, die deutsche Lernende mit
der Betonung im Englischen haben. Es sind jedoch offensichtlich nur
wenige Studien vorhanden, in denen solche Probleme empirisch
untersucht werden. Eine interessante Studie dieser Art ist Erdmann
(1973: 229ff), der die Betonungsfehler deutscher Lernender bei der
Aussprache von englischen Adjektiven auf die vier Endungen (-al,
-ative, -able und -atory)
untersucht. Bei den Adjektiven handelt es sich ausschließlich um
Wörter, für die es die entsprechenden Fremdwörter im Deutschen
gibt und die dort auf (-al, ativ, -abel
und -atorisch) enden.
Sein Korpus bestand aus 94 deutschen Lernenden – 58 Schülern und
36 Studierenden im ersten Semester. Die Probanden sollten Listen von
Adjektiven (einzelnen Wörtern) vorlesen und die hauptbetonten Silben
nennen.
Erdmann
stellt nach seiner Korpusanalyse eine sogenannte
Pseudo-Betonungsregel auf, wonach die Hauptbetonung in den
englischen Wörtern auf der Silbe liegt, die unmittelbar links von
der hauptbetonten Silbe im entsprechenden deutschen Wort steht. Das
Wort orthogonal z. B.
wird im Deutschen endbetont, und somit wird es laut Erdmanns
Betonungsregel von deutschen Lernenden auf der vorletzten Silbe
(orthogonal)
– anstatt auf der drittletzten Silbe wie im Englischen – betont.
Im vorliegenden Korpus ist dieses Wort auch vorhanden, allerdings lag
die Hauptbetonung nicht auf der vorletzten Silbe – wie Erdmanns
Regel voraussagt – sondern auf der ersten Silbe. Die Regeln für
die Setzung des Haupttons stellen laut Erdmann (1973: 229ff) eine
Modifikation derjenigen Regeln dar, die deutsche Muttersprachler
beherrschen. Seine Schlussfolgerung lautet, dass die analysierten
Betonungsfehler nicht die Folge von negativem Transfer (Interferenz)
sein können, sondern auf ein dazwischenliegendes System
(intermediate rule system)
hinweisen, das weder Deutsch noch Englisch ist, das aber von
Lernenden für Englisch gehalten wird.
Diese
Interpretation trifft nur teilweise zu: Endungen können durchaus an
einer fehlerhaften Betonung beteiligt oder sogar die Hauptursache
dafür sein. Auch in dem hier vorgestellten Korpus wurde
festgestellt, dass die Hauptbetonung bei bestimmten Endungen
systematisch verschoben wird. Bei Fehlern wie z. B. electrolysis
und analysis
wird die Hauptbetonung um eine Silbe nach rechts und bei Fehlern wie
calculator,
evaporator
und generator
um zwei Silben nach rechts verschoben. Diese Verschiebungsfehler sind
jedoch keine Belege für ein dazwischenliegendes System –
zumindest nicht in Bezug auf die Wortbetonung. Hinsichtlich der
Ursachen für solche Fehler scheinen vielmehr die entsprechenden
L1-Betonungsmuster in Wörtern mit den Endungen -lyse
und -ator eine Rolle
zu spielen.
Erdmanns
Schlussfolgerung, dass das Vorhandensein bestimmter
Wortakzentverlagerungen auf ein dazwischenliegendes System
hinweist, erscheint dennoch durchaus plausibel – und zwar
insofern, als man bei der Erlernung von L2 ein solches System
grundsätzlich annehmen kann. Dass dieses hybride System jedoch durch
die Modifikation von L1-Regeln durch Englischlernende entstehen soll,
leuchtet nicht vollkommen ein. Erdmanns Erklärungen für solche
Fehler rühren vermutlich daher, dass er von deutschen
Betonungsmustern ausgeht und nicht von englischen, wie in der
vorliegenden Studie. In dem oben erwähnten Beispielfehler
orthogonal
(für Englisch orthogonal)
wird laut Erdmann die Betonung um eine Silbe nach links
verschoben, während in der vorliegenden Studie ein solcher
Fehler als ein Rechtsverschiebungsfehler um eine Silbe (RV 1)
kategorisiert wird. Gleichgültig, ob von deutschen oder von
englischen Betonungsverhältnissen ausgegangen wird, lässt – wie
Erdmann richtig ausführt – die fehlerhafte Betonung
englischer Wörter mit strukturgleichen deutschen
Entsprechungen wie component,
machine
und parameter
–
und ebenso die fehlerhafte Betonung englischer Wörter ohne
strukturgleiche deutsche Entsprechungen wie determine,
develop
und result
– nicht auf einen negativen Transfer schließen, da in beiden
Fällen – mit einem und ohne ein strukturell identisches Vorbild in
der L1 – deutsche Betonungsmuster nicht auf englische Wörter
übertragen werden. Die Frage, die noch zu klären sein wird (vgl.
4.2), lautet daher: Wie kann ein solches, hybrides System entstehen?
Eine weitere
Untersuchung, in der Betonungsfehler bei einer größeren Zahl
deutscher Lernender untersucht wurden, ist diejenige von Dretzke
(1985), der sich auch mit den Hauptursachen für die Betonungsfehler
deutscher Lernender befasst. In seiner ausführlichen Studie über
die Ausspracheprobleme von etwa 400 Anglistikstudierenden im ersten
Semester analysierte er – einschließlich der Wortbetonung – 24
Merkmale, die in informellen Lesetests fehlerhaft ausgesprochen
wurden. Im Mittelpunkt seiner empirischen Studie standen jedoch nicht
die Häufigkeit bestimmter Aussprachefehler, sondern die Bewertungen
von Aussprachefehlern in 24 auf Tonband gesprochenen Texten durch 225
Muttersprachler des Englischen. Dretzke (1985: 177f) unterscheidet
dabei zwei Arten von Wortbetonungsfehlern, die „typisch deutsche
Falschaussprachen“ darstellen:
- „Fehler, bei denen das deutsche Betonungsmuster auf englische Wörter übertragen wurde“ (Dretzke 1985: 177), und
- Fehler, die „primär intralingualer Natur sind“. (Dretzke 1985: 178)
Als Beispiele für die
zweite Gruppe werden lediglich vier Verben mit Anfangsbetonung
angegeben (records,
object,
connect
und confirm),
die im Englischen endbetont werden (Dretzke 1985: 178). Unter dem
Begriff intralinguale Fehler
werden in der Zweitspracherwerbsforschung solche Fehler verstanden,
die auf eine unvollständige Erlernung bzw. Anwendung von L2-Regeln
durch den Lernenden hinweisen (Ellis 2008: 53). Intralinguale Fehler
werden auch als Erwerbsfehler
(developmental errors)
bezeichnet, da sie den Fehlern ähneln, die Kinder beim
Erstspracherwerb begehen (Ellis 2008: 53).
4.2 Fehlerursachen – ein neuer Erklärungsversuch
Obwohl die von Dretzke
(1985) vorgeschlagene Zweiteilung von Ursachen für Betonungsfehler
im Englischen durch deutsche Lernende im Großen und Ganzen
bestätigt werden kann, erlauben die in der vorliegenden Untersuchung
ermittelten empirischen Daten eine wichtige Präzisierung seiner
zweiten Kategorie der intralingualen Betonungsfehler. Für die
analysierten Korpusdaten lässt sich feststellen, dass die
intralingualen Fehler Fälle von Übergeneralisierung (Selinker 1972)
darstellen, da durch Linksverschiebungsfehler
L2-Betonungsmuster entstehen, die im Englischen häufig
vorkommen, jedoch bei anderen Wörtern. Für die Wortbetonungsfehler
deutscher Fachhochschulstudierender in technischen Studiengängen
gibt es also zwei Hauptursachen:
1) negativer
Transfer, also die Übertragung deutscher Betonungsmuster auf
englische Wörter, und
2)
Übergeneralisierung, also die Ausweitung einer Betonungsregel auf
Wörter, für die diese Regel nicht gilt.
Somit können für die
Betonungsfehler deutscher Fachhochschulstudierender zwei der fünf
von Selinker bereits 1972 postulierten, zentralen kognitiven
Prozesse bestätigt werden, die beim Zweitspracherwerb eine
wichtige Rolle spielen. Außer der Interferenz
und der Übergeneralisierung
nennt Selinker allgemeine Lernstrategien
(z. B. Vereinfachung), kommunikative
Strategien und den Transfer
von Unterrichtssprache.
4.2.1 Negativer Transfer
In
der Zweitspracherwerbsforschung wird allgemein akzeptiert, dass der
negative Transfer im phonetisch-phonologischen Bereich
zweifelsfrei vorhanden ist (Odlin 2003: 439, Ellis 2008: 55). Die
hier ermittelten Korpusdaten belegen, dass auch im Falle von
Betonungsfehlern der negative Transfer eine sehr wichtige Rolle
spielt: Von deutschen Betonungsmustern wird eindeutig Gebrauch
gemacht, auch wenn diese mit englischen Regeln vermischt werden. Bei
Fehlern wie patent, spare parts
und sensors
(d.h. /‘sɛn.,zɔɐ̭z/
statt /‘sɛn.sə(r)z/)
ist der negative Transfer zweifelsohne vorhanden. Bei vielen Fehlern
ist die Interferenz zumindest ein an der realisierten Wortbetonung
beteiligter Prozess, der mit englischen Ausspracheregeln
vermischt wird, wie z. B. in mechanism,
interesting,
interested,
purpose
und actuator.
Knapp
zwei Drittel (65,7 %) der analysierten Betonungsfehler scheinen
die Folge von negativem Transfer zu sein. Bei der fehlenden
schwebenden Betonung (z. B. main
part) und allen Rechtsverschiebungsfehlern
(z. B. processing)
werden deutsche Betonungsmuster auf englische Wörter übertragen. Im
Falle der Nebentonabweichungen wie /‘söɐ̭.,fɛɪs/
(statt /‘sɝ.fəs/
für surface), wird
die historische Orthografie im Englischen durch die phonemische
Rechtschreibung im Deutschen falsch interpretiert. In der Forschung
ist dieser Fehlertyp als Rechtschreibinterferenz bekannt (Carey
2009). Auch bei Linksverschiebungsfehlern mag in Ausnahmefällen
der negative Transfer eine Rolle spielen, z. B. bei Entlehnungen
aus dem Englischen, bei denen sich im Deutschen die Betonung
verschiebt, wie etwa Excel
(Englisch Excel), und
dann auf das Englische übertragen wird.
4.2.2 Übergeneralisierung
Bei
etwas mehr als dem übrigen Drittel der Fehler im Korpus (34,3 %)
wurden Linksverschiebungen festgestellt – oft mit dem Hauptton auf
der Anfangssilbe (technique,
hotel,
Excel).
Solche Fehler scheinen das Resultat eines vermeintlichen
Versuchs seitens der Englischlernenden zu sein, bestimmte Wörter
„Englisch“ klingen zu lassen. Lernende gehen jedoch nicht von
L1-Regeln aus, wie von Erdmann vorgeschlagen, sondern vielmehr von
der allgemeinen Tendenz im Englischen, wonach besonders bei
englischen Substantiven die Anfangssilbe häufig betont
wird. Über die Hälfte aller Linksverschiebungsfehler im Korpus
sind Substantive (component,
engineer),
wobei einschränkend erwähnt werden soll, dass zwei häufige
LV-Fehler (determine
[‘dɛt.ə(r).,maɪn] und develop
[‘dɛv.ə.l əp]) Verben sind.
Diese
allgemeine Tendenz der Anfangsbetonung im Englischen die bereits 1857
von dem bekannten Gymnasiallehrer Franz Ahn (157: 46ff) erkannt
wurde, wird nicht selten auch in Phonetik-Handbüchern erwähnt,
in denen versucht wird, Betonungsregeln aufzustellen, auch wenn es
freilich zahlreiche Ausnahmen gibt (Roach 2010: 76ff, Arnold &
Hansen 1968: 111ff). Das bedeutet, dass diese Fehler durch
Übergeneralisierung entstehen. Studierende in den technischen
Studiengängen haben die häufige Anfangsbetonung im Englischen
erkannt und verinnerlicht, wenden diese Regel aber bei den falschen
Wörtern an. In der Zweitspracherwerbsforschung wird unter dem
Begriff Übergeneralisierung
eine Ausweitung einer L2-Regel auf Strukturen verstanden, für die
diese Regel nicht gilt (Ortega 2009: 94f, Grosjean 2001: 12, Tarone
2001: 477, Selinker 1972: 217f). Die ausgeweitete L2-Regel scheint
eine Regel zu sein, die Lernende einfach finden und leicht
verinnerlichen können (Ellis 1997: 19). In der Forschung wird die
Übergeneralisierung bisweilen als ein Beispiel für einen
allgemeinen kognitiven Prozess beim Erst- und Zweitspracherwerb
angeführt und dient als Beweis für das Vorhandensein einer
Universalgrammatik bzw. eines von Chomsky postulierten universellen
Spracherwerbsmechanismus
(language acquisition device
(LAD) (Major 2001: 3f, Ellis 1997: 32).
Bei
einigen wenigen Fehlern könnte die Analogie im engeren Sinne als
plausible Erklärung angenommen werden. Besonders bei
Substantiven könnte ein Betonungsfehler durch die falsche
Analogiebildung mit ähnlichen englischen Wörtern verursacht werden
wie z. B. questionnaire
und engineer
in Analogie zu question bzw.
engine. Dies wird auch
bei Erdmann (1973: 240) als mögliche Ursache erwähnt. Bei den
Korpusdaten jedoch fällt dies als wichtige Tendenz kaum ins Gewicht.
4.2.3 Betonungsfehler und Verständlichkeit
In
der Forschung wird oft der Frage nachgegangen, inwieweit
Betonungsfehler zu einem Missverständnis führen bzw. die
erfolgreiche Kommunikation stören können. Benrabah (1997: 160) zum
Beispiel vertritt die Meinung, dass jeglicher durch Lernende
begangene Betonungsfehler wahrscheinlich zu einem Missverständnis
führt. Dretzke (1985: 178) stellt fest, dass ein „fremdartiges
Wortbetonungsmuster das Verstehen erheblich erschwert“. In
seiner empirischen Untersuchung über die Bewertung von
Aussprachefehlern durch 225 Muttersprachler des Englischen wurde
ermittelt, dass sich falsch betonte Wörter im schlechtesten
Drittel der Bewertungen befinden. Ob Betonungsfehler in Kombination
mit Phonemsubstitution wie beispielsweise /,ɛn.ə.‘laɪ.sɪs/
(statt /ə.‘næl.ə.sɪs/)
für analysis eine
noch beeinträchtigendere Wirkung auf die Verständlichkeit haben als
ein bloßer Betonungsfehler, bleibt laut Dretzke noch herauszufinden.
Gimson
(zit. nach Dretzke 1985: 178) ist der Ansicht, dass englische
Muttersprachler eine abweichende Lautung einschließlich falsch
betonter Wörter im Sinne der „korrekten“ Lautung neu
interpretieren und letzten Endes das Gemeinte verstehen, da der
Kontext, in dem eine Abweichung auftritt, meistens ausreichende Hilfe
für das korrekte Verständnis ermöglicht. In der vorliegenden
Untersuchung kann diese Feststellung Gimsons bestätigt werden.
Lediglich 88 Betonungsfehler (3,8 %) hätten in einer konkreten
– also nicht simulierten – Situation wahrscheinlich zu
Verständnisproblemen geführt, vermutlich weil diese Betonungsfehler
in Kombination mit Phonemsubstitutionsfehlern auftraten und die
beabsichtigte Bedeutung sich durch den Kontext nicht erschließen
ließ. Wie Dretzke (1985: 177f) ausführt, könnten Betonungsfehler
in Kombination mit Vokalsubstitutionen viel eher zu
Verständnisproblemen führen. Korpusbeispiele wie /‘saɪ.rɪndʒ/
statt /sə.‘rɪndʒ/
für syringe oder
/və.‘raɪ.ə.bl/
statt /‘vær.i.ə.bɫ/
für variable
stellen überzeugende Belege für diese Vermutung dar. Wie die
eingangs erwähnten Anekdoten zeigen, werden Missverständnisse
durch Betonungsfehler vermutlich am häufigsten dann verursacht,
wenn durch den Fehler die Interpretation eines anderen Wortes in
demselben Kontext möglich ist, wie z. B. /ɛk.‘sɛs/
statt /‘æk.,sɛs/
für access,
das als engl. excess
interpretiert werden könnte. Ohne ausreichenden Kontext könnte auch
die fehlende schwebende Betonung zu einem Missverständnis
führen, da dieser Fehler als Kontrastbetonung verstanden werden
könnte. Bei Fehlern wie the main
part oder the steel
cable (anstatt Englisch the
main part
bzw. the steel
cable)
beispielsweise könnte die erfolgreiche Kommunikation beeinträchtigt
werden, da der vom Muttersprachler erwartete Kontrast fehlt.
In
den meisten Fällen jedoch fallen Betonungsfehler zwar auf, haben
aber keine allzu große beeinträchtigende Wirkung auf das
Verständnis, da in dem jeweils gegebenen Kontext – und dies
besonders in einem Fachvortrag –
durch die visuelle Unterstützung der Folien die intendierte
Bedeutung der Lexeme erschließbar ist. Betonungsfehler zählen somit
„lediglich“ zu den akzentbeitragenden Fehlern deutscher
Lernender, wirken jedoch meist nicht kommunikationsstörend
(Kresta 2015: 133).
5 Gezielte Übungen im Unterricht
Im
Hinblick auf eine mögliche Abhilfe bei solchen lautlichen Fehlern
muss nach der eingehenden Erforschung der mündlichen Leistungen von
Fachhochschulstudierenden in den technischen Studiengängen im
Fach Englisch leider festgestellt werden, dass sehr viele
Studierende die Fossilisierungsphase im Sinne Selinkers (1972)
vermutlich bereits erreicht haben (hierzu auch Odlin 2003: 457,
Daniels 2000: 218f, Ellis 1997: 29). Obwohl besonders
Interferenzfehler der Gefahr der Fossilisierung ausgesetzt sind,
gelten diese an sich jedoch nicht unbedingt als Beweis für
Fossilisierung (Sheen 1980: 110). Ein Umlernen ist also immer noch
möglich, wenn Studierende für vorhandene Probleme mit der
englischen Wortbetonung sensibilisiert werden können, was im
Unterricht vor allem durch den Einsatz gezielter Übungen mit
besonderer Berücksichtigung der englischen Wortbetonung erreicht
werden kann. Anhand einer Reihe von PowerPoint-Folien
könnten einzelne Problemwörter sowie die Verwendung dieser Wörter
in Beispielsätzen im Unterricht geübt werden. Die bei der
vorliegenden
Korpusanalyse festgestellten, häufigsten
Fehler erscheinen zumindest für die technischen Fächer hierbei
als gut geeignete Problemwörter. Da bestimmte Endungen
betonungsbestimmend sind, wäre zusätzlich der Einsatz
morphembasierter Regeln als hilfreiche Übung denkbar –
besonders wenn diese im Fach häufig vorkommen, wie z. B.
barometer
und analysis,
bei denen die Hauptbetonung im Englischen auf der Silbe unmittelbar
vor der Endung liegt, und generator
und calculator,
bei denen die Hauptbetonung zwei Silben vor der Endung lokalisiert
ist.
Das
Training der häufigsten Fehlerbereiche ist bei werdenden Ingenieuren
vermutlich der wichtigste Übungstyp. In Abbildung 1 wird eine
Möglichkeit dargestellt, wie die Aussprache bzw. die korrekte
Betonung des Wortes engineer sowohl
einzeln als auch im Satz geübt werden kann:
Abb. 1: Übungsbeispiel für
Problemwörter: engineer
den Vorteil, dass die Lernenden jeweils nur ein Übungsbeispiel auf einmal sehen können. So kann der Dozent die Aufmerksamkeit aller Lernenden auf einzelne Problemwörter lenken, ohne dass einige der Lernenden sich gedanklich mit weiteren Übungsbeispielen befassen, bevor die eigentlichen Problemwörter behandelt werden. Bei der Übung kann Verschiedenes passieren:
- Das Wort wird einzeln falsch betont bzw. falsch ausgesprochen, im Satz aber korrekt realisiert, oder umgekehrt;
- Beide Vorkommen (einzeln und im Satz) können falsch – oder auch beide richtig – ausgesprochen werden.
Auch die korrekte
Betonung der Ableitung engineering
kann geübt werden. Mit Hilfe dieser Übung kann die auf die
prosodische Ebene gelenkte Aufmerksamkeit bei den Lernenden zu
einem verstärkten Bewusstsein beitragen.
Der zweite Übungstyp,
der hier vorgestellt werden soll, ist das Training häufiger
betonungsbestimmender Endungen im Fach. Die Abstraktionsebene dieser
Übung ist etwas höher, da sie von den Studierenden verlangt, das
Sprachsystem selbst zu analysieren und Tendenzen zu erkennen.
Der Ablauf der Übung im Unterricht kann wie folgt durchgeführt
werden: Der Dozent zeigt eine Folie mit einem Merkwort, das auch zu
den Problemwörtern in der vorherigen Übung zählen kann, und
spricht dieses für die Teilnehmer aus. Danach werden nacheinander
weitere, bis dahin nicht eingeblendete Beispiele von Wörtern mit
demselben Betonungsmuster gezeigt, damit jeder Lernende die
Gelegenheit bekommt, das behandelte Betonungsmuster einzuüben. Schon
vor der Übung kann der Dozent die Regel nennen und die Lernenden
während der Übung die Regel anwenden lassen – oder aber die Regel
nicht nennen, alle Beispiele auf einer Folie durch die Lernenden
aussprechen lassen und die Gruppe dann fragen, wie wohl die Regel
lauten mag. In Abbildung 2 ist ein Beispiel für eine
PowerPoint-Folie aus
einer Übungssammlung von betonungsbestimmenden Endungen dargestellt:
Abb.
2: Übungsbeispiel für die Endung -meter
Die zu vermittelnde
Betonungsregel ist sehr einfach; die Studierenden können diese schon
während der Übung rasch erkennen und so für solche
Betonungsprobleme sensibilisiert werden. Wie in Abbildung 2 zu
sehen ist, können auch wichtige Ausnahmen behandelt werden, sofern
diese vorkommen.
Die
Einübung betonungsbestimmender Endungen ist nichts anderes als eine
moderne Version der Übungen von Äußerungstypen (pattern
drills) der audiolingualen Methode, die
ab den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts jahrzehntelang zu
den wichtigsten Ansätzen des Fremdsprachenunterrichts zählte (Glück
2005: 68, Stern 1983: 462ff). Beispiele für weitere Merkwörter mit
betonungsbestimmenden Endungen, für die sich mit Blick auf eine
solche Übung zahlreiche Einzelfälle finden lassen, sind:
analysis, photonics, administrator,
circular, rheology und typography.
Auch
andere Übungen ließen sich hier einsetzen, wie z. B. solche,
bei denen die Betonungsverhältnisse im Englischen mit der Wortart
zusammenhängen. Obwohl anhand solcher Darstellungen wichtige
systemische Beziehungen aufgezeigt werden können, sind solche
Aufgaben für Studierende technischer Studiengänge nicht immer
zweckmäßig, da viele Ausnahmen vorhanden sind. In der Reihe
analyze,
analysis,
analytical
beispielsweise sind je nach Wortart drei Haupttonpositionen
vorhanden, während es in der Reihe parameter,
parameterize,
parametrical
nur zwei und in der Reihe purchase,
purchasing,
purchasable
nur eine Haupttonposition gibt. Bei Fachhochschulstudierenden
technischer Studiengänge stiftet eine solche Behandlung der
englischen Wortbetonung eher Verwirrung, als dass sie hilft. Aus
dem Grunde könnte eine längere Übung mit solchen
Betonungsverschiebungen, die mit der Wortart zusammenhängen, eher
demotivierend wirken.
Unabhängig
davon, welcher Übungstyp im Unterricht eingesetzt wird, wird bei
vielen Fachhochschulstudierenden in den technischen Studiengängen
ein Umlernen leider sehr schwierig sein, und viele Studierende
werden die von ihnen bereits verinnerlichten Fehler weiterhin
begehen. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass nach
solchen gezielten Übungen zumindest einige der Lernende versuchen
werden, ihr Sprachverhalten zu ändern und solche Fehler in Zukunft
zu vermeiden.
6 Schlussbemerkungen
Die
vorliegende empirische Untersuchung hat gezeigt, dass in den
mündlichen Leistungen deutscher und deutschsprachiger
Fachhochschulstudierender in technischen Studiengängen zahlreiche
Betonungsfehler auftreten. Etwa zwei Drittel dieser Fehler lassen
sich auf Interferenzen mit der L1 zurückführen. Somit kann die
Vermutung Sheens (1980: 110) erneut bestätigt werden, dass im Falle
fortgeschrittener Lernender die meisten Fehler durch den L1-Einfluss
verursacht werden (auch Kresta 2015: 115). Die restlichen Fehler, bei
denen die englische Wortbetonung meist nach links verschoben wird,
scheinen eher das Resultat einer Übergeneralisierung seitens der
Lernenden zu sein, bei der sie die häufige Anfangsbetonung in
englischen Wörtern auf andere Wörter übertragen, für die diese
Regel nicht gilt.
Betonungsfehler
können prinzipiell zu Missverständnissen führen und sollten daher
im Fachfremdsprachenunterricht berücksichtigt werden. Es darf dabei
aber nicht vergessen werden, dass die Betonung, die Satzmelodie und
die Aussprache einzelner Phoneme zusammenwirken. Auch bei der
richtigen Betonung können Missverständnisse entstehen, besonders
dann, wenn andere Ausspracheprobleme auftreten, wie z. B.
im Falle von [ɪn.tro:.‘du:.ʃən]
statt [ɪn.trə.‘dʌk.ʃən]
für introduction.
Obwohl diese in der Zweitspracherwerbsforschung ein wichtiges
Thema darstellt, dessen weitere Erforschung zweifelsohne viele
brauchbare wissenschaftliche Erkenntnisse liefern wird, darf die
Wichtigkeit der Betonungsfehler sowie sämtlicher Typen von
Aussprachefehlen in echten Kommunikationssituationen nicht
überbewertet werden. Das Deutsche – in diesem Fall die
Ausgangssprache (L1) – gehört, ebenso wie das Englische, im Sinne
Pikes (1945) zu den betonungszählenden Sprachen, so dass Aspekte der
Sprachmelodie – zumindest insgesamt gesehen – keine allzu große
verständnisgefährdende Wirkung haben. Die Wahrscheinlichkeit
von Missverständnissen beim tatsächlichen Gebrauch der
Fremdsprache Englisch
ist vermutlich doppelt so hoch, wenn angehende deutsche Fachleute ein
falsches Wort oder eine falsche Ausdrucksweise verwenden, als wenn
sie bestimmte Wörter falsch betonen.
Die
empirische Untersuchung hat nichtsdestotrotz gezeigt, dass der
negative Transfer und die Übergeneralisierung zwei wichtige Ursachen
für die Betonungsprobleme deutscher Lernender darstellen
könnten. Diese Erkenntnis wiederum ermöglicht die Gestaltung
gezielter Übungen mit besonderer Berücksichtigung der
englischen Wortbetonung, die Dozenten im Unterricht einsetzen können,
um die Studierenden für häufige Betonungsprobleme zu
sensibilisieren, damit sie diese vermeiden lernen. Die Einübung
der korrekten Betonung fehlerträchtiger Wörter sowie die
Systematisierung der wichtigsten betonungsbestimmenden Endungen
können bei Lernenden zu einer Stärkung des Bewusstseins
führen.
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