Die Fremdsprachendidaktik: Eine Disziplin im Spannungsfeld von Theorie (Anspruch) und Praxis (Wirklichkeit)
Dieter Wolff (Wuppertal)
Abstract
(English)
Foreign
language methodology deals with the teaching and learning of foreign
languages in institutional contexts. While in the beginning, this
discipline modelled the acquisition of modern languages in school
according to the methods of the grammar-oriented approach to the
ancient languages, in a second phase – influenced by the ideas of
descriptive structuralism in linguistics and behaviorist learning
psychology – it developed a series of concepts of language learning
which were focused more strongly on the oral use of foreign languages
but were also characterized by a rather mechanistic
understanding of learning. Only during the last forty years, a new
understanding of language learning has evolved, which was again
influenced by new trends in learning psychology, linguistics and
psycholinguistics and can be characterized by understanding
language acquisition as learning the linguistic and social
competences which are necessary to use a language. Each of the three
trends in institutional language learning has also tried to develop
more practical approaches, a ‘theory of practice’, which could be used as
an overall model for practical teaching and learning. The different
schools were, to varying degrees, successful in this endeavor. In my
contribution, I look at this scale, limited by the poles of theory
and practice, and try to show in which way these theoretical claims
can be accomplished in the reality of the classroom. In
comparing these approaches with approaches which were rather
developed on the basis of classroom practice and made use of theories
of learning and language learning only once they were established, I
will show that the latter (so-called ‘bottom-up’ models like
Learner Autonomy or Content and Language Integrated Learning) are
accepted by practicing teachers to a higher degree.
Keywords: Foreign language methodology, grammar-oriented approach, structuralism, lear -
ning psychology, linguistic and social competences, ‘theory of practice’, learner
autonomy, content and language integrated learning
Keywords: Foreign language methodology, grammar-oriented approach, structuralism, lear -
ning psychology, linguistic and social competences, ‘theory of practice’, learner
autonomy, content and language integrated learning
Abstract
(Deutsch)
Die
Fremdsprachendidaktik beschäftigt sich mit dem Lernen von
Fremdsprachen in institutionellen Kontexten. Während sie
zunächst den schulischen Erwerb der modernen Fremdsprachen nach
dem Vorbild des grammatikorientierten Zugangs zu den alten Sprachen
modellierte, entwickelte sie in einer zweiten Phase – beeinflusst
von strukturalistischen Vorstellungen einer deskriptiv orientierten
Linguistik und einer behavioristisch orientierten Lernpsychologie –
Konzepte des Sprachlernens, die stärker auf den mündlichen Gebrauch
der Fremdsprachen ausgerichtet waren, sich aber durch ein
mechanistisch geprägtes Verständnis vom Lernen charakterisierten.
Erst in den letzten vierzig Jahren hat sich – wiederum beeinflusst
durch jüngere lernpsychologische, linguistische und
psycholinguistische Strömungen – ein Verständnis vom Erwerb
einer Fremdsprache entwickelt, das stärker prozessorientiert auf die
Kompetenzen fokussiert, die zum Gebrauch einer Sprache
erforderlich sind. Jede dieser Schulen hat auch versucht, eine
„Theorie der Praxis“ der jeweiligen Theorie zu entwickeln, die
als Leitbild für die konkrete Unterrichtspraxis dienen und die
Umsetzung in das praktische Unterrichtsgeschehen erleichtern sollte.
Dies ist in den verschiedenen fremdsprachendidaktischen Schulen
in unterschiedlichem Maße gelungen. In meinem Beitrag wird dieses
Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis für die aktuell
beobachtbaren und zum Teil miteinander konkurrierenden
fremdsprachendidaktischen Ansätze ausgelotet und gleichzeitig
verdeutlicht, inwieweit die theoretischen Ansprüche in der
schulischen Wirklichkeit realisiert werden. Dabei zeigt sich, dass
Theorien der Praxis, die aus der Praxis heraus entwickelt wurden
(sogenannte bottom-up
Modelle) von den Lehrpersonen besser angenommen werden als Modelle,
die auf der Grundlage theoretischer Ansätze der Sprachwissenschaft
und der Lernpsychologie geformt wurden (sogenannte top-down
Modelle).
Stichwörter: Fremdsprachendidaktik, Grammatikorientierung, Strukturalismus,
Lernpsychologie, Kompetenz, Theorie der Praxis, bottom-up Modelle, top-down
Modelle
Stichwörter: Fremdsprachendidaktik, Grammatikorientierung, Strukturalismus,
Lernpsychologie, Kompetenz, Theorie der Praxis, bottom-up Modelle, top-down
Modelle
1 Einleitung
Die
Fremdsprachendidaktik beschäftigt sich mit dem Lehren und Lernen von
Fremdsprachen in institutionalisierten Kontexten: Schulen,
Fachhochschulen, Universitäten, Volkshochschulen, privaten
Sprachenschulen. Ihr zentrales Interesse gilt der Herausbildung
von didaktischen Theorien und Modellen, die den Erwerb einer neuen
Sprache fördern. Prinzipiell lassen sich aus solchen Theorien
Aussagen zu Lernzielen, Methoden, Inhalten und Medien als Bausteinen
der Unterrichtsgestaltung ableiten.
Die Fremdsprachendidaktik wird auch als eine Vermittlungswissenschaft bezeichnet, d. h. sie vermittelt zwischen Grundlagenwissenschaften auf der einen und der Praxis des Fremdsprachenunterrichts auf der anderen Seite. Zu den Grundlagenwissenschaften der Fremdsprachendidaktik gehören Disziplinen, die auf Sprache fokussieren, z. B. die Linguistik oder die Sprachpsychologie, aber auch Disziplinen, die sich mit dem Lernen allgemein und mit dem Lernen von Sprache beschäftigen, z. B. die Lernpsychologie, die Pädagogik und die Spracherwerbspsychologie. Häufig wird die Fremdsprachendidaktik auch als Angewandte Wissenschaft bezeichnet, d.h. sie überträgt die Erkenntnisse der genannten Grundlagenwissenschaften auf einen konkreten Arbeitsbereich, den Fremdsprachenunterricht.
Die Fremdsprachendidaktik steht also in einem Spannungsfeld zwischen den theoretischen Erkenntnissen benachbarter Grundlagenwissenschaften und den Erfordernissen der Unterrichtspraxis. Dass dabei der Anspruch der Theorie und die Wirklichkeit der Praxis häufig auseinanderklaffen, ist der Komplexität der Beziehungen geschuldet.
Als Vermittlungs- und Angewandte Wissenschaft ist die Fremdsprachendidaktik natürlich nicht nur ein Kind der benachbarten Grundlagenwissenschaften: In all ihren Entwicklungsphasen ist sie auch von anderen wissenschaftlichen Strömungen beeinflusst worden und hat oft innerhalb einer solchen Phase unterschiedliche Varianten entwickelt, die bestimmte Aspekte der Grundlagenwissenschaften stärker oder weniger stark in den Mittelpunkt rückten bzw. aus ihren Überlegungen ganz ausklammerten. Ich denke hier zum Beispiel an den audiovisuellen Ansatz der sechziger und siebziger Jahre, dem damals als fringe methodologies bezeichnete Ansätze wie die Suggestopädie oder der silent way gegenüberstanden. Im Gegensatz zu den Mainstream-Modellen lassen sich Varianten oft als so genannte bottom-up Modelle klassifizieren, die von Praktikern initiiert und nicht von der Schuladministration top-down auf der Grundlage von Gesetzen, Erlassen und Curricula eingeführt wurden.
In meinem Beitrag möchte ich einen Blick auf die Fremdsprachendidaktik werfen, wie sie sich uns heute nach der kommunikativen Wende – die häufig auch als kopernikanische Wende des fremdsprachlichen Lehrens und Lernens bezeichnet wird – darstellt. Dabei wird es mir im ersten Abschnitt darauf ankommen, die Konzepte Kommunikation und Kompetenz, die diese Wende verursacht haben, näher zu beleuchten. Im nächsten Abschnitt wird es mir dann um die kommunikative Didaktik gehen, die zwar bereits in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts curricular verankert wurde, im einundzwanzigsten Jahrhundert durch die Vertiefung der Konzepte der Kompetenz und der Kommunikation einen neuen Stellenwert erlangt hat und auch heute noch weiterhin als Mainstream Modell der Fremdsprachendidaktik angesehen werden kann. Ich werde dieser Theorie zwei Varianten gegenüberstellen, die aufgrund von bottom-up Bewegungen entstanden sind, also von Praktikern entwickelt und erprobt wurden: den sogenannten lernerautonomen Ansatz und den bilingualen Sachfachunterricht. Der letzte Abschnitt ist dann einer kurzen Bewertung der unterschiedlichen Ansätze vor dem Hintergrund der theoretischen Ansprüche und der praktischen Wirklichkeit des Klassenzimmers gewidmet. Dabei werde ich zu erklären versuchen, warum immer dann, wenn top-down Modelle auf das, was wir den Fremdsprachenunterricht nennen, aufgestülpt wurden, ein Spannungsverhältnis entstand, das einen solchen Zugang zwar nicht scheitern ließ, ihn aber in der konkreten Praxis nicht besonders willkommen machte. Die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen finden sich am Ende meines Beitrags.
Die Fremdsprachendidaktik wird auch als eine Vermittlungswissenschaft bezeichnet, d. h. sie vermittelt zwischen Grundlagenwissenschaften auf der einen und der Praxis des Fremdsprachenunterrichts auf der anderen Seite. Zu den Grundlagenwissenschaften der Fremdsprachendidaktik gehören Disziplinen, die auf Sprache fokussieren, z. B. die Linguistik oder die Sprachpsychologie, aber auch Disziplinen, die sich mit dem Lernen allgemein und mit dem Lernen von Sprache beschäftigen, z. B. die Lernpsychologie, die Pädagogik und die Spracherwerbspsychologie. Häufig wird die Fremdsprachendidaktik auch als Angewandte Wissenschaft bezeichnet, d.h. sie überträgt die Erkenntnisse der genannten Grundlagenwissenschaften auf einen konkreten Arbeitsbereich, den Fremdsprachenunterricht.
Die Fremdsprachendidaktik steht also in einem Spannungsfeld zwischen den theoretischen Erkenntnissen benachbarter Grundlagenwissenschaften und den Erfordernissen der Unterrichtspraxis. Dass dabei der Anspruch der Theorie und die Wirklichkeit der Praxis häufig auseinanderklaffen, ist der Komplexität der Beziehungen geschuldet.
Als Vermittlungs- und Angewandte Wissenschaft ist die Fremdsprachendidaktik natürlich nicht nur ein Kind der benachbarten Grundlagenwissenschaften: In all ihren Entwicklungsphasen ist sie auch von anderen wissenschaftlichen Strömungen beeinflusst worden und hat oft innerhalb einer solchen Phase unterschiedliche Varianten entwickelt, die bestimmte Aspekte der Grundlagenwissenschaften stärker oder weniger stark in den Mittelpunkt rückten bzw. aus ihren Überlegungen ganz ausklammerten. Ich denke hier zum Beispiel an den audiovisuellen Ansatz der sechziger und siebziger Jahre, dem damals als fringe methodologies bezeichnete Ansätze wie die Suggestopädie oder der silent way gegenüberstanden. Im Gegensatz zu den Mainstream-Modellen lassen sich Varianten oft als so genannte bottom-up Modelle klassifizieren, die von Praktikern initiiert und nicht von der Schuladministration top-down auf der Grundlage von Gesetzen, Erlassen und Curricula eingeführt wurden.
In meinem Beitrag möchte ich einen Blick auf die Fremdsprachendidaktik werfen, wie sie sich uns heute nach der kommunikativen Wende – die häufig auch als kopernikanische Wende des fremdsprachlichen Lehrens und Lernens bezeichnet wird – darstellt. Dabei wird es mir im ersten Abschnitt darauf ankommen, die Konzepte Kommunikation und Kompetenz, die diese Wende verursacht haben, näher zu beleuchten. Im nächsten Abschnitt wird es mir dann um die kommunikative Didaktik gehen, die zwar bereits in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts curricular verankert wurde, im einundzwanzigsten Jahrhundert durch die Vertiefung der Konzepte der Kompetenz und der Kommunikation einen neuen Stellenwert erlangt hat und auch heute noch weiterhin als Mainstream Modell der Fremdsprachendidaktik angesehen werden kann. Ich werde dieser Theorie zwei Varianten gegenüberstellen, die aufgrund von bottom-up Bewegungen entstanden sind, also von Praktikern entwickelt und erprobt wurden: den sogenannten lernerautonomen Ansatz und den bilingualen Sachfachunterricht. Der letzte Abschnitt ist dann einer kurzen Bewertung der unterschiedlichen Ansätze vor dem Hintergrund der theoretischen Ansprüche und der praktischen Wirklichkeit des Klassenzimmers gewidmet. Dabei werde ich zu erklären versuchen, warum immer dann, wenn top-down Modelle auf das, was wir den Fremdsprachenunterricht nennen, aufgestülpt wurden, ein Spannungsverhältnis entstand, das einen solchen Zugang zwar nicht scheitern ließ, ihn aber in der konkreten Praxis nicht besonders willkommen machte. Die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen finden sich am Ende meines Beitrags.
2 Kommunikation und Kompetenz: die zentralen Konzepte der neuen Fremdsprachendidaktik
Die
schon angesprochene kopernikanische Wende in der
Fremdsprachendidaktik wurde ausgelöst durch eine mindestens
ebenso starke Erschütterung in den benachbarten
Grundlagenwissenschaften, insbesondere in der Sprachwissenschaft.
Verschiedene Faktoren spielten dabei eine Rolle, zunächst einmal die
Einführung des Begriffs der Kompetenz in der Grammatiktheorie
Chomskys (1957) – ein Begriff, der u.a. den „idealen“
Sprecher-Hörer als neuen Faktor in die Diskussion einbrachte und so
einen Weg heraus aus der systemimmanenten Sprachbetrachtung
aufzeigte. Ebenso wichtig für die Etablierung des Konzeptes der
Kompetenz waren die soziolinguistischen Arbeiten von Hymes (1964),
der deutlich machte, dass man Sprache nur dann angemessen
beschreiben kann, wenn man sie in ihrem sozialen Kontext, d.h. im
Gebrauch, betrachtet. Von ihm stammt ursprünglich der Begriff der
kommunikativen Kompetenz. Auch die philosophischen Erkenntnisse
von Habermas (1981), der die Bedeutung von Sprache als politischem
Faktor hervorhob und deutlich machte, dass Kompetenz vor allem die
Fähigkeit bedeutet, sich in dem Geflecht sozialer Beziehungen, in
welchem Menschen beständig interagieren, angemessen zurechtzufinden
und durchzusetzen, sollen hier genannt werden. Es braucht nicht
gesondert hervorgehoben zu werden, dass die linguistische Pragmatik,
die sich in dieser Zeit als dritte sprachwissenschaftliche Disziplin
zu etablieren begann, die Attraktivität der Begrifflichkeit nicht
unwesentlich steigerte, zumal sie im Rahmen der Sprechakttheorie
konkrete Kategorien für die Beschreibung kommunikativer „Ereignisse“
zu liefern in der Lage war (z. B. Searle 1969).
In der heutigen theoretischen Auseinandersetzung mit dem Kompetenzbegriff spielt in der Sprachdidaktik und in den Erziehungswissenschaften die Diskussion um die von Chomsky eingeführte Begrifflichkeit weiterhin eine Rolle, wie z. B. Müller et al. (2007) festgehalten haben. Chomsky hatte mit den Begriffen Kompetenz und Performanz eine Trennung zwischen dem potenziellen Sprachvermögen eines Sprechers und der Realisierung von Sprache in seinen Äußerungen vorgenommen. Diese Trennung wurde von vielen Fachdidaktikern und auch Lernplanerstellern dahingehend fallen gelassen, dass man unter Kompetenz – vereinfacht – die effektive oder zu erreichende sprachliche Äußerung und nicht die „potenzielle Verfügbarkeit" sprachlicher bzw. handlungsbezogener Fähigkeiten“ (Müller et al. 2007) versteht. Das Chomskysche Begriffspaar von Kompetenz und Performanz reduziert sich also auf den einfachen Begriff der Kompetenz. Nur durch diese Beschränkung konnte der Begriff der Kompetenz allerdings erst seinen Status als übergeordnetes Lernziel im Unterricht gewinnen.
In der heutigen theoretischen Auseinandersetzung mit dem Kompetenzbegriff spielt in der Sprachdidaktik und in den Erziehungswissenschaften die Diskussion um die von Chomsky eingeführte Begrifflichkeit weiterhin eine Rolle, wie z. B. Müller et al. (2007) festgehalten haben. Chomsky hatte mit den Begriffen Kompetenz und Performanz eine Trennung zwischen dem potenziellen Sprachvermögen eines Sprechers und der Realisierung von Sprache in seinen Äußerungen vorgenommen. Diese Trennung wurde von vielen Fachdidaktikern und auch Lernplanerstellern dahingehend fallen gelassen, dass man unter Kompetenz – vereinfacht – die effektive oder zu erreichende sprachliche Äußerung und nicht die „potenzielle Verfügbarkeit" sprachlicher bzw. handlungsbezogener Fähigkeiten“ (Müller et al. 2007) versteht. Das Chomskysche Begriffspaar von Kompetenz und Performanz reduziert sich also auf den einfachen Begriff der Kompetenz. Nur durch diese Beschränkung konnte der Begriff der Kompetenz allerdings erst seinen Status als übergeordnetes Lernziel im Unterricht gewinnen.
2.1 Kommunikative Kompetenz
Der
eindimensionale Kompetenzbegriff Chomskys wurde schon in der
Fremdsprachendidaktik der siebziger Jahre erweitert, zunächst
durch das Adjektiv kommunikativ,
später dann durch die Begriffe interkulturell
und sozial. Ich werde
diese Begriffspaare im Folgenden etwas genauer betrachten und auch
einen Blick auf den Kompetenzbegriff des gemeinsamen europäischen
Referenzrahmens werfen.
Unter
dem Begriff kommunikative Kompetenz
wurde die Fähigkeit verstanden, sich in einer Interaktion
situations- und adressatenangemessen zu verhalten. Die Tatsache, dass
kommunikative Kompetenz in der unterliegenden Theorie meist im
Kontext mündlicher Interaktionen behandelt wurde, führte zunächst
dazu, dass in der Fremdsprachendidaktik der Begriff vorwiegend auf
Mündlichkeit bezogen wurde, was durch den Begriff kommunikativ
noch verstärkt wurde. So war der sogenannte kommunikative Unterricht
lange Jahre geprägt vom Primat des Mündlichen; der ganze Reichtum
der Kompetenzen, der sich hinter dem Label kommunikative
Kompetenz verbarg, blieb nicht nur der
Fremdsprachendidaktik zunächst verborgen; die erste Phase der
kommunikativen Didaktik, die auf diesen Erkenntnissen aufbaute
und zum neuen Mainstream
wurde, war noch weit entfernt von dem elaborierten Modell, das heute
im Mittelpunkt fremdsprachendidaktischer Überlegungen steht.
2.2 Interkulturelle Kompetenz
Der
nächste Schritt war die Erweiterung des Kompetenzbegriffs um eine
interkulturelle Komponente. Der Begriff der interkulturellen
Kompetenz steht in der fremdsprachendidaktischen Diskussion im
Kontext eines Spannungsverhältnisses, das durch
unterschiedliche Sprachen und Kulturen bestimmt wird. Es ist ein
umstrittener und schwer zu definierender Begriff. Wie Liedke &
Knapp-Potthoff zu Recht bemerken, reicht es nicht aus, ihn auf
interkulturelle Kommunikation „zwischen Angehörigen zweier
relativ homogener Nationalkulturen“ (Liedke & Knapp-Potthoff
1997:14) zu beziehen und festzustellen, jemand sei interkulturell
kompetent, wenn er in der Lage ist, in einem solchen Kontext
angemessen zu interagieren. Dies geschieht allerdings häufig in der
kommunikativen Fremdsprachendidaktik und spiegelt sich auch in
den Lehrplänen der Bundesländer wider. Die von Ehlich (z. B.
1995) getroffene Unterscheidung zwischen interkultureller
Kommunikation im engeren Sinne, unter der er die Kommunikation
zwischen Angehörigen verschiedener Sprachen und Gesellschaften
versteht, und interkultureller Kommunikation im weiteren Sinne, die
als Kommunikation zwischen Angehörigen verschiedener Gruppen einer
Sprache und einer Gesellschaft, aber auch verschiedener
Gesellschaften (Hallet nennt dies heute transkulturelle Kompetenz,
z. B. Hallet 2015) verstanden wird, verdeutlicht die Problematik
einer Definition von interkultureller Kompetenz zweifellos besser,
zeigt sie doch, dass Interkulturalität immer etwas „mit Fremdheit
und Differenz, mit Gruppenzugehörigkeit und gesellschaftlicher
Mitgliedschaft“ nicht aber unbedingt mit Anderssprachigkeit zu
tun hat (Liedke & Knapp-Potthoff 1997: 7).
2.3 Soziale Kompetenz
Während
die Erweiterung des Kompetenzbegriffs um die interkulturelle
Kompetenz überwiegend auf die Soziolinguistik als
Grundlagenwissenschaft zurückzuführen ist (z. B. Romaine
2001), kommen Impulse für die Einbeziehung einer sozialen Komponente
sowohl aus der Sozio-, aber auch aus der Psycholinguistik –
der Disziplin also, die neben dem Erwerb auf die Verarbeitung von
Sprache abhebt.
Die Frage, was es bedeutet, in einer Sprache (also in der Muttersprache) sozial kompetent zu sein, wurde in jüngerer Zeit von dem amerikanischen Psycholinguisten und Sozialpsychologen H. H. Clark behandelt. Das „Miteinander in einer Sprache Interagieren“, so formuliert Clark (Übersetzung D.W.), ist nicht die Summe der individuellen Handlungen des Sprechers und des Hörers, also dessen, was der Sprecher sagt und der Hörer verarbeitet. Für eine Interaktion ist vielmehr auch ein gemeinsames (soziales) Handeln erforderlich. „It is the joint action that emerges when speakers and listeners – or writers and readers – perform their individual actions in coordination, as ensembles“ (Clark 1996: 3). Eine Sprache zu gebrauchen, bedeutet nach Clark, sowohl individuelle Prozesse als auch soziale Prozesse einzusetzen. Die individuellen Prozesse beziehen sich auf das Formulieren und Artikulieren von Mitteilungen auf der einen und das Verarbeiten dieser Mitteilungen auf der anderen Seite, die sozialen Prozesse hingegen auf das gemeinsame Handeln als Teilhaber in den sozialen Kontexten, innerhalb derer Interaktionen stattfinden.
Clarks Ausführungen zum Verständnis von Sprache als sozialer Kompetenz sind auch wichtig, weil sie nicht die sozialen Aspekte von den individuellen Aspekten trennen, sondern unterstreichen, dass der Gebrauch von Sprache neben den sozialen immer auch individuelle Kompetenzen beinhaltet: Kompetenzen der Sprachverarbeitung (Hörverstehen, Leseverstehen) auf der rezeptiven Ebene und Kompetenzen der Sprachproduktion (Sprechen, Schreiben) auf der produktiven Ebene. Clark betont immer wieder, dass Sprache im Wesentlichen für soziale Zwecke gebraucht wird: Das Leben besteht aus sozialen Handlungen, und die Sprache trägt dazu bei, sie ausführen zu können. Weil Sprache für soziale Zwecke gebraucht wird, stellt sie einen Typ gemeinsamer Handlungen dar; gemeinsame Handlungen aber erfordern die Koordination individueller Handlungen, ob sie nun in der face-to-face interaction stattfinden oder in einer geschriebenen Interaktion über längere Zeiträume hinweg. Da gemeinsame Handlungen aber nur vor dem Hintergrund individueller Handlungen verstanden werden können, sind auch diese Teil der Analyse. Das Studium von Sprache muss deshalb immer kognitiv und sozial ausgerichtet sein. Sprache ist gleichzeitig soziale und individuelle Kompetenz.
Der in den sprachwissenschaftlichen und sprachpsychologischen Disziplinen herausgearbeitete Kompetenzbegriff erweitert die ursprüngliche Definition beträchtlich und hat – wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden – auch das Modell der kommunikativen Didaktik in hohem Maße beeinflusst. Nicht nur kommunikative, interkulturelle, sondern auch soziale Kompetenz sind als Teil des globalen Lernziels „sprachliche Kompetenz“ zu sehen, das nicht nur den muttersprachlichen, sondern auch den fremdsprachlichen Sprachunterricht bestimmt.
Die Frage, was es bedeutet, in einer Sprache (also in der Muttersprache) sozial kompetent zu sein, wurde in jüngerer Zeit von dem amerikanischen Psycholinguisten und Sozialpsychologen H. H. Clark behandelt. Das „Miteinander in einer Sprache Interagieren“, so formuliert Clark (Übersetzung D.W.), ist nicht die Summe der individuellen Handlungen des Sprechers und des Hörers, also dessen, was der Sprecher sagt und der Hörer verarbeitet. Für eine Interaktion ist vielmehr auch ein gemeinsames (soziales) Handeln erforderlich. „It is the joint action that emerges when speakers and listeners – or writers and readers – perform their individual actions in coordination, as ensembles“ (Clark 1996: 3). Eine Sprache zu gebrauchen, bedeutet nach Clark, sowohl individuelle Prozesse als auch soziale Prozesse einzusetzen. Die individuellen Prozesse beziehen sich auf das Formulieren und Artikulieren von Mitteilungen auf der einen und das Verarbeiten dieser Mitteilungen auf der anderen Seite, die sozialen Prozesse hingegen auf das gemeinsame Handeln als Teilhaber in den sozialen Kontexten, innerhalb derer Interaktionen stattfinden.
Clarks Ausführungen zum Verständnis von Sprache als sozialer Kompetenz sind auch wichtig, weil sie nicht die sozialen Aspekte von den individuellen Aspekten trennen, sondern unterstreichen, dass der Gebrauch von Sprache neben den sozialen immer auch individuelle Kompetenzen beinhaltet: Kompetenzen der Sprachverarbeitung (Hörverstehen, Leseverstehen) auf der rezeptiven Ebene und Kompetenzen der Sprachproduktion (Sprechen, Schreiben) auf der produktiven Ebene. Clark betont immer wieder, dass Sprache im Wesentlichen für soziale Zwecke gebraucht wird: Das Leben besteht aus sozialen Handlungen, und die Sprache trägt dazu bei, sie ausführen zu können. Weil Sprache für soziale Zwecke gebraucht wird, stellt sie einen Typ gemeinsamer Handlungen dar; gemeinsame Handlungen aber erfordern die Koordination individueller Handlungen, ob sie nun in der face-to-face interaction stattfinden oder in einer geschriebenen Interaktion über längere Zeiträume hinweg. Da gemeinsame Handlungen aber nur vor dem Hintergrund individueller Handlungen verstanden werden können, sind auch diese Teil der Analyse. Das Studium von Sprache muss deshalb immer kognitiv und sozial ausgerichtet sein. Sprache ist gleichzeitig soziale und individuelle Kompetenz.
Der in den sprachwissenschaftlichen und sprachpsychologischen Disziplinen herausgearbeitete Kompetenzbegriff erweitert die ursprüngliche Definition beträchtlich und hat – wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden – auch das Modell der kommunikativen Didaktik in hohem Maße beeinflusst. Nicht nur kommunikative, interkulturelle, sondern auch soziale Kompetenz sind als Teil des globalen Lernziels „sprachliche Kompetenz“ zu sehen, das nicht nur den muttersprachlichen, sondern auch den fremdsprachlichen Sprachunterricht bestimmt.
2.4 Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen: Eine andere Art der Beschreibung von Kompetenzen
Der
Gemeinsame europäische Referenzrahmen (GeR) für Sprachen, der
Anfang dieses Jahrhunderts in die sprachdidaktische Diskussion
eingebracht wurde, betrachtet Kompetenz
aus einer Perspektive, die von unserer bisherigen Darstellung
abweicht. Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen bezieht sich
nicht explizit auf Grundlagenwissenschaften; er beschreibt auf einer
für konkreten Unterricht allgemein verständlichen sprachlichen
Ebene detailliert Kompetenzen, die ein Sprachlernender auf
unterschiedlichen Stufen seiner Sprachentwicklung besitzen sollte.
Dabei werden diese Kompetenzen, sprachpsychologisch angemessen,
in Kompetenzen des Verstehens von Sprache (Hörverstehen,
Leseverstehen) und Kompetenzen des Produzierens von Sprache
(Sprechen, Schreiben) unterteilt. Die sechsstufige Kompetenzskala
(A1, A2, B1, B2, C1, C2), die inzwischen zum Gemeingut aller an der
Vermittlung von Sprache Beteiligten geworden ist, bezieht sich auf
das allgemeinsprachliche Sprachvermögen, das auf den
verschiedenen Stufen in Könnensformulierungen beschrieben wird.
Es braucht hier auf die einzelnen Kompetenzbeschreibungen nicht
näher eingegangen zu werden, es sollte allerdings auf die
Unterschiede zu dem Kompetenzbegriff verwiesen werden, den wir vorher
angesprochen haben. Anders als die globalen Kompetenzen, die mit den
Labels kommunikativ,
interkulturell und
sozial beschrieben
wurden, sind die im Referenzrahmen aufgezeigten Kompetenzen
Bestandteile einer sich im Laufe der fremdsprachlichen Entwicklung
ausfächernden und erweiternden sprachlichen Fähigkeit. Sie
beschreiben konkrete sprachliche Produkte und die zu ihrem
Verständnis bzw. ihrer Produktion erforderlichen sprachlichen
Fertigkeiten. (Beispiel Schreiben A2: Ich kann kurze, einfache
Notizen und Mitteilungen schreiben. Ich kann einen ganz
einfachen persönlichen Brief schreiben, z. B. um mich für
etwas zu bedanken). Wo die globalen Kompetenzen abgeschlossene
Fähigkeiten darstellen, zeigt die Kompetenzskala des GeR den Weg hin
zu den globalen Kompetenzen auf: Die Kompetenzen des Referenzrahmens
sind gewissermaßen Lernziele auf dem Weg zu den globalen
Kompetenzen.
Die zu Beginn dieses Jahrhunderts mit großer Begeisterung, aber auch in großer Eile vollzogene Einbeziehung des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens in den fremdsprachendidaktischen Diskurs hat dazu geführt, dass man wesentliche Funktionen dieses sprachplanerischen Instrumentes übersah und stattdessen andere, die bei den Autoren nicht so sehr im Vordergrund gestanden hatten, besonders fokussierte. Insbesondere die methodischen Implikationen des GeR, (Instrument zur Selbsteinschätzung und Selbstbewertung der Schülerinnen und Schüler und damit der Entwicklung von Lernerautonomie) wurden lange Zeit vernachlässigt: Das zeigt sich z. B. in der auch heute noch geringen Verbreitung der Portfolioarbeit, die ein Kernelement des GeR darstellt. Stattdessen wurden andere Aspekte in den Vordergrund gerückt, z. B. die Möglichkeit, homogene Lehrpläne zu konstruieren, kompetenzbasierte Lehrwerke zu konzipieren und das Prüfungsgeschehen im europäischen Kontext transparenter zu machen.
Die zu Beginn dieses Jahrhunderts mit großer Begeisterung, aber auch in großer Eile vollzogene Einbeziehung des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens in den fremdsprachendidaktischen Diskurs hat dazu geführt, dass man wesentliche Funktionen dieses sprachplanerischen Instrumentes übersah und stattdessen andere, die bei den Autoren nicht so sehr im Vordergrund gestanden hatten, besonders fokussierte. Insbesondere die methodischen Implikationen des GeR, (Instrument zur Selbsteinschätzung und Selbstbewertung der Schülerinnen und Schüler und damit der Entwicklung von Lernerautonomie) wurden lange Zeit vernachlässigt: Das zeigt sich z. B. in der auch heute noch geringen Verbreitung der Portfolioarbeit, die ein Kernelement des GeR darstellt. Stattdessen wurden andere Aspekte in den Vordergrund gerückt, z. B. die Möglichkeit, homogene Lehrpläne zu konstruieren, kompetenzbasierte Lehrwerke zu konzipieren und das Prüfungsgeschehen im europäischen Kontext transparenter zu machen.
Wie
die Grundlagenwissenschaften hat der GeR zweifellos eine wichtige
Rolle für das Verständnis des Begriffs der sprachlichen Kompetenz
gespielt. Als didaktisches Konzept hat er dazu beigetragen, auf
einer bestimmten Ebene nachzuvollziehen, was „sprachlich kompetent
sein“ bedeutet. Nicht gelungen ist ihm allerdings, die Beziehung
zwischen einer bestimmten Kompetenzstufe und den sprachlichen Mitteln
(Lexik und Grammatik), die für das Erreichen dieser Kompetenzstufe
erforderlich sind, herzustellen. Dies ist jedoch ein Problem, an dem
sich nicht nur die kompetenzorientierte Fremdsprachendidaktik,
sondern auch viele andere didaktische Theorien und Modelle vergebens
abgearbeitet haben. Es ist eigentlich ein unlösbares Problem, weil
es unmöglich erscheint, die unzähligen Wahlmöglichkeiten
(choices), welche eine
Sprache bietet, um etwas auszudrücken, für eine Kompetenzstufe so
zu modellieren, dass etwas im Unterricht Vermittelbares entsteht. Die
fremdsprachlichen Lehrwerke und ihre vergeblichen Versuche, des
Reichtums der Sprache Herr zu werden, legen beredt Zeugnis hiervon ab
(für eine ausführlichere Darstellung vgl. Wolff 2015).
3 Fremdsprachliche Kompetenzmodelle: Varianten eines Konzeptes
Wir
kehren nach unserem Ausflug in die Detailbeschreibungen von
Kompetenzen im GeR wieder zurück zu den Konzepten, die – von
den Grundlagenwissenschaften unterfüttert – das globale
Konzept der sprachlichen Kompetenz bestimmen: kommunikative
Kompetenz, interkulturelle
Kompetenz und soziale
Kompetenz. Es soll am Anfang dieses letzten
Abschnitts zunächst die Annahme formuliert werden, dass die drei
wissenschaftlich fundierten kompetenzorientierten Ansätze, die
in der Nachfolge der systemlinguistisch orientierten
Fremdsprachendidaktik heute das fremdsprachliche Geschehen in unseren
Klassenzimmern bestimmen, sich dem von uns beschriebenen Konzept der
sprachlichen Kompetenz zwar auf ähnliche Weise nähern, allerdings
auch Unterschiede in der Schwerpunktsetzung aufweisen: Die
kommunikative Didaktik hebt vor allem auf die kommunikative und
die interkulturelle Kompetenz ab, der lernerautonome Ansatz stellt
neben der kommunikativen vor allem die soziale Kompetenz in den
Vordergrund, und der bilinguale Sachfachunterricht fokussiert auf
kommunikative, interkulturelle und soziale Kompetenz.
dieses Jahrhunderts
Die kommunikative
Didaktik als Theorie der Praxis des Fremdsprachenunterrichts ist
heute zweifellos der Ansatz, der sich in der Zunft der
Fremdsprachendidaktiker der größten Popularität erfreut. Sie
steht im Mittelpunkt vieler Forschungsprojekte zum
Fremdsprachenlernen, sie bestimmt die Lehrplan- und
Lehrwerkentwicklung und die Lehreraus- und Fortbildung; ihre
Vertreter haben darüber hinaus eine Vielzahl von praktischen
Unterrichtsempfehlungen hervorgebracht, die ihre Verankerung in
der Unterrichtspraxis dokumentieren. Sie hat sich seit ihren Anfängen
in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts umfassend
weiterentwickelt, hat sich an neueren Forschungen insbesondere in der
Sozio- und Psycholinguistik orientiert und neuen lerntheoretischen
Entwicklungen große Beachtung geschenkt. Auch Aspekte wie
Mehrsprachigkeit und Interkulturalität erfuhren mehr und mehr
Beachtung. Entstanden ist auf diese Weise ein komplexes Modell
des institutionalisierten Sprachenlernens, das sich durch die
folgenden Parameter charakterisieren lässt:
- Die kommunikative Didaktik stellt die Schülerorientierung in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Dies stellt eine große Veränderung im Vergleich zur vorausgegangenen Lehrerorientierung des Unterrichtsgeschehens dar. Ein Weg zur Umsetzung dieses Parameters ist die Gruppenarbeit.
- Handlungsorientierung ist ein weiteres zentrales Merkmal der kommunikativen Didaktik. Dadurch, dass der Schüler während des Sprachlernprozesses immer selbstständiger mit der Sprache umgeht, in ihr „sprachhandelt“, entwickelt sich seine kommunikative Kompetenz. Das grammatische Wissen tritt in den Hintergrund. Projektarbeit ist ein methodischer Zugang zur Handlungsorientierung.
- Die kommunikative Didaktik setzt auf Authentizität der Materialien. Nicht mehr das Lehrwerk als alles bestimmendes hidden curriculum steht im Mittelpunkt der Arbeit im Unterricht, an seine Stelle können auch authentische Materialien aus den unterschiedlichsten Quellen treten.
- Auf die Authentizität der Interaktion wird in der kommunikativen Didaktik großer Wert gelegt. An die Stelle des „So-tun-als-ob“ soll eine natürliche, authentische Kommunikation treten, die das Lösen echter Fragestellungen und Probleme zum Ziel hat. Gruppenarbeit und Projektarbeit sind zweifellos günstige Rahmenbedingungen für die Schaffung von authentischer Interaktion. Eine möglichst authentische Lernumgebung leistet hierzu ebenfalls einen wichtigen Beitrag.
- Methodenorientierung ist ein weiterer Aspekt, der den innovativen Charakter der kommunikativen Didaktik unterstreicht. Vor dem Hintergrund der Schülerorientierung geht es hier um die Befähigung der Lernenden zum selbstständigen Arbeiten. Im Sinne des lebenslangen Lernens sollen sie mit Strategien ausgestattet werden, die ihnen die selbstständige Arbeit mit der Sprache erleichtern.
- Das interkulturelle Lernen ist ein wichtiger Baustein im Modell der kommunikativen Didaktik. Ausgangs- und Zielsprachenkultur sollen bei der Arbeit im Klassenzimmer immer mit bedacht werden, Materialien sollen so ausgesucht werden, dass interkulturelles Lernen möglich wird. Das Verständnis von interkulturellem Lernen ist zunächst noch sehr traditionell, es geht um den Vergleich zweier Hochkulturen, die erwähnten Subkulturen bleiben ausgeklammert.
Die kommunikative
Didaktik, wie wir sie gerade skizziert haben, hat sich einer Reihe
wichtiger Erkenntnisse der Grundlagenwissenschaften bedient. Schüler-
und Handlungsorientierung sind Konzepte, die sich aus allgemeinen
lern- und motivationspsychologischen Erkenntnissen ableiten lassen.
Das aktive Lernen oder learning by doing,
das hier propagiert wird, leitet sich ab aus der Diskussion um
das „träge“ Wissen, das als negativ besetztes Konzept in der
modernen Lernpsychologie wichtig geworden ist. Aktives Lernen
motiviert in viel höherem Maße als das passive Lernen, das im
Fremdsprachenunterricht häufig für ein formal und repetitiv
ausgerichtetes Übungsgeschehen steht und zu trägem Wissen
führt.
Das Konzept der Authentizität, das sich sowohl auf Materialien als auch auf die Interaktion im Klassenzimmer bezieht, ist Überlegungen aus der Motivationspsychologie und aus der Sprachwissenschaft geschuldet. Die von Rod Ellis (1994) geprägte Formel vom „language learning as language use“ verweist darauf, dass Sprache ein Werkzeug ist, mit Hilfe dessen Gedanken von einem Sprecher zu einem Hörer transportiert, Fakten weitergeleitet und Entscheidungen ausgehandelt werden, d.h. also, um soziale Prozesse im Sinne von Clark überhaupt zu ermöglichen. Der Sprachlernprozess funktioniert nur dann wirklich, wenn es sich um authentische Interaktionen handelt, in welchen authentische Themen (die u.a. in den Materialien angelegt sind) behandelt werden. Der Werkzeugcharakter von Sprache ist ein wichtiges Thema der Kommunikationswissenschaften geblieben.
Die Methodenorientierung hebt auf einem grundlegenden pädagogischen Prinzip ab, das wir schon erwähnt haben. Aktives Lernen kann nur dann stattfinden, wenn der Lernende seinen Lernprozess möglichst selbstständig gestaltet und sich nicht weitgehend auf die Hilfestellung der Lehrperson verlässt. Dazu benötigt er ein strategisches Inventar, das die Fremdsprachendidaktiker zum Teil aus den in der Psycholinguistik herausgearbeiteten Strategien der Sprachverwendung abgeleitet haben (Was tun Menschen, psychologisch gesprochen, wenn sie Sprache benutzen? Was bedeutet es, Schallwellen so zu entschlüsseln, dass sie als sinnvolles Ganzes verstanden werden können? Wie gelingt es uns, Gedachtes so in Schallwellen umzusetzen, dass der Kommunikationspartner unsere Überlegungen versteht?).
Die Impulse für das interkulturelle Lernen lassen sich mit kulturtheoretischen Ansätzen verbinden, wie sie schon in Zeiten der strukturalistischen Linguistik (Bloomfield 1933) zumindest angedacht worden waren. Kontrastive Ansätze, z. B. der Vergleich von Sprachen, führten fast zwangsläufig zu Kulturvergleichen, die auch die Basis des interkulturellen Lernens ausmachen.
Sicherlich ist die kommunikative Didaktik als eine Theorie der Praxis des Fremdsprachenunterrichts mit Recht kritisch gesehen worden. Insbesondere Praktiker bemängeln den hohen Aufwand, der betrieben werden muss, wenn man mit authentischen Materialien arbeiten will. Auch authentische Interaktionen sind nach Meinung der Praktiker durch den Klassenzimmerkontext sehr eingeschränkt. Schließlich sei es problematisch, Fremdsprachenunterricht vor allem auf Schüler- und Handlungsorientierung zu gründen, Unterricht könne durchaus auch lehrergeleitet erfolgreich sein. Man kann an solchen Reaktionen deutlich erkennen, dass die Theorie einer Unterrichtspraxis und die Unterrichtspraxis selbst keine Einheit darstellen, sondern dass der Praktiker, basierend auf seinen Erfahrungen, sich im groben Rahmen einer solchen Theorie durchaus auch anders verhalten kann, als die Theorie es anregt.
Auch aus theoretisch-didaktischer Sicht ist eine Reihe von Kritikpunkten am Modell der kommunikativen Didaktik anzumelden. Besonders auffällig ist, dass der Entwicklung der sozialen Kompetenz beim Erlernen einer fremden Sprache nur geringe Bedeutung beigemessen wird. Zwar werden die individuellen Kompetenzen in den Vordergrund gerückt, aber die Fähigkeit des „miteinander kommunizieren Könnens“ spielt eigentlich keine Rolle, auch wenn das „Aushandeln von Bedeutung“ als ein Konzept der kommunikativen Didaktik gilt. In diesem Zusammenhang soll auch auf die weiterhin starke Betonung der mündlichen Kommunikation verwiesen werden, in der eigentlich die soziale Kompetenz eine wichtige Rolle spielen müsste. Und schließlich unterstreichen auch Konzepte wie Schüler- und Handlungsorientierung die Notwendigkeit der Entwicklung von sozialen Kompetenzen, die insbesondere für das gemeinsame Lernen unerlässlich sind.
Wenn man sich in fremdsprachlichen Klassenzimmern in Deutschland umschaut, dann wird man feststellen können, dass im konkreten Unterricht meist nur einzelne Elemente der kommunikativen Didaktik übernommen wurden und ein eklektisches Modell von Unterricht entstanden ist, das in hohem Maße die pädagogischen Erfahrungen der einzelnen Lehrpersonen widerspiegelt. Das Spannungsfeld zwischen Anspruch und Wirklichkeit wird vor dem Hintergrund des didaktischen Modells der kommunikativen Didaktik besonders deutlich. In diesem Zusammenhang ist an den „offiziellen Charakter“ des Modells zu erinnern: Es ist ein von der Fremdsprachendidaktik entwickeltes Modell, das über Lehrpläne und Lehrwerke in die Praxis des Unterrichts überführt wurde und deshalb auch als ein top-down Modell bezeichnet werden kann.
Das Konzept der Authentizität, das sich sowohl auf Materialien als auch auf die Interaktion im Klassenzimmer bezieht, ist Überlegungen aus der Motivationspsychologie und aus der Sprachwissenschaft geschuldet. Die von Rod Ellis (1994) geprägte Formel vom „language learning as language use“ verweist darauf, dass Sprache ein Werkzeug ist, mit Hilfe dessen Gedanken von einem Sprecher zu einem Hörer transportiert, Fakten weitergeleitet und Entscheidungen ausgehandelt werden, d.h. also, um soziale Prozesse im Sinne von Clark überhaupt zu ermöglichen. Der Sprachlernprozess funktioniert nur dann wirklich, wenn es sich um authentische Interaktionen handelt, in welchen authentische Themen (die u.a. in den Materialien angelegt sind) behandelt werden. Der Werkzeugcharakter von Sprache ist ein wichtiges Thema der Kommunikationswissenschaften geblieben.
Die Methodenorientierung hebt auf einem grundlegenden pädagogischen Prinzip ab, das wir schon erwähnt haben. Aktives Lernen kann nur dann stattfinden, wenn der Lernende seinen Lernprozess möglichst selbstständig gestaltet und sich nicht weitgehend auf die Hilfestellung der Lehrperson verlässt. Dazu benötigt er ein strategisches Inventar, das die Fremdsprachendidaktiker zum Teil aus den in der Psycholinguistik herausgearbeiteten Strategien der Sprachverwendung abgeleitet haben (Was tun Menschen, psychologisch gesprochen, wenn sie Sprache benutzen? Was bedeutet es, Schallwellen so zu entschlüsseln, dass sie als sinnvolles Ganzes verstanden werden können? Wie gelingt es uns, Gedachtes so in Schallwellen umzusetzen, dass der Kommunikationspartner unsere Überlegungen versteht?).
Die Impulse für das interkulturelle Lernen lassen sich mit kulturtheoretischen Ansätzen verbinden, wie sie schon in Zeiten der strukturalistischen Linguistik (Bloomfield 1933) zumindest angedacht worden waren. Kontrastive Ansätze, z. B. der Vergleich von Sprachen, führten fast zwangsläufig zu Kulturvergleichen, die auch die Basis des interkulturellen Lernens ausmachen.
Sicherlich ist die kommunikative Didaktik als eine Theorie der Praxis des Fremdsprachenunterrichts mit Recht kritisch gesehen worden. Insbesondere Praktiker bemängeln den hohen Aufwand, der betrieben werden muss, wenn man mit authentischen Materialien arbeiten will. Auch authentische Interaktionen sind nach Meinung der Praktiker durch den Klassenzimmerkontext sehr eingeschränkt. Schließlich sei es problematisch, Fremdsprachenunterricht vor allem auf Schüler- und Handlungsorientierung zu gründen, Unterricht könne durchaus auch lehrergeleitet erfolgreich sein. Man kann an solchen Reaktionen deutlich erkennen, dass die Theorie einer Unterrichtspraxis und die Unterrichtspraxis selbst keine Einheit darstellen, sondern dass der Praktiker, basierend auf seinen Erfahrungen, sich im groben Rahmen einer solchen Theorie durchaus auch anders verhalten kann, als die Theorie es anregt.
Auch aus theoretisch-didaktischer Sicht ist eine Reihe von Kritikpunkten am Modell der kommunikativen Didaktik anzumelden. Besonders auffällig ist, dass der Entwicklung der sozialen Kompetenz beim Erlernen einer fremden Sprache nur geringe Bedeutung beigemessen wird. Zwar werden die individuellen Kompetenzen in den Vordergrund gerückt, aber die Fähigkeit des „miteinander kommunizieren Könnens“ spielt eigentlich keine Rolle, auch wenn das „Aushandeln von Bedeutung“ als ein Konzept der kommunikativen Didaktik gilt. In diesem Zusammenhang soll auch auf die weiterhin starke Betonung der mündlichen Kommunikation verwiesen werden, in der eigentlich die soziale Kompetenz eine wichtige Rolle spielen müsste. Und schließlich unterstreichen auch Konzepte wie Schüler- und Handlungsorientierung die Notwendigkeit der Entwicklung von sozialen Kompetenzen, die insbesondere für das gemeinsame Lernen unerlässlich sind.
Wenn man sich in fremdsprachlichen Klassenzimmern in Deutschland umschaut, dann wird man feststellen können, dass im konkreten Unterricht meist nur einzelne Elemente der kommunikativen Didaktik übernommen wurden und ein eklektisches Modell von Unterricht entstanden ist, das in hohem Maße die pädagogischen Erfahrungen der einzelnen Lehrpersonen widerspiegelt. Das Spannungsfeld zwischen Anspruch und Wirklichkeit wird vor dem Hintergrund des didaktischen Modells der kommunikativen Didaktik besonders deutlich. In diesem Zusammenhang ist an den „offiziellen Charakter“ des Modells zu erinnern: Es ist ein von der Fremdsprachendidaktik entwickeltes Modell, das über Lehrpläne und Lehrwerke in die Praxis des Unterrichts überführt wurde und deshalb auch als ein top-down Modell bezeichnet werden kann.
3.2 Der lernerautonome Ansatz
Der
lernerautonome Ansatz hat sich in den neunziger Jahren des
vergangenen Jahrhunderts entwickelt. Anders als die kommunikative
Didaktik, die sozusagen von oben nach unten (top-down)
auf der Grundlage der Erkenntnisse benachbarter
Fachwissenschaften entstand und als Theorie der Praxis in die
Methodik des Unterrichts hineinwirkte, kommt die Lernerautonomie
ursprünglich aus der Praxis und bildet sich erst seit wenigen Jahren
als Theorie der Praxis heraus. Dabei wirken, wie gleich zu zeigen
sein wird, auch wichtige Erkenntnisse der Bezugswissenschaften mit.
Der lernerautonome Ansatz ist in der Praxis nur wenig verbreitet –
in Deutschland noch weniger als in den nordeuropäischen Ländern und
in Großbritannien. Der bottom-up
Charakter seiner Entwicklungsgeschichte ist ein wichtiges
Merkmal der Lernerautonomie.
Entstanden ist die lernerautonome Bewegung aus der Unzufriedenheit einer Reihe von praktizierenden Lehrern mit der kommunikativen Didaktik. Insbesondere was da unter den Etiketten Schülerorientierung und Handlungsorientierung verkauft wurde, erregte ihren Unmut. Statt wie viele andere aber eine stärkere Lehrerzentrierung zu fordern – der Lehrperson wieder mehr Rechte bei der Gestaltung und Kontrolle des Unterrichts zuzugestehen –, regten sie an, das Konzept der Schülerorientierung weiterzudenken und in der Praxis umzusetzen. Daraus entstand eine Form von Unterrichtsorganisation und -gestaltung, für die ich einige Parameter nennen möchte:
Entstanden ist die lernerautonome Bewegung aus der Unzufriedenheit einer Reihe von praktizierenden Lehrern mit der kommunikativen Didaktik. Insbesondere was da unter den Etiketten Schülerorientierung und Handlungsorientierung verkauft wurde, erregte ihren Unmut. Statt wie viele andere aber eine stärkere Lehrerzentrierung zu fordern – der Lehrperson wieder mehr Rechte bei der Gestaltung und Kontrolle des Unterrichts zuzugestehen –, regten sie an, das Konzept der Schülerorientierung weiterzudenken und in der Praxis umzusetzen. Daraus entstand eine Form von Unterrichtsorganisation und -gestaltung, für die ich einige Parameter nennen möchte:
- Lernen in sozialer Interaktion: Das Klassenzimmer wird als Lernwerkstatt verstanden, in der alle Lernenden gemeinsam an der komplexen Aufgabe arbeiten, eine Sprache zu lernen. Partnerarbeit und die Arbeit in Kleingruppen erhöhen die Verantwortung des Einzelnen; er ist mitverantwortlich für das Planen und Gelingen der Lernprozesse.
- Die Kleingruppenarbeit führt dazu, dass gleichzeitig unterschiedliche Aufgaben bewältigt werden können. Dies macht es wiederum erforderlich, dass die Ergebnisse der einzelnen Arbeitsgruppen der gesamten Lerngruppe vermittelt werden müssen. Und dies führt dann zu einer authentischen Verwendung der Zielsprache in einem authentischen Kontext.
- Die in der Lernwerkstatt verwendeten Materialien zeichnen sich durch das Merkmal der Zieltransparenz aus, d.h. jedes Material verweist darauf, welche Lernziele durch seine Bearbeitung erreicht werden können. Lernziele können von den Lernenden auch selbst auf der Grundlage des jeweiligen Materials formuliert werden. Stärker als in der kommunikativen Didaktik führt ein solches Materialangebot zu einer durch Authentizität geprägten reichen Lernumgebung.
- Offene Aufgabenstellungen: Im lernerautonomen Unterricht ist das Spektrum an Aufgaben, die den Lernenden gestellt werden, grösser als im herkömmlichen Unterricht. Die Aufgabenstellungen sind weitgehend offen, es gibt nur selten Aufgaben, deren Lösungen vorher festgelegt werden können.
- Planen und Organisieren der Arbeit in der Lernwerkstatt: Planungsprozesse sind sowohl im Klassenverband als auch in den Klein- und Partnergruppen erforderlich. Die Verteilung der Aufgabenstellungen wird durch die Gruppen selbst vorgenommen; die einzelnen Lernenden entscheiden sich selbst für bestimmte Teilaufgaben und begründen ihre Entscheidung auch.
- Lernstrategische Kompetenzen: Die Entwicklung lernstrategischer Kompetenzen ist in einem lernerautonomen Unterricht eine zentrale Aufgabe. Um weitgehend autonom arbeiten zu können, benötigen die Lernenden Werkzeuge, die es ihnen ermöglichen, die schwierige Aufgabe des Verarbeitens und Lernens einer fremden Sprache zu bewältigen.
- Daneben spielen im lernerautonomen Unterricht auch die vom individuellen Lerner bevorzugten Lernweisen oder Lernstile eine Rolle. Je nachdem, ob ein Lernender eine visuelle, auditive oder gar haptische Lerndisposition hat, wird er bestimmte Lernstrategien bevorzugen. Allerdings muss er erkennen lernen, welcher Lerndisposition er zuneigt.
- Evaluation und Reflexion als wichtigste Aufgaben im lernerautonomen Unterricht: Evaluation findet in regelmäßigen Abständen gemeinsam in der Kleingruppe oder in der ganzen Klasse statt, z. B. wenn die Lernenden eine Aufgabenstellung oder ein Projekt abgeschlossen haben. Alle Lerngruppen sollen über ihre Lernprozesse reflektieren: Was habe ich gelernt? Wie habe ich gelernt? Was war beim Lernen hilfreich? Die unterschiedlichen Themen einer jeden Evaluation – Bewertung der Aktivität, der Materialien, der Ergebnisse des Lernprozesses, der sozialen Aspekte beim Lernen, des Evaluationsprozesses selbst – sollten differenziert werden.
Die hier aufgeführten
Merkmale eines lernerautonomen Unterrichts spiegeln die Überlegungen
wider, die von Unterrichtspraktikern (z. B. Dam 1994) angestellt
und im Fremdsprachenunterricht erprobt wurden. Dabei fällt auf, dass
hier vor allem Konzepte, wie wir sie als konstitutiv für die
kommunikative Didaktik herausgestellt hatten, konstruktiv
weitergedacht und vertieft werden. Außerdem wird deutlich, in welch
hohem Maße die soziale Kompetenz hier in den Vordergrund tritt.
Sie wird – viel stärker als in der kommunikativen Didaktik – als
Antriebsrad zur Optimierung der sprachlichen Lernprozesse eingesetzt.
Die Lernenden übernehmen mehr eigene Verantwortung für ihr Lernen.
In den nordischen Ländern, vor allem in Dänemark entwickelt, wurde die Lernerautonomie im europäischen Kontext zunächst nicht mit anderen pädagogischen Ansätzen in Verbindung gebracht, zumal sie sich nur auf den Fremdsprachenunterricht bezog. Erst nach einiger Zeit wurde erkannt, dass hier Konzepte entwickelt worden waren, wie sie auch in der deutschen Reformpädagogik des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts und der Freinet-Pädagogik der dreißiger Jahre in Frankreich zu finden sind. Das war auch der Grund dafür, warum die Fremdsprachendidaktik als Theorie der Praxis auf dieses Modell aus der Praxis aufmerksam wurde. Didaktiker wie Holec (1981) in Frankreich und Little (1991) in Irland lieferten theoretische Konzepte für die Praxis der Lernerautonomie nach. In seinen Schriften verweist z. B. Little immer wieder darauf, dass Autonomie als eine Fähigkeit verstanden werden sollte, die Menschen (z. B. beim Lernen ihrer Muttersprache) anscheinend unbewusst einsetzen können, dass sie aber bewusst gelernt werden muss, wenn der Lernende in einem schulischen Kontext autonom agieren soll. Lernerautonomie sollte deshalb als eine allgemeine pädagogische Zielsetzung verstanden werden – ein Bildungsziel, das den gesamten Prozess der geistigen Entwicklung eines Menschen durchzieht. Lernerorientierung ist aus dieser Sicht der Einstieg auf dem Weg zur Lernerautonomie: Ein lernerorientierter Unterricht führt zu einer immer größeren Annäherung an dieses Bildungsziel. Und Lernerautonomie ist die höchste Stufe der Lernerorientierung.
Nun wurde auch deutlich, dass die Lernerautonomie eine feste Grundlage in den theoretischen Bezugswissenschaften hatte. Das Prinzip lässt sich aus den in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts vorgelegten Erkenntnissen der kognitiven Psychologie (z. B. Kintsch & van Dijk 1978) zum menschlichen Lernen und Verstehen ableiten, verweist aber auch auf die Überlegungen der konstruktivistischen Philosophen und Lerntheoretiker (z. B. Vygotsky 1986). Die kognitiven Psychologen wie auch die Konstruktivisten haben deutlich gemacht, dass Verstehen und Lernen immer vom lernenden Subjekt ausgehen und dass Wissen von den Lernenden selbst erarbeitet (d.h. konstruiert) werden muss, um es behalten und wiederverwenden zu können. Sie unterstreichen auch die Individualität der Lernprozesse jedes Einzelnen. Jeder Mensch konstruiert sein Wissen, seine Kompetenzen auf unterschiedliche Weise: Das Lernen, selbst wenn es auf identischem Input beruht, führt deshalb für die einzelnen Lerner zu unterschiedlichen Ergebnissen. Darüber hinaus haben sie auch wiederholt unterstrichen, dass in der Interaktion zwischen Menschen das größte Potenzial für das Lernen liegt (hierzu auch Wolff 2002).
In den nordischen Ländern, vor allem in Dänemark entwickelt, wurde die Lernerautonomie im europäischen Kontext zunächst nicht mit anderen pädagogischen Ansätzen in Verbindung gebracht, zumal sie sich nur auf den Fremdsprachenunterricht bezog. Erst nach einiger Zeit wurde erkannt, dass hier Konzepte entwickelt worden waren, wie sie auch in der deutschen Reformpädagogik des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts und der Freinet-Pädagogik der dreißiger Jahre in Frankreich zu finden sind. Das war auch der Grund dafür, warum die Fremdsprachendidaktik als Theorie der Praxis auf dieses Modell aus der Praxis aufmerksam wurde. Didaktiker wie Holec (1981) in Frankreich und Little (1991) in Irland lieferten theoretische Konzepte für die Praxis der Lernerautonomie nach. In seinen Schriften verweist z. B. Little immer wieder darauf, dass Autonomie als eine Fähigkeit verstanden werden sollte, die Menschen (z. B. beim Lernen ihrer Muttersprache) anscheinend unbewusst einsetzen können, dass sie aber bewusst gelernt werden muss, wenn der Lernende in einem schulischen Kontext autonom agieren soll. Lernerautonomie sollte deshalb als eine allgemeine pädagogische Zielsetzung verstanden werden – ein Bildungsziel, das den gesamten Prozess der geistigen Entwicklung eines Menschen durchzieht. Lernerorientierung ist aus dieser Sicht der Einstieg auf dem Weg zur Lernerautonomie: Ein lernerorientierter Unterricht führt zu einer immer größeren Annäherung an dieses Bildungsziel. Und Lernerautonomie ist die höchste Stufe der Lernerorientierung.
Nun wurde auch deutlich, dass die Lernerautonomie eine feste Grundlage in den theoretischen Bezugswissenschaften hatte. Das Prinzip lässt sich aus den in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts vorgelegten Erkenntnissen der kognitiven Psychologie (z. B. Kintsch & van Dijk 1978) zum menschlichen Lernen und Verstehen ableiten, verweist aber auch auf die Überlegungen der konstruktivistischen Philosophen und Lerntheoretiker (z. B. Vygotsky 1986). Die kognitiven Psychologen wie auch die Konstruktivisten haben deutlich gemacht, dass Verstehen und Lernen immer vom lernenden Subjekt ausgehen und dass Wissen von den Lernenden selbst erarbeitet (d.h. konstruiert) werden muss, um es behalten und wiederverwenden zu können. Sie unterstreichen auch die Individualität der Lernprozesse jedes Einzelnen. Jeder Mensch konstruiert sein Wissen, seine Kompetenzen auf unterschiedliche Weise: Das Lernen, selbst wenn es auf identischem Input beruht, führt deshalb für die einzelnen Lerner zu unterschiedlichen Ergebnissen. Darüber hinaus haben sie auch wiederholt unterstrichen, dass in der Interaktion zwischen Menschen das größte Potenzial für das Lernen liegt (hierzu auch Wolff 2002).
3.3 Der bilinguale Sachfachunterricht
Wir
kommen zum letzten der drei von uns für das 21. Jahrhundert als
konstitutiv angesehenen kompetenzorientierten Ansätze: dem
bilingualen Sachfachunterricht (BSFU, eng. CLIL = content
and language integrated learning).
Der BSFU stellt sich als ein
didaktisch-methodisches Konzept dar, das man im weitesten Sinne als
das Vermitteln und Lernen von Sachfächern in einer anderen als der
jeweiligen Schul- oder Landessprache definieren kann.
Er hebt also sowohl auf das Sprach- wie auf
das Sachfachlernen ab. Wie
die Lernerautonomie ist der BSFU ein bottom-up
Modell des Lernens, anders als die Lernerautonomie erhielt er jedoch
schon Anfang der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts
zumindest in Deutschland einen bildungspolitischen Impuls, als im
deutsch-französischen Freundschaftsvertrag von 1963 die intensive
Förderung der Kenntnisse der jeweils anderen Sprache gefordert
wurde. In einzelschulischen Initiativen wurden vor allem in
Deutschland bilinguale Entwicklungen gestartet, in welchen Sachfächer
in französischer Sprache unterrichtet wurden. Die Entscheidung für
einen bilingualen Zweig war von Anfang an eine Entscheidung der
einzelnen Schule, die methodische Vorgehensweise eine Entscheidung
der einzelnen Lehrpersonen: Es
waren insbesondere die Fremdsprachen- und nicht so sehr die
Sachfachlehrer, die hier im Vordergrund standen. In den neunziger
Jahren war es das Englische, das als Unterrichtssprache das
Französische überholte und den Ansatz populärer machte. Im
europäischen Kontext kann man, zeitversetzt, eine ähnliche
Entwicklung erkennen, die in der Entscheidung des EU-Gipfels von
Barcelona kulminiert, Dreisprachigkeit für alle Europäer zu fordern
und als ein mögliches Mittel zur Erreichung dieses Zieles den
bilingualen Sachfachunterricht empfiehlt. Diese Empfehlung hat
zweifellos auch dem BSFU in Deutschland neue Impulse gegeben.
Erst jetzt, seit die Zahl der bilingualen Schulen überall in Europa sprunghaft angestiegen ist (von den 900 Gymnasien in NRW bieten z. B. 300 bilinguale Zweige an), bemühen sich die Schulbehörden darum, nicht den Anschluss zu verlieren und den BSFU durch Gesetze und Erlasse zu kanalisieren und seine Gestaltungsmöglichkeiten einzuschränken. Anders als die Lernerautonomie ist der BSFU in der rauen Normalität unserer Schulsysteme angekommen.
Im Folgenden seien einige Parameter aufgeführt, die für den BSFU als Modell sprachlichen und sachfachlichen Lernens charakteristisch sind. Es sind Merkmale, die auf die deutsche Version des BSFU zutreffen, in anderen europäischen Ländern finden sich Varianten, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann.
Erst jetzt, seit die Zahl der bilingualen Schulen überall in Europa sprunghaft angestiegen ist (von den 900 Gymnasien in NRW bieten z. B. 300 bilinguale Zweige an), bemühen sich die Schulbehörden darum, nicht den Anschluss zu verlieren und den BSFU durch Gesetze und Erlasse zu kanalisieren und seine Gestaltungsmöglichkeiten einzuschränken. Anders als die Lernerautonomie ist der BSFU in der rauen Normalität unserer Schulsysteme angekommen.
Im Folgenden seien einige Parameter aufgeführt, die für den BSFU als Modell sprachlichen und sachfachlichen Lernens charakteristisch sind. Es sind Merkmale, die auf die deutsche Version des BSFU zutreffen, in anderen europäischen Ländern finden sich Varianten, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann.
- Prinzipiell wird der BSFU als Sachfachunterricht verstanden, d.h. die jeweilige Didaktik des Sachfachs bestimmt das Unterrichtsgeschehen. Die Vermittlung der Inhalte des Sachfachs ist das oberste Ziel des Unterrichts.
- Der BSFU ist aber auch Sprachunterricht. Weil der Unterricht in einer anderen als der Schulsprache abläuft, müssen die Schülerinnen und Schüler in dieser Sprache besonders gefördert werden. Die Förderung bezieht sich vor allem auf die spezifische Fachsprache des Sachfachs, jedoch nicht nur auf die Fachterminologie, sondern vor allem auf den fachsprachlichen Diskurs.
- Zur Förderung einer „akademisch“ geprägten Fachsprache (CALP) hat der BSFU einen eigenen methodischen Ansatz entwickelt, der mit dem Stichwort sprachsensibles Unterrichten bezeichnet wird. Das Grundanliegen des sprachsensiblen Fachunterrichts ist es nach Leisen, „die Sprachbildung integrativ zu fördern, sprachliche Misserfolge möglichst zu vermeiden und alles zu tun, um das fachliche und sprachliche Könnensbewusstsein beim Lerner zu stärken“ (Leisen 2015: 237).
- Die Vertreter des BSFU sind der Auffassung, dass er neben dem unbestrittenen sprachlichen Mehrwert auch einen hohen sachfachlichen Mehrwert hat. Die Arbeit an sachfachlichen Themen in der Fremdsprache erweist sich Untersuchungen zufolge als motivierend und lernfördernd, d.h. die Schülerinnen und Schüler verarbeiten die sachfachlichen Inhalte in der Fremdsprache tiefer als in der Schul- bzw. der Muttersprache (Lamsfuß-Schenk 2008).
- Der BSFU erweist sich als wertvoller Zugang zum interkulturellen Lernen, insbesondere wenn man auf die geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer abhebt. Die Förderung der Fähigkeit, Wissensinhalte aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten zu können, kann im BSFU besser geleistet werden als im herkömmlichen Fremdsprachenunterricht.
- Wie schon angedeutet, tritt im BSFU die Vermittlung der Wissensinhalte mit den Methoden des jeweiligen Sachfachs in den Vordergrund; der sachfachspezifische didaktisch-methodische Zugang wird mehr und mehr betont. Lernstrategien und Arbeitstechniken des Sachfachs werden den Schülern auch im bilingualen Unterricht transparent gemacht.
- Der bilinguale Sachfachunterricht ist keiner besonderen pädagogischen Zugangsweise verpflichtet. Der Unterricht kann sehr traditionell ablaufen, in den meisten Fällen aber wird er auf den Kriterien moderner Unterrichtsorganisation aufbauen, also auf Schüler- und Handlungsorientierung, Gruppen- und Projektarbeit und authentischer Interaktion. Dies erweist sich allein schon deshalb als zwingend, weil er von den Inhalten des Sachfachs her diesen Kriterien besonders gerecht wird.
Der BSFU hat schon fast
den Status einer Theorie der Praxis erworben.
Die Bezugswissenschaften, auf die sich
Didaktiker beziehen können, sind die Zweitsprachenerwerbstheorie,
neuere Sprachlerntheorien, Wissenstheorien und
allgemeine pädagogische
Vermittlungstheorien. Kritische Anmerkungen aus der Praxis sind
selten. Die meisten Lehrpersonen müssen zwar erst von diesem
didaktisch-methodischen Zugang überzeugt werden; wenn sie es einmal
sind und Unterrichtserfahrungen gewonnen haben, bewerten sie den BSFU
als einen sehr effizienten Ansatz zur Gestaltung von sprach- und
fachrelevanten Unterrichtsstunden. (für eine detaillierte Darlegung
des gegenwärtigen Standes des bilingualen Unterrichts: Rüschoff,
Sudhoff & Wolff 2015).
4 Abschließende Bemerkungen
Was hat uns nun dieser kurze Einblick in die letzten 20 Jahre fremdsprachlichen Lehrens und Lernens gebracht:
- Er hat uns gezeigt, dass fremdsprachliches Lehren und Lernen als Theorie der Praxis grundsätzlich immer aus zwei Lagern gespeist wird: aus den Bezugswissenschaften und aus der Unterrichtspraxis. Dabei lässt sich beobachten, dass die Einflüsse meist unterschiedlich stark sind und deshalb zu unterschiedlichen Theorien der Praxis führen.
- Er hat uns gezeigt, dass die Fremdsprachendidaktik als Theorie der Praxis des fremdsprachlichen Lehrens und Lernens dann, wenn der Einfluss top-down – also von oben, den Bezugswissenschaften – erfolgt, die Konzepte dieser Disziplinen in der Unterrichtspraxis nur sehr modifiziert auftreten, d.h. es entstehen Unterrichtsansätze, die sich von einer wirklichen Theorie der Praxis entfernt haben und weitgehend individuell und eklektisch sind.
- In bottom-up-Modellen hingegen, die aus der Praxis kommen, werden die Bezugswissenschaften dazu verwendet, didaktische Konzepte, die im Unterricht entstanden sind, zu unterstützen. Die Bezugswissenschaften begründen die in der Praxis gewonnenen didaktischen Konzepte.
Aus diesem Befund leiten
wir die Frage ab, ob die Fremdsprachendidaktik nicht doch in
stärkerem Maße als bisher die wirklichen Bedürfnisse der
Unterrichtspraxis analysieren sollte. Empirische Untersuchungen
sollten mehr auf Unterrichtsprozesse abheben, sollten die
Interaktionen zwischen Lernenden und Lehrenden untersuchen und
somit ein besseres Bild von Unterricht, seinen Erfolgen und
Misserfolgen gewinnen. Statt sich in die Zwangsjacke der
Bezugswissenschaften zu begeben, sollte sich die
Fremdsprachendidaktik (als Theorie der Praxis) der
Bezugswissenschaften eher als Instrumente zur Verifizierung oder
Falsifizierung in der Unterrichtspraxis gewonnener Erkenntnisse
bedienen.
Daraus abgeleitet, stellt sich auch die Frage, ob die Fremdsprachenlehrerausbildung nicht auch einen anderen Weg beschreiten soll, d.h. sich nicht top-down sondern bottom-up aufstellen sollte, also nicht von den Bezugswissenschaften ausgehen sollte, wie das heute vor allem in der ersten Phase noch häufig geschieht, sondern von der Unterrichtspraxis her. Wir haben zwar in Deutschland hier schon große Fortschritte gemacht (ich verweise z. B. auf das Praxissemester), die globale Ausbildungsrichtung ist aber immer noch top-down.
Daraus abgeleitet, stellt sich auch die Frage, ob die Fremdsprachenlehrerausbildung nicht auch einen anderen Weg beschreiten soll, d.h. sich nicht top-down sondern bottom-up aufstellen sollte, also nicht von den Bezugswissenschaften ausgehen sollte, wie das heute vor allem in der ersten Phase noch häufig geschieht, sondern von der Unterrichtspraxis her. Wir haben zwar in Deutschland hier schon große Fortschritte gemacht (ich verweise z. B. auf das Praxissemester), die globale Ausbildungsrichtung ist aber immer noch top-down.
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Rüschoff, Bernd, Sudhoff, Julian & Wolff, Dieter (2015) (eds.).
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sprachpsychologische Entwicklungsmodelle: Ein Plädoyer für
eine stärkere Vernetzung am Beispiel des Schreibens. In: Hoffmann,
Sabine & Antje Stork (Hrsg.); Lernerorientierte
Fremdsprachenforschung und -didaktik. Festschrift für Frank Königs
zum 60. Geburtstag. Tübingen: Narr Verlag, 179-190.