Bericht über eine explorative Studie zum medien-
und medieneffektabhängigen Vokabellernen
Hans W. Giessen (Saarbrücken), Frank Kostrzewa (Karlsruhe),
Nicole Bachor (Karlsruhe)
Abstract
(English)
A
pilot study (Giessen 2011) led to rather unsatisfactory results with
regards to media-based vocabulary learning. This article presents a
second, bigger study, conducted at Karlsruhe University of Education
(Germany), in which these results are re-checked. Three experimental
groups were presented Hungarian vocabulary to be learnt, i.e. a
foreign language entirely unknown to the subjects. The first group
learnt a vocabulary list from a sheet of paper, the second one from
the computer monitor, but without any animation, and the third one
from an animated flash file. In the present article, the results of
this study are reported and discussed.
Keywords: Computer-based learning,
amygdala, hippocampus, vocabulary
Abstract
(Deutsch)
Eine
Pilotstudie zum mediengestützten Vokabellernen (Giessen 2011) hatte
zu eher unbefriedigenden Resultaten geführt. Dies sollte in einer
größer angelegten explorativen Studie, die an der
Pädagogischen Hochschule Karlsruhe durchgeführt wurde, überprüft
werden. Dazu wurden drei Probandengruppen Vokabellisten einer ihnen
unbekannten Sprache (Ungarisch) vorgelegt: Die erste Gruppe bekam die
Vokabelliste auf Papier, die zweite sah sie auf dem
Computermonitor, aber ohne jegliche multimediale Anwendungen,
und die dritte erhielt sie in animierter Form. Im vorliegenden
Beitrag sollen die Ergebnisse vorgestellt und diskutiert werden.
Stichwörter: Computer-gestütztes
Lernen, Amygdala, Hippocampus, Vokabellernen
1 Einleitung
Die
digitalen Medien bieten erhebliche Mehrwerte für Lehrende wie für
Lernende. Beispielsweise erlauben sie multimediale Formen der
Aufbereitung, die aufgrund der vielfältigen visuellen und
akustischen Reize die Lust am Lernen erhöhen sollen. Vor diesem
Hintergrund werden digitale Medien in verschiedenen Kontexten
oft und gern eingesetzt.
Allerdings
ist noch weitgehend unklar, ob beispielsweise die genannten
multimedialen Effekte aus lerndidaktischer Perspektive stets und
uneingeschränkt sinnvoll sind. Die moderne Hirnforschung legt
beispielsweise Wechselwirkungen nahe, die den Erfolg fördern
oder beeinträchtigen können (Roth 2011). Diese Wechselwirkungen
sind relativ komplex und hängen unter anderem vom Lerninhalt
beziehungsweise vom jeweiligen spezifischen Medieneinsatz ab. In
jedem Fall ist es förderlich, den Hippocampus, die Cortexrinde und
die Insula zu aktivieren, da diese Hirnareale für Lernen,
Kreativität und Memorisieren verantwortlich sind und am Beginn
erfolgreicher Lernprozesse stehen (Seifert 1983, Traub & Miles
1991, Andersen 2006). Dagegen beeinträchtigt die Aktivierung
der Amygdala solche Prozesse, da sie im Kontext emotionaler
Anspannung aktiviert wird (z. B. bei großer Freude, bei Sorgen,
Furcht oder Angst) und zur Hormonausschüttung führt. Sie
beeinflusst dadurch auch den Blutdruck. Auf diese Weise werden die
für Flucht oder Kampf notwendigen physiologischen Voraussetzungen
geschaffen, aber gerade deswegen reflektierende und kreative
Prozesse tendenziell behindert. Die Amygdala beeinträchtigt dabei die
Funk-tionen des Hippocampus, indem sie die mit dem Hippocampus
assoziierten Prozesse überlagert und diese zum Stillstand bringt
(Eleftheriou 1972, Aggleton 1992, 2000, 2002, Damasio 2003, Phelps
2006).
Das
Ziel der Aktivierung des Hippocampus würde dafür sprechen, die
Möglichkeiten multimedialer Angebote zu nutzen, um eine
spielerische, angenehme und mithin erfolgreiche Lernatmosphäre zu
gestalten (Giessen 2009). Andererseits wird die Amygdala durch
schnelle Bewegungen und vielfältige Reize aktiviert (die
evolutionsgeschichtlich möglicherweise Gefahren angedeutet hatten;
z. B. Damasio 2003) – und genau dies könnte problematische
Auswirkungen haben. In der Folge ist fraglich, welche
Konsequenzen multimediale Effekte im Kontext digitaler Medien haben,
wenn die multimedialen Effekte beispielsweise mit Animationen
gekoppelt sind. Gegebenenfalls könnten gerade solche, mit Bewegungen
und vielfältigen Reizen arbeitenden Präsentationsformen durch
die Aktivierung ,falscher‘, weil lernhinderlicher Hirnregionen zu
einer schwächeren Lerneffektivität führen. Dagegen könnte die
Vermeidung solcher und – im Gegenteil – die bewusste Stimulierung
lernförderlicher Hirnregionen eine verbesserte Lerneffektivität
zur Folge haben.
Untersuchungen
zu dieser Frage existieren noch wenige. Die Forschungsgeschichte
wurde lange von Vermutungen geprägt, die Richard E. Clark 1983 in
einem häufig zitierten Aufsatz formuliert und noch 1994 prägnant –
als Titel eines weiteren Aufsatzes zum Thema – wiederholt hat:
"Media will never influence learning" (Clark 1994).
Entscheidend sei die didaktische Aufbereitung; über welchen Kanal
sie erfolge, sei nicht relevant (Clark 1994). Erst Mitte der
neunziger Jahre begann die Debatte, ob diese Auffassung
korrekt sei (z. B. Kozma 1994, Reeves
1998, McCombs 2000, Nathan / Robinson 2001). Kozma widersprach ihm
noch vorsichtig und vermutete, dass es ein Wechselspiel zwischen
didaktischer Aufbereitung und medialem Kanal gebe, so dass er als
Schlüsselfrage formulierte: "In what ways can we use the
capabilities of media to influence learning for particular students,
tasks, and situations?" (Kozma 1994:
18). In den Jahren dieses Disputs wurden neue
Medien und mithin weitere
mediale Aufbereitungen immer verbreiteter.
McCombs formulierte dann schon deutlicher, dass die
Computertechnologie das Potential habe, "to support diverse
needs and capacities within the student population and to allow
students greater control over their learning" (McCombs 2000: 1).
Inzwischen scheint die Auseinandersetzung entschieden. So konnte
Workman beispielsweise experimentell zeigen, dass die Art der
medialen Vermittlung in der Tat Auswirkungen auf den Lernerfolg hat:
Man lernt dieselben Inhalte sogar in derselben Aufbereitung
anders, wenn sie per Internet vermittelt werden, als wenn man sie auf
einer CD-ROM bearbeitet (Workman 2004).
Indirekt
wurde natürlich bereits früher bestätigt, dass die Mehrzahl
beispielsweise der Sprachdidaktiker die Notwendigkeit sah,
Lerninhalte zumindest medienadäquat aufzubereiten (Giessen
2004), und mithin eine Wechselwirkung zwischen Inhalt und Medium
unterstellte. Aus diesem Grunde wurden beispielsweise
Zeitschriften zum Computer-Assisted Language
Learning oder
Language Learning and Technology
initiiert; und es gab zunehmend Publikationen, die diesen Aspekt
aufgriffen (z. B. Dudeney & Hockly 2007, Sharma &
Barrett 2007, Thomas et al. 2012, Beatty 2013).
Aber
auch hier standen zunächst die vielfältigen Vorteile – wie der
unbegrenzte weltweite Zugang zu authentischen Sprachdokumenten, die
Möglichkeit, zeit- und ortsunabhängig zu lernen, und Lerninhalte
eben multimedial und mithin ansprechend und attraktiv
aufzubereiten, um nur die wichtigsten Aspekte zu nennen, die
beispielsweise Chun & Plass 2000 zusammengefasst haben – und
ihre Erprobung so sehr im Vordergrund, dass die Untersuchung der
Probleme und Nachteile zurückgestellt wurde. Zwar waren
Medieneffekte nun akzeptiert, aber sie wurden fast ausschließlich
positiv gesehen und untersucht. Erst zu Beginn des neuen Jahrhunderts
öffnete sich die Diskussion auch kritischen Fragen.
In diesem Kontext gab es
auch erste Untersuchungen über eine mögliche unterschiedliche
Lerneffektivität in Abhängigkeit davon, ob Lerninhalte traditionell
über Papier vermittelt würden oder über einen Bildschirm (Brandl
2002, Stepp-Greany 2002, Wästlund et al. 2005, Ackerman &
Lauterman 2012, Mueller & Oppenheimer 2014, Park et al. 2014).
Hier dominierten dann die problematischen Effekte. Insbesondere
wurde immer wieder festgestellt, dass die aufwendige Erstellung
multimedialer Angebote selten in einem angemessenen
Kosten-Nutzen-Verhältnis stand. Bestenfalls fanden sich keine
Verbesserungen der Lerneffizienz beim – in den genannten
Studien untersuchten – Leseverstehen; Mangen et al. meinten
2013 dann sogar bereits, aus ihrer experimentellen Studie das
folgende Resultat ableiten zu können:
The main findings show that students who read texts in print scored significantly better on the reading comprehension test than students who read the texts digitally. (Mangen et al. 2013: 61)
Ähnliche Resultate
ergaben sich in einer eigenen Pilotstudie zum Vokabellernen
(Giessen 2011). Die dort ermittelten Ergebnisse wurden in einer
größer angelegten, an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe
durchgeführten, explorativen Studie überprüft, die hier
beschrieben wird.
2 Die Untersuchung
Zur
Überprüfung der zentralen Fragestellung wurden drei
Experimentalgruppen gebildet, von denen die erste mit den zu
memorisierenden Vokabeln auf traditionelle Art und Weise
konfrontiert wurde (Vokabellisten in Papierform), die zweite Gruppe
in Form einer statischen Vokabelliste am Computer, während der
dritten Gruppe die zu memorierenden Vokabeln am bewegten
Computerbildschirm als Flash-Dokument präsentiert wurden. Die
präsentierten deutschen und fremdsprachlichen – ungarischen –
Vokabeln ersetzten sich dabei gegenseitig in einem Auf- und
Abblendprozess.
Da
die zu erlernenden Vokabeln einer Sprache entstammen sollten, die
sich der lateinischen Sprache bedient, den Probanden jedoch
mutmaßlich unbekannt sein sollte, fiel die Wahl auf das Ungarische.
Die zu erlernenden Vokabeln entstammten dem Wortfeld Tourismus.
Innerhalb von 30 Minuten war eine Liste von zehn Vokabeln zu
memorieren. Eine zweite Untersuchung erfolgte am darauffolgenden Tag,
eine dritte eine Woche später.
Bezüglich
der Anzahl der Teilnehmer an dem Experiment wurde entschieden, so
viele Teilnehmer wie möglich – insgesamt möglichst über 100
Probanden – zu erreichen. Bei der Zuordnung der Probanden zu den
jeweiligen Gruppen sollte auf die Homogenität der Gruppen bzw.
zumindest auf eine vergleichbare Heterogenität Wert gelegt werden.
Vor diesem Hintergrund sollten Faktoren wie Alter,
soziodemographische Daten,
Studienfach und
Geschlecht Einfluss
auf die Zuordnung der Probanden zu den jeweiligen Gruppen haben.
In
einer etwa 15-minütigen Einführungsphase wurden die Probanden über
das Experiment vorab informiert. Das Ziel der Untersuchung bzw. die
konkrete Fragestellung der Untersuchung wurden jedoch nicht
bekanntgegeben, um negative Einflüsse auf den Untersuchungsverlauf
und das Ergebnis zu vermeiden.
Bei
der Durchführung des Experiments war zu beachten, dass alle
Probanden aller drei Gruppen dieselbe Zeitdauer – 30 Minuten –
für das Memorieren der einzelnen Items erhielten. Eine erste
Überprüfung der Memorierungsleistung fand direkt nach der Rezeption
der Vokabeln durch die Probanden bzw. nach dem Ausschalten des
Computers statt. Eine zweite Überprüfung erfolgte am nächsten Tag
zu derselben Zeit und die dritte Untersuchung exakt eine Woche
später. Für das Abfragen der memorisierten Vokabeln wurden maximal
15 Minuten kalkuliert. Wichtig war es, zu beachten, dass die
Zeitabstände zwiischen den Phasen des Lernens und des Abfragens
in allen drei Gruppen identisch waren. Die Itempräsentation in der
ursprünglichen Vokabelliste Deutsch / Ungarisch hatte
folgendes Bild:
- DeutschUngarischDeutschUngarischauf WiedersehenBúcsúGuten Tag!Jó napot kivánokBitteKéremdie Mahlzeitaz étkezésDankeKöszönömdas Restaurantaz étteremEntschuldigungBocsánatTschüss!ViszlátFerienÜnnepdie Übernachtungaz éjszaka
Tab. 1:
Die präsentierten Vokabellisten (deutsch - ungarisch):
Itempräsentation
(ursprüngliche Liste)
2.1 Ergebnisse des ersten Untersuchungsdurchgangs: Gruppe Vokabellernen vom Blatt (Papierform)
Kurzfristiges
Behalten:
Anzahl
der Probanden:
durchschnittliche
Behaltensleistung (absolut, in Punkten):
höchster Wert:
niedrigster
Wert:
|
22
9,4
10,0
3,0
|
Mittelfristiges
Behalten:
Anzahl
der Probanden:
durchschnittliche
Behaltensleistung (absolut, in Punkten):
höchster Wert:
niedrigster
Wert:
|
9
9,4
10,0
7,0
|
Langfristiges
Behalten:
Anzahl
der Probanden:
durchschnittliche
Behaltensleistung (absolut, in Punkten):
höchster Wert:
niedrigster
Wert:
|
19
6,9
10,0
4,0
|
Leistungen
in relativen Werten:
Kurzfristiges
Behalten:
Mittelfristiges
Behalten:
Langfristiges
Behalten:
|
94,0 %
94,0 %
64,0 %
|
Tab. 2: Ergebnisse des ersten
Untersuchungsdurchgangs – Gruppe
Vokabellernen vom Blatt
(Papierform)
Die
Leistungen der Probanden waren beim kurzfristigen und mittelfristigen
Behalten gleich hoch (Ø 9,4 Punkte bzw. 94 %). Der höchste
Wert lag sowohl beim Test zum kurzfristigen als auch beim Test zum
mittelfristigen Behalten bei 10 Punkten (volle Punktzahl).
Der
niedrigste Wert lag beim Test zum kurzfristigen Behalten bei 3
Punkten, beim Test zum mittelfristigen Behalten bei 7 Punkten.
Einschränkend
muss bei dem Vergleich der Leistungen im Bereich des kurz- bzw.
mittelfristigen Behaltens festgestellt werden, dass am Test zum
mittelfristigen Behalten lediglich 9 Probanden teilnahmen (statt
22 am Test zum kurzfristigen und 19 am Test zum langfristigen
Behalten).
Die
durchschnittliche Behaltensleistung war bei dem Test zum
langfristigen Behalten am geringsten (Ø 6,9 Punkte bzw. 64 %).
Die
Minimal- und Maximalwerte waren bei dem Test zum langfristigen
Behalten (Maximum: 10 Punkte, Minimum: 4 Punkte) ähnlich verteilt
wie bei dem Test zum kurzfristigen Behalten (Maximum: 10 Punkte,
Minimum: 3 Punkte).
2.2 Ergebnisse des zweiten Untersuchungsdurchgangs: Gruppe Vokabellernen vom Blatt (Papierform)
Kurzfristiges
Behalten:
Anzahl
der Probanden:
durchschnittliche
Behaltensleistung (absolut, in Punkten):
höchster Wert:
niedrigster
Wert:
|
18
7,4
10,0
4,0
|
Mittelfristiges
Behalten:
Anzahl
der Probanden:
durchschnittliche
Behaltensleistung (absolut, in Punkten):
höchster Wert:
niedrigster
Wert:
|
7
8,1
10,0
2,0
|
Langfristiges
Behalten:
Anzahl
der Probanden:
durchschnittliche
Behaltensleistung (absolut, in Punkten):
höchster Wert:
niedrigster
Wert:
|
10
6,9
10,0
1,0
|
Leistungen
in relativen Werten:
Kurzfristiges
Behalten:
Mittelfristiges
Behalten:
Langfristiges
Behalten:
|
74,22 %
81,42 %
69,0 %
|
Tab 3: Ergebnisse des zweiten
Untersuchungsdurchgangs –
Gruppe Vokabellernen vom Blatt
(Papierform)
Die Leistungen im Bereich
des langfristigen Behaltens waren erneut (wie im ersten
Durchgang) am geringsten (Ø 6,9 Punkte bzw. 69,0 %). Die
Leistungen im Bereich des mittelfristigen Behaltens lagen (mit Ø 8,1
Punkten bzw. 81,42 %) knapp über den Leistungen im Bereich des
kurzfristigen Behaltens (Ø 7,4 Punkte bzw. 74,22 %).
Die Anzahl der Probanden
lag in den Bereichen des mittel- und langfristigen Behaltens (mit 7
bzw. 10) deutlich unter der Zahl der Probanden im Bereich des
kurzfristigen Behaltens (18 Probanden). Die von den Probanden
erreichten Maximalwerte lagen in allen Behaltensbereichen bei 10
Punkten.
Die Minimalwerte lagen
bei 4 Punkten (kurzfristiges Behalten), 2 Punkten (mittelfristiges
Behalten) und lediglich einem Punkt für das langfristige Behalten.
Im ersten Durchgang
hatten die Minimalwerte bei 3 Punkten (kurzfristiges Behalten),
7 Punkten
(mittelfristiges Behalten) und 4 Punkten (langfristiges
Behalten gelegen.
2.3 Ergebnisse des ersten Untersuchungsdurchgangs: Gruppe Vokabellernen am Computer (ohne Animation)
Kurzfristiges
Behalten:
Anzahl
der Probanden:
durchschnittliche
Behaltensleistung (absolut, in Punkten):
höchster Wert:
niedrigster
Wert:
|
28
8,3
10,0
3,0
|
Mittelfristiges
Behalten:
Anzahl
der Probanden:
durchschnittliche
Behaltensleistung (absolut, in Punkten):
höchster Wert:
niedrigster
Wert:
|
17
8,6
10,0
4,0
|
Langfristiges
Behalten:
Anzahl
der Probanden:
durchschnittliche
Behaltensleistung (absolut, in Punkten):
höchster Wert:
niedrigster
Wert:
|
8
8,1
10,0
3,0
|
Leistungen
in relativen Werten:
Kurzfristiges
Behalten:
Mittelfristiges
Behalten:
Langfristiges
Behalten:
|
83,57 %
86,47 %
80,59 %
|
Tab. 4: Ergebnisse des ersten
Untersuchungsdurchgangs –
Gruppe Vokabellernen am Computer (ohne Animation)
Die
durchschnittlichen Behaltensleistungen der Probanden waren in allen
drei Testgruppen (kurzfristiges Behalten: 83,57 %;
mittelfristiges Behalten 86,47 %; langfristiges Behalten
80,59 %) vergleichbar hoch. Gleichwohl war die
Behaltensleistung der Probanden auch in dieser Testkonstellation
(Computer: ohne Animation) im Bereich des langfristigen Behaltens am
geringsten.
In
der Beurteilung der Daten muss einschränkend festgestellt werden,
dass die Probandenzahl im Test zum mittelfristigen (17 Probanden) und
langfristigen Behalten (8 Probanden) deutlich unter der Zahl der
Probanden im Test zum kurzfristigen Behalten lag (28 Probanden).
Die
von den Probanden erreichten Maximalwerte lagen in allen
Behaltensbereichen bei 100 % (10 Punkten). Die Minimalwerte
lagen bei 30 % (3 Punkten – kurzfristiges Behalten), 40 %
(4 Punkten – mittelfristiges Behalten) und 30% (3 Punkten –
langfristiges Behalten).
Die
Behaltensquote lag in der Gruppe Vokabellernen
am Computer (ohne Animation)
insgesamt (und in den einzelnen
Teilleistungsbereichen – kurz-, mittel- und langfristig) höher als
in der Gruppe Vokabellernen vom Blatt
(Papierform) des zweiten Durchgangs.
Im
Vergleich zur Gruppe Vokabellernen vom Blatt
(Papierform) des
ersten Durchgangs lag die Behaltensleistung der Gruppe Vokabellernen
am Computer (ohne Animation) lediglich im
Bereich des langfristigen Behaltens höher. In den Bereichen des
kurz- und mittelfristigen Behaltens lag die Behaltensleistung der
Gruppe Vokabellernen vom Blatt (Papierform)
über der der Gruppe Vokabellernen
am Computer (ohne Animation).
2.4 Ergebnisse des zweiten Untersuchungsdurchgangs:
Gruppe Vokabellernen am Computer (mit Animation)
Kurzfristiges
Behalten:
Anzahl
der Probanden:
durchschnittliche
Behaltensleistung (absolut, in Punkten):
höchster
Wert:
niedrigster Wert:
|
33
6,9
10,0
2,0
|
Mittelfristiges
Behalten:
Anzahl
der Probanden:
durchschnittliche
Behaltensleistung (absolut, in Punkten):
höchster
Wert:
niedrigster Wert:
|
14
4,7
8,0
0,0
|
Langfristiges
Behalten:
Anzahl
der Probanden:
durchschnittliche
Behaltensleistung (absolut, in Punkten):
höchster
Wert:
niedrigster Wert:
|
23
4,8
8,0
1,0
|
Leistungen
in relativen Werten:
Kurzfristiges
Behalten:
Mittelfristiges
Behalten:
Langfristiges
Behalten:
|
69,39 %
47,14 %
47,83 %
|
Tab. 5: Ergebnisse des zweiten
Untersuchungsdurchgangs – Gruppe
Vokabellernen am Computer (mit Animation)
Die
Behaltensleistungen der Probanden sind in den Bereichen des kurz-,
mittel- und langfristigen Behaltens am niedrigsten im Vergleich zu
allen anderen Probandengruppen.
Die
Leistungen im Bereich des langfristigen Behaltens sind ausschließlich
in dieser Untersuchungskonstellation, nämlich Vokabellernen
am Computer (mit Animation),
höher – wenn auch nur geringfügig – als
im Bereich des mittelfristigen Behaltens.
Die
Behaltensleistungen der Probanden sind in der
Untersuchungskonstellation (Vokabellernen
am Computer (mit Animation)) deutlich
geringer als in der Konstellation Vokabellernen
am Computer (mit Animation).
3 Fazit
Die
Computeranimationen scheinen zu Inhibitionen des Behaltensprozesses
zu führen.
Nimmt
man die klassische Vokabelliste in Papierform (erster
Untersuchungsdurchgang), so war diese im Gesamtkontext des
Experiments am erfolgreichsten.
Im
zweiten Durchgang war die klassische Vokabelliste in Papierform in
den Bereichen des kurz-, mittel- und langfristigen Behaltens dem
Vokabellernen am Computer (ohne Animation) leicht unterlegen.
Eine
insgesamt deutliche Verschlechterung bzw. Einschränkung der
Lerneffizienz durch den Einsatz des Computers kann aufgrund
unserer Ergebnisse nicht generell angenommen werden.
Lediglich
animierte Computerpräsentationen scheinen zu schlechteren
Behaltensleistungen in den Bereichen des kurz-, mittel- und
langfristigen Behaltens zu führen.
Insgesamt
erscheint es im Kontext des Vokabellernens sinnvoll, auf animierte
Computerpräsentationen zu verzichten.
Zusammenfassend
lässt sich feststellen, dass Untersuchungsitems (Vokabeln), die in
gedruckter Form vorliegen, ein höheres Maß an Aufmerksamkeit und
Fokussierung zu erfahren scheinen als ausschließlich am
Bildschirm präsentierte Items.
Am
Computermonitor gelesene Items werden bei einem geringeren Grad an
Verarbeitungstiefe weniger gründlich rezipiert. Das Medium Computer
scheint somit ein gewisses Maß an
Flüchtigkeit der Informationsverarbeitung zu begünstigen.
Bibliographie
Ackerman, Rakefet & Tirza
Lauterman (2012). Taking Reading Comprehension Exams on Screen or on
Paper? A Metacognitive Analysis of Learning Texts under Time
Pressure. In: Computers in Human Behaviour, Vol. 28,
1816-1828.
Aggleton, John P. (1992). The
Amygdala: Neurobiological Aspects of Emotion, Memory and Mental
Dysfunction. London: Wiley.
Aggleton, John P. (2000). The
Amygdala: A Functional Analysis. Oxford: Oxford University
Press.
Aggleton, John P. & Andrew
W. Young (2002). The Enigma of the Amygdala. On Its Contribution to
Human Emotion. In: Lane, Richard D. & Lynn Nadel (eds.)
(2002). Cognitive Neuroscience of Emotion. Oxford, New York:
Oxford University Press, 12-23.
Andersen, Per, Richard Morris, David
Amaral et al. (eds.) (2006). The Hippocampus. Oxford: Oxford
University Press.
Beatty, Ken (2013). Teaching &
Researching: Computer-Assisted Language Learning. London:
Routledge.
Brandl, Klaus (2002). Integrating
Internet-based Reading Materials Into the Foreign Language
Curriculum: From Teacher-to Student-centered es. In: Language
Learning & Technology Vol. 6, No. 3, 87-107.
Chun, Dorothy M. & Jan L. Plass
(2000). Networked Multimedia Environments for Second Language
Acquisition. In: Warschauer Marc; Kern Richard (eds.) (2000).
Network-based Language Teaching: Concepts and Practice. New York:
Cambridge University Press.
Clark, Richard E. (1983).
Reconsidering Research on Learning from Media. In: Review of
Educational Research Vol. 53,
No. 4, 445-459.
Clark, Richard E. (1994). Media Will
Never Influence Learning. In: Educational Technology Research and
Development No. 42, No. 2, 21-29.
Damasio, Anotonio (2003). Looking
for Spinoza: Joy, Sorrow and the Feeling Brain. New York:
Harcourt.
Dudeney Gavin & Nicky Hockly
(2007). How to Teach English with Technology. Harlow:
Pearson.
Eleftheriou, Basil. E. (ed.) (1972).
Neurobiology of the Amygdala. London: Plenum.
Giessen, Hans W. (2004).
Medienadäquates Publizieren. Heidelberg. Berlin: Spektrum
Akademischer Verlag / Elsevier.
Giessen, Hans W. (Hrsg.) (2009).
Emotionale Intelligenz in der Schule: Unterrichten mit
Geschichten. Weinheim: Beltz.
Giessen, Hans W. (2011). Medien- und
medieneffektabhängiges Vokabellernen. In: Journal of Linguistics
and Language Teaching. Volume 2, Issue 2, 325-336.
Kozma, Robert B. (1994). Will Media
Influence Learning? Reframing the Debate. In: Educational
Technology Research and Development Vol. 42, No. 2, 7-19.
Langner, Michael (2011). Digitale
Medien, E-Learning – und was ,sagt’ unser Gehirn dazu?. In:
Tinnefeld, Thomas (Hrsg.) unter Mitarbeit von Ines-A. Busch-Lauer,
Hans Giessen, Michael Langner, Adelheid Schumann (2011).
Hochschulischer Fremdsprachenunterricht. Anforderungen –
Ausrichtung – Spezifik. Saarbrücken: htw saar, 191-201.
Mangen, Anne, Bente R. Walgermo &
Kolbjørn Brønnick (2013). Reading Linear Texts on Paper versus
Computer Screen: Effects on Reading Comprehension. In: International
Journal of Educational Research Vol. 58, 61-68.
McCombs, Barbara L. (2000). Assessing
the Role of Educational Technology in the Teaching and Learning
Process: A Learner-centered Perspective. In: The
Secretary’s Conference on Educational Technology 2000.
Washington: USA Dept of Education.
Mueller, Pam A. & Daniel M.
Oppenheimer (2014). The Pen Is Mightier Than the Keyboard: Advantages
of Longhand Over Laptop Note Taking. In: Psychological Science
Vol. 25, June 2014, 1-10.
Nathan, Mitchell & Cecil Robinson
(2001). Considerations of Learning and Learning Research: Revisiting
the “Media Effects” Debate. In: Journal of Interactive
Learning Research Vol. 12, No. 1, 69-88.
Park, Jaehan, Jaeh-Seok Yang & Yi
Chin Hsieh (2014). University Level Second Language Readers’ Online
Reading and Comprehension Strategies. In: Language Learning &
Technology Volume 18, Number 3 (October 2014), 148-172.
Phelps, Elizabeth A. (2006). Emotion
and Cognition: Insights from Studies of the Human Amygdala. In:
Annual Review of Psychology Vol. 57, 27-53.
Reeves, Thomas C. (1998). The
Impact of Media and Technology in Schools. Gütersloh: A
Research Report Prepared for the Bertelsmann Foundation.
Roth, Gerhard (2011). Bildung
braucht Persönlichkeit: Wie Lernen gelingt. Stuttgart:
Klett-Cotta.
Seifert, Wilfred (1983). Neurobiology
of the Hippocampus. London: Academic Press.
Thomas, Michael, Hayo Reinders &
Marc Warschauer (eds.) (2012). Contemporary Computer-Assisted
Language Learning. London. New York: Bloomsbury Academic.
Traub, Roger D. & Richard Miles
(1991). Neuronal Networks of the Hippocampus. Cambridge:
Cambridge University Press.
Wästlund, Erik, Henrik Reinikka,
Thorsten Norlander et al. (2005). Effects of VDT and Paper
Presentation on Consumption and Production of Information:
Psychological and Physiological Factors. In: Computers in Human
Behaviour, Vol. 21, 377-394.
Workman, Michael (2004). Performance
in Computer-based and Computer-aided Education: Do Cognitive Styles
Make a Difference? In: Journal of Computers in Human Behavior
Vol. 20, 517-534.